Читать книгу Ruhe sanft - Annette Meyers - Страница 11

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»Hazel war außer sich«, sagte Wetzon. »Verdammt, ich war außer mir.« Sie lag auf dem Bett, noch völlig angezogen bis auf die Stiefel.

Am anderen Ende der Leitung gab Smith mitfühlende Laute von sich. »Die arme Frau. Wie hat die Leiche ausgesehen?«

»Smith, du kannst ganz schön makaber sein.«

»Nein, hör zu, Wetzon, du fühlst dich besser, wenn du es mir erzählst. Du weißt doch, wie dir solche Sachen auf der Seele liegen, wenn du sie nicht ausspuckst.«

»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Als wir aus dem Haus gingen, hatte man sie weggebracht …«

Sie schauderte bei der Erinnerung. Sie und Edward hatten Hazel von der Tür zurückgerissen. »Das ist ein Irrtum«, wiederholte Hazel immer wieder. »Das ist ein Irrtum.« Irgendwie schafften sie es, sie auf ein Sofa in der Halle zu setzen. Wetzon schlüpfte aus ihrem Mantel und legte ihn um Hazels Schultern. Edward verschwand und kam mit etwas zurück, das wie eine Abdeckplane eines Anstreichers aussah. Wetzon wußte, daß er hinausgegangen war, um Peepsie Cunninghams sterbliche Überreste zuzudecken. Dann war die Polizei gekommen …

»Sie waren schnell da«, unterbrach Smith sie.

»Macht anscheinend was aus, wenn man in der Fifth Avenue wohnt.«

»Aha, sie war also eine der besonders Privilegierten.«

»Das kann man wohl sagen. Ich habe noch nie so eine Wohnung gesehen. Wie ein Museum …«

»Erzähle …«

»Nicht jetzt. Es war ein furchtbarer Nachmittag.« Wetzon schloß die Augen und sah wieder den Schuh. Der kleine dunkelblaue Gucci mit den goldenen Bügeln.

»Was hast du mit Hazel gemacht?« Smith’ Stimme war undeutlich, weil sie etwas aß. »Ich wollte, du würdest dich mitteilen, Liebes. Du weißt, daß du Alpträume bekommst, wenn du nicht darüber sprichst.«

»Ich kann nicht«, sagte Wetzon. »Zumindest noch nicht, nicht jetzt.« Und vielleicht nicht zu dir, fügte sie im stillen hinzu. Warum wollte Smith immer jeden Gedanken und jedes Gefühl mit ihr teilen? »Ich habe Hazels Arzt angerufen und sie nach Lenox Hill gebracht. Er wollte sie zur Beobachtung überweisen.«

»Meine Güte, dann muß sie in einem schlimmen Zustand gewesen sein.« Das Kaugeräusch hielt an.

»Smith, sie hatte einen Schock. Peepsie Cunningham war eine ihrer besten Freundinnen – sag mal, was futterst du eigentlich?«

»Kartoffelchips. Peepsie, was für ein Name ist das überhaupt? Mädchenschulsprache der Jahrhundertwende?«

»Smith, du bist so gefühllos. In dreißig oder vierzig Jahren versuchen wir vielleicht, uns umzubringen.« Durchgefroren zog sie die Wolldecke über sich.

»Kaum, Wetzon. Ich habe nicht vor, aus meinem Fenster zu spazieren, schon gar nicht in einer kalten Nacht. Und du genauso wenig.« Wetzon hörte es rascheln, als Smith das Zellophan zerknüllte.

»Aber was wäre, wenn wir krank und allein wären und nicht wüßten, was wir tun?« Ein komischer kleiner Puls ließ ihr Augenlid flattern. Sie war deprimiert, weil das mit Peepsie passiert war.

»Wetzon«, drängte Smith, »du hattest gerade von der Frau erzählt, die bei ihr war und sich um sie kümmerte.«

»Richtig. Ida. Eine sehr sonderbare russische Dame, die tat, als gehörte sie zur Familie. Sie zog doch tatsächlich die Schuhe aus und trank Tee mit uns.« Wetzon hatte Ida völlig vergessen. Wo war Ida überhaupt gewesen, als Peepsie Cunningham sprang? »Ich weiß nicht, wo sie war, und in dem Durcheinander habe ich sie nicht mehr gesehen.«

»Hast du nicht mit der Polizei gesprochen?«

»Uns hat niemand angesprochen, und Hazel ging es furchtbar schlecht. Viele Hausbewohner kamen nach unten und standen herum, weil sie sehen wollten, was los war. Es wurde immer voller in der Halle. Deshalb rief ich eine Taxizentrale an, nachdem ich mit Hazels Arzt gesprochen hatte, und wir gingen weg.«

»Das war alles?«

»Das war alles.«

Bis auf eines, dachte Wetzon. Als sie Hazel beim Einsteigen geholfen hatte, war ihr Blick auf den kleinen dunkelblauen Gucci-Straßenschuh mit den goldenen Bügeln im Rinnstein gefallen. Ohne nachzudenken, hatte sie sich danach gebückt und ihn in ihre große Ledertasche gesteckt. Warum sie das getan hatte, hätte sie nicht mehr sagen können. Es war instinktiv gewesen. Und in ihrer Sorge um Hazel hatte sie es bis zu diesem Augenblick vergessen.

