Читать книгу Ruhe sanft - Annette Meyers - Страница 14

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»Weil ich nicht nachdachte. Ich wollte zu Hazel nach Lenox Hill. Ich sah sie. Ich hob sie einfach auf.«

Silvestri stellte den Pappbecher mit Kaffee auf die schmale Leiste vor der Windschutzscheibe und ließ den halben Krapfen in die Pappschachtel auf dem Sitz zwischen ihnen fallen. Er wischte seine Hände an den Jeans ab und machte weiße Flecken.

Wetzon öffnete ein Päckchen, zog ein gefaltetes nasses Reinigungstuch heraus und reichte es ihm. »Semper paratus«, sagte sie.

»Donnerwetter, Les, stets auf Draht«, sagte Silvestri, während er sich die klebrigen Hände abwischte und dann den dunkelblauen Gucci-Straßenschuh aus ihrer Hand nahm. »Woher weißt du, daß er dieser Frau …«

»Peepsie Cunningham. Ich meine Evelyn Cunningham.«

»Egal, wie sie heißt. Wie kannst du so sicher sein, daß es ihr Schuh ist? Es gibt an der Upper East Side jede Menge Frauen, die Gucci-Schuhe tragen.«

Sie antwortete ihm nicht, aber als er sie ansah, hielt sie seinem Blick stand.

»Okay, okay. Sieh mich nicht so an. Ich weiß, wann ich verloren habe.« Er beugte sich zu ihr, küßte sie leicht und lehnte sich zurück. Auf ihren Lippen blieb der süße Geschmack von Puderzucker hängen, und ihr Herz spielte verrückt.

Sie hielten am Rockefeller Plaza hinter der Schlittschuhbahn, in der Nähe des Cafés, wo sie mit Peter Tormenkov zum Frühstück verabredet war.

»Und sieh dir das an, Silvestri.« Sie war fest entschlossen, beim Thema Peepsie Cunningham zu bleiben. Sie lockerte ihren Schal und streifte die Handschuhe ab. Aus der Einkaufstasche zog sie die gefaltete Zeitung und hielt sie ihm hin.

»O Les«, stöhnte Silvestri, rutschte auf dem Sitz zurück und nahm den Kaffeebecher. »Ich habe dienstfrei. Ich bin zwei Tage nicht zu Hause gewesen …«

»Es dauert nur eine Minute. Bitte, Silvestri.«

»Wenn du dir was in den Kopf gesetzt hast!« sagte er und nahm die Zeitung. Er las schnell, während er die Stoppeln in seinem Gesicht rieb. »Du lieber Gott«, meinte er, als er den Artikel gelesen hatte und sie mit kalten, leeren Augen ansah. »Wie kommt es, daß du immer in solchen Scheiß verwickelt wirst?«

»Was meinst du mit ›immer‹?« fragte sie beleidigt. »Einmal erst. Und daran war ich auch nicht schuld. Das weißt du doch, Silvestri.«

»Ich habe es gern einfach und unkompliziert, wenn ich nicht arbeite.« Er klopfte mit der Hand auf das Lenkrad. »Andernfalls komme ich nie zur Ruhe. Und du – du bist wie eine Komplikation, die darauf wartet, daß sie eintreten kann.«

Sie kehrte ihm den Rücken und starrte durch das beschlagene Autofenster, ohne etwas zu sehen, hastig blinzelnd, um die Tränen zurückzuhalten.

Es herrschte lange Schweigen, während jeder für sich aus seinem Fenster starrte.

»Ach, Scheiße, Les«, begann Silvestri schließlich barsch. »Tut mir leid. Ich bin müde. Ich bin ungewaschen. Ich wollte dich einfach sehen, dich berühren.«

»Mir tut es auch leid. Ich weiß, daß du müde bist. Ich hätte warten oder