Читать книгу Liebe Angst, Zeit, dass du gehst - Annett Möller - Страница 5

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VORWORT

Sie nimmt uns die Luft zum Atmen, sie hält uns gefangen und sie kann uns die Freude am Leben rauben – und doch traut sich kaum jemand, offen über sie zu sprechen: die Angst.

Viele Menschen leiden so sehr unter ihrer Angst, dass sie alles nach ihr ausrichten. Dinge, die früher normal waren, werden nach und nach unmöglich. Betroffene versuchen ihr Leiden zu verheimlichen, rutschen dadurch oft noch tiefer hinein und finden jahrelang nur schwer oder gar nicht wieder aus ihrer misslichen Lage.

Noch vor Depressionen sind Angststörungen die häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Etwa 12 Millionen Frauen und Männer hierzulande, 60 Millionen in Gesamteuropa, leiden darunter. Forschungen zeigen, dass 25 Prozent aller Menschen in Deutschland mindestens einmal im Leben mit einer Angststörung zu tun haben.1

Zugegeben, es braucht Mut, über das Thema zu sprechen. Eine Angststörung ist nicht nur sehr leidvoll, sondern auch sehr persönlich und hat oft tief liegende Ursachen.

Als meine erste Panikwelle mich während einer Livesendung überrollte, war ich 32 Jahre alt. Ich hatte es geschafft, meinen Kindheitstraum als Fernsehmoderatorin wahr werden zu lassen, arbeitete für zwei große nationale private Fernsehsender in den Nachrichten und moderierte zusätzlich ein Magazin. Ich hatte Erfolg, viele Pläne und stand mitten im Leben. Von einem Tag auf den anderen änderte sich alles für mich. Die Lebensfreude, die Leichtigkeit, die Energie, die ich zuvor hatte – all das hat mir die Panikattacke innerhalb von Minuten genommen. Was die Sache noch schwieriger machte: Niemand sah mein Leiden. Außer die wenigen, die ich irgendwann einweihte. Ich befürchtete, abgestempelt oder für verrückt gehalten zu werden, wenn ich darüber spräche. Für mich wäre es einer Kapitulation gleichgekommen, mich zu offenbaren, und ich nahm an, dass man mich fallen lassen würde.

Mit Therapie und sehr viel harter Arbeit an mir selbst gelang es mir nach einem schier endlosen Weg von gut sechs Jahren, die Angst endlich loszuwerden. Heute bin ich frei von diesem inneren Dämon.

Mein Heilungsweg hätte sicher sehr viel kürzer sein können, hätte ich mehr Hilfe, Anleitung und Wissen gebündelt zur Hand gehabt.

Aus diesem Grund möchte ich in diesem Buch über meine persönliche Erfahrung mit meiner Panik- und Angststörung sprechen und weitergeben, was ich daraus gelernt habe.

Ich weiß, was es heißt, wenn man von einer Sekunde auf die andere in Todesangst versetzt ist, und wie hilflos und handlungsunfähig man sich fühlt, nachdem man die Attacke dann doch überlebt hat.

Die Angst scheint aus dem Nichts zu kommen. Heute bin ich mir im Klaren darüber, dass dem nicht so ist. Dass meine Angst Ursachen hatte, denen ich inzwischen nach und nach auf die Schliche gekommen bin. Und ich weiß, dass es Methoden und Wege gibt, die akut und langfristig helfen. Für mein Leben und meine Selbstfindung war es ein wichtiger, wenn auch harter Lernprozess.

Dem Wunsch, dir als Betroffene*r all mein Wissen aus dieser Zeit, in der ich selbst an der Angststörung litt, zur Verfügung zu stellen, entspringt der zweite Teil dieses Buches mit seinem 10-Punkte-Plan zur Selbsthilfe. Da ich heute nicht nur als freie Moderatorin, sondern auch als Systemische Coachin arbeite, greife ich bei den Übungen unter anderem auf ein fundiertes Wissen der Methoden und Informationen aus der Systemischen Therapie, der Hypnose und der Körperarbeit zurück und biete dir eine professionelle Anleitung auf deinem persönlichen Weg im Umgang mit deiner Angst. Ich selbst habe damals viel davon für mich allein erarbeitet. Nur so war es mir möglich, mich immer mehr von meinen Ängsten zu befreien.

Jede*r Betroffene hat einen eigenen Leidensweg und jede Angst hat ihre ganz individuellen und persönlichen Ursprünge. Was ich erlebt habe, kann sich von deinem inneren Erleben und deinen Symptomen sehr unterscheiden. Angststörungen haben ganz unterschiedliche Erscheinungsformen. Eine*r kann sich nicht mehr unter Menschen begeben, ohne panisch zu werden, ein*e andere*r nicht mehr einschlafen, vor lauter Sorge um die scheinbar alltäglichsten Dinge. Aus diesem Grund biete ich hier ein breit angelegtes Spektrum an Übungen an, von denen die eine oder andere sicher auch für dich hilfreich sein kann.

Das Buch soll auch helfen, dich zurechtzufinden und einzuordnen, was gerade mit dir passiert und was hilfreich sein könnte.

Zwar können meine Hilfestellungen keine Ärzt*innen oder psychologischen Therapeut*innen ersetzen, wenn deine Angst dein Leben bereits massiv beeinträchtigt. Vor, während und nach einem therapeutischen Prozess können sie jedoch eine wertvolle Ergänzung sein, um in deinem eigenen Tempo an dir zu arbeiten, Gelerntes zu vertiefen und in das heilsame Arbeiten weiter hineinzugehen.

Ich möchte dich einladen, mich mit diesem Buch durch meine Angstgeschichte zu begleiten und anschließend zu dir selbst zu reisen, um deinen eigenen tief liegenden Bedürfnissen und deiner Angst auf die Spur zu kommen. Wie die Lösung deiner Probleme aussieht, kannst nur du allein herausfinden. Es ist dein eigener individueller Prozess, der Zeit braucht. Der so ablaufen darf, wie es sich für dich richtig anfühlt. Ich wünsche dir von Herzen, dass du deinen für dich passenden Weg zu innerer Ausgeglichenheit findest und dass mein Buch dir dabei helfen wird.

Liebe Angst, Zeit, dass du gehst

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