»Ich begreife einfach nicht, daß dich niemand aufgehalten hat«, fuhr Smith fort.

»Ich glaube, die Leute haben gesehen, daß es Hazel schlecht …« Sie schluckte. »Ach, Smith, es kommt noch was dazu. Hazels Krebs ist wieder ausgebrochen. Sie bekommt Chemotherapie, und sie kann kaum gehen.«

»Es tut mir wirklich leid, Wetzon. Ich weiß, wie dir zumute ist, aber sie ist nun einmal alt …«

»Vergiß es, Smith. Sag kein Wort mehr.«

»Also wirklich, Wetzon, was habe ich denn jetzt gesagt?« Smith hörte sich verletzt an. »Du wirst immer empfindlicher.«

Wetzon wußte nicht, warum sie sich so aufregte. Sie und Smith würden in den meisten Fällen niemals völlig einer Meinung sein. »Schon gut, Smith, ich bin wohl einfach durcheinander wegen dieser Geschichte. Ich lege mich hin und versuche, mich zu erholen.«

»Halt, bevor du auflegst, du hattest ein paar Anrufe …«

Wetzon sah auf die Uhr. Es war fünf. Sie stöhnte auf. »Okay, ich höre.«

»Evan Cornell.«

»Er sieht sich etwas im Management um. Er ruft alle paar Monate an. Das kann bis morgen warten.«

»Mary Ann Marusi. Ich hoffe, sie hat dort keine Probleme. Kidder hat uns noch nicht mal bezahlt.«

»Glaub’ ich nicht. Sie sagte, sie wollte mich auf einen Drink oder zum Lunch einladen, sobald sie sich eingerichtet hat.«

»Hoffen wir’s, aber in Anbetracht ihres Rufs …«

»Was ist mit ihrem Ruf, Smith? Ich weiß wirklich nicht, warum du es auf Mary Ann abgesehen hast. Sie hat nichts verbrochen.«

»Nein, bloß ihre Leistungen bei Sontheimer und Co. frisiert.«

»Das stimmt nicht. Das hast du von Don Schwartzman, und du weißt ganz genau, daß Don ein Lügner ist. Er hat uns über die Jahresleistung jedes einzelnen, den wir dort untergebracht haben, belogen. Er hat uns bemogelt. Das ist der Grund, falls du dich erinnerst, warum wir nicht mehr mit Sontheimer zusammenarbeiten.«

»Wie konnte mir das entfallen. Ich lasse anscheinend nach.« Smith lachte sorglos.

»Sonst noch Anrufe?«

»Ja. Peter Tormenkov, um das Frühstück morgen um halb acht im American Festival Café zu bestätigen.«

»Verdammt. Das hatte ich völlig vergessen.«

»Wer ist Peter Tormenkov?«

»Jemand, den Howie Min ton mir schickt.«

»Himmel, Howie Minton, der große Stellenwechsler«, stichelte Smith sarkastisch, weil Wetzon Howie Minton immer glaubte, wenn er sie anrief und schwor, das er dieses Mal wirklich bereit sei, die Firma zu wechseln. Wetzon vereinbarte dann Gesprächstermine für ihn bei verschiedenen Firmen, alle machten ihm Angebote, und er blieb dann doch bei L. L. Rosenkind.

»Na ja, da hast du recht. Ich gebe es zu.« Wetzon lachte. »Jedenfalls arbeitet dieser Tormenkov für L. L. Rosenkind und ist sehr unzufrieden …«

»Genau wie Howie, nehme ich an.«

»Vielleicht nicht. Howie sagt, daß Tormenkov wirklich dort weg will und daß er für einen Anfänger ein ganz schönes Konto hat.«

»Anfänger? Gott, wie ich das liebe, mit Anfängern zu arbeiten! Du verwendest mindestens soviel Zeit auf sie wie auf eine Koryphäe, an der wir wirklich was verdienen könnten«, klagte Smith. »Hättest du ihn nicht ins Büro kommen lassen können? Du wirfst Zeit und Geld zum Fenster raus, wenn du einem Anfänger ein Frühstück spendierst.«

»Er war so versessen auf Vertraulichkeit, daß ich dachte, was soll’s.« Wetzon freute sich auch nicht auf das Frühstück um halb acht. Sie hatte sich immer noch nicht an die Uhr der Wall Street gewöhnen können, wo der Tag oft in aller Frühe begann und Börsenmakler schon um sieben am Schreibtisch saßen. Der Tag begann offiziell um neun Uhr dreißig, wenn der Markt öffnete, aber viele Makler hatten schon beträchtlich früher Kunden am Telefon. Und die Makler, die neue Kunden auftun wollten, wußten, daß die Obermacker der Branche normalerweise um sieben am Schreibtisch saßen, ohne störende Sekretärin. Aber Wetzon, die so viele Jahre am Theater verbracht hatte, fühlte sich immer noch so, als habe vor zehn noch nicht einmal ihr Herz angefangen zu schlagen. »Noch was?«

