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DER BEGINN MEINES INNEREN KAMPFES

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Dann war er da, dieser Tag der allerersten Panikattacke, die mich in den Kurznachrichten am Nachmittag überfiel. Sie kam für mich zunächst aus dem Nichts. Natürlich wusste ich um meine Unsicherheiten. Aber gleichzeitig war ich überglücklich, in der Position zu sein, in der ich war.

Immerhin war ich jedes Wochenende Moderatorin der Hauptnachrichten des Senders. Mein Chef war überzeugt von meinen Fähigkeiten und förderte mich. Ich war immer souverän, selbst in den größten Stresssituationen sah man mir die Aufregung nicht an, ich konnte mit Lampenfieber und Druck umgehen. Meine Kolleg*innen waren durch die Bank weg nett. Mit einer der jungen Kolleginnen verband mich mittlerweile sogar eine enge Freundschaft. Der Job war einfach alles in allem wie ein Sechser im Lotto, eine Chance, die man im Leben kein zweites Mal bekommt. Eigentlich hätte ich mich rundum wohlfühlen und glücklich sein können.

Ich sagte mir also innerlich, dass es keinen Grund gebe, an mir oder meinem Weg zu zweifeln. Ich verdrängte meine Unsicherheiten in die hinterste Ecke meiner Selbstwahrnehmung, verrammelte das Versteck und stellte mich taub für die inneren Stimmen, die weiter riefen. Ich fühlte mich souverän mit dem Schlüssel in der Hand. Dass diese Gefühle der Unsicherheit es schaffen würden, die Türen zu durchbrechen und mich aus dem Hinterhalt zu überwältigen, damit hatte ich nicht im Geringsten gerechnet. Die Panik hatte meinen Stolz, so weit gekommen zu sein, binnen weniger Minuten zerschlagen. Meine Liebe zu meinem Job, zu moderieren und zu recherchieren, hatte ihre Kraft verloren. Ich hatte der Attacke nichts entgegenzusetzen.

Okay, es gab einen weiteren Punkt, der mich in der Zeit vor der Panik geschwächt hatte: Ich hatte monatelang deutlich zu viel gearbeitet. Allein vor dieser Sendung gut drei Wochen am Stück. An den Wochenenden sah man mich als Moderatorin bei der Hauptnachrichtensendung und unter der Woche hatte ich mich weiterhin bei meinem anderen Job in alle möglichen Redaktions- und Moderationsdienste eintragen lassen oder freie Veranstaltungsmoderationen angenommen. Ich war immer da, wenn man mich brauchte, und sagte selten Nein, wenn ein Dienst besetzt werden musste. Meine Beziehung hatte ich beendet. Es hatte einfach nicht gepasst. Auch wenn es mich traurig gemacht hatte, fühlte ich mich frei. Ich konnte Gas geben. Karriere machen. Keiner stand mir mehr im Weg und nörgelte herum, wenn ich keine Zeit hatte. Das hatte ich genutzt und einfach keine Pause mehr gemacht. Dass ich mir im Grunde meines Herzens eine intakte, glückliche Beziehung wünschte, ignorierte ich. Dabei hätte ich mehr Privatleben und Zeiten zum Durchatmen dringend gebrauchen können. Nur von allein gestand ich mir das in dem nötigen Maß nicht zu.

Immerhin war mir aber klar, dass mein Arbeitspensum zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gesund sein konnte, und so hatte ich mich schon im Vorfeld des Zwischenfalls für die kommenden zwölf Tage nicht in den Dienstplan eintragen lassen. Ich war erschöpft und hatte diese Pause zum Durchschnaufen eingeplant, um danach wieder den vollen Einsatz bringen zu können. Sie kam leider keine Sekunde zu früh. Im Gegenteil.

Nach diesem Horrortag meiner ersten Panikattacke war ich am Ende.

Eine Auszeit zu nehmen, mit viel Ruhe – das würde mir jetzt guttun, dachte ich, und mich wieder regenerieren. Sicherlich wäre der ganze Spuk dann schnell wieder vorbei. Ich schwor mir, wieder aufzutanken und besser auf meinen Körper zu hören, bevor mich ein Burn-out komplett lahmlegte. Diese Attacke war eindeutig ein Signal dafür, dass ich zu viel arbeitete und mir unbedingt eine Auszeit gönnen musste. Dachte ich.

Liebe Angst, Zeit, dass du gehst

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