»Ja, noch einer. Kevin De Haven. Keine Nachricht. Nur eine Telefonnummer. Sieht wie eine Merrill-Nummer aus.«

»De Haven? Kommt dir der Name bekannt vor?«

»Nein. Kennst du ihn?«

»Nein.« Ihre Neugier war geweckt, trotz der Müdigkeit. »Ich überlege, ob es zu spät ist. Ich versuche es, und dann rufe ich dich wieder an.«

Sie legte auf und wählte die Nummer, die Kevin De Haven hinterlassen hatte.

»De Haven.«

»Hallo, Leslie Wetzon. Sie haben mich heute angerufen.«

»Ja. Ich wollte zurückrufen.«

»Ich habe Sie nicht angerufen.«

»Aber ich fand Ihren Namen und Ihre Telefonnummer heute morgen auf meinem Schreibtisch, als ich aus dem Urlaub zurückkam.«

»Jedenfalls habe ich Sie nicht angerufen, Kevin.« Wetzon war verblüfft. »Was machen Sie?«

»Ich bin Börsenmakler.«

»Tatsächlich?« Sie unterdrückte einen vergnügten Gluckser. »Was für ein Zufall. Ich bin Headhunterin.«

»Aha, und in welchem Revier jagen Sie?« fragte De Haven, der langsam in Schwung kam. Makler reden gern. Verkäufer überhaupt. Solange man das Gespräch in Gang hält, besteht eine Chance, das Geschäft zu machen.

»In Ihrem Revier. Börsenmakler. Vielleicht sollten wir uns einmal unterhalten.«

»Wäre vielleicht nicht schlecht. Könnte interessant für mich sein, Ihre Dienste zu nutzen.«

»Wie sieht Ihr Geschäft in Zahlen ausgedrückt aus?« fragte Wetzon beiläufig.

»Hm, so um die dreiviertel Million.«

»Im Ernst? Sie sind kein Börsenmakler. Sie sind Superman. Wann können wir uns mal zusammensetzen?« Da ein durchschnittlicher Makler zwischen zweihundertfünfzig- und dreihunderttausend bei der Bruttoproduktion lag, war De Haven in der Tat ein ganz Großer.

»Wie wäre es morgen? Nach Börsenschluß?«

»Prima. Wo ist Ihre Firma? Mein Büro ist in der 49., um die Ecke der Second.«

»Ich bin in 200 Park. Vielleicht komme ich bei Ihnen vorbei. Rufen Sie mich doch morgen um vier an.«

»Prima, Kevin, ich rufe an.« Sie legte auf und stieß einen Juchzer aus: »Gold!« Sie wählte das Büro, und als Smith sich meldete, sagte sie: »Rate, wer richtig lebt?«

»Was? Schieß los. Wer ist er?«

»Ach, bloß ein kleiner alter Dreiviertelmillionen-Dollar-Produzent.«

»Heiliger Strohsack, wem haben wir unser Glück zu verdanken?«

»Weiß ich nicht, aber ich kriege es bestimmt heraus. Er sagt, ich hätte ihn angerufen und Namen und Nummer hinterlassen, aber ich habe nicht angerufen. Irgend jemand paßt auf mich auf.«

»Ich sage es dir, wenn ich heute abend meine Karten befragt habe.« Smith spielte darauf an, daß sie Tarockkarten legte. »Wann triffst du ihn?«

»Morgen. Vielleicht nach vier im Büro.«

»Wie dumm, Wetzon, meine Party ist morgen abend. Du weißt doch, daß ich zeitig gehen muß.«

»Du brauchst ihn nicht zu treffen, Smith.«

»Will ich aber.« Smith war gereizt.

»Möchtest du lieber, daß ich ihm absage und ihn verliere?« Smith konnte sich manchmal so lächerlich aufführen. Obwohl sie älter war als Wetzon, fühlte Wetzon sich häufig reifer.

Smith antwortete mit einem entschiedenen »Hm!«

»Hör zu, Smith, ich bin fix und fertig. Ich sehe dich morgen.«

»Halt, Wetzon, eine Minute. Ich habe vergessen, dich zu fragen: War es ihre eigene Wohnung?«

»Was? Was für eine Wohnung?«

»Die von der Frau, die sich umgebracht hat, natürlich, was denn sonst? Ich möchte, daß du Hazel in meinem Auftrag fragst. Vielleicht kann ich sie zu einem guten Preis bekommen. Falls Leon und ich heiraten … dann brauchen wir eine größere Wohnung.«

Ruhe sanft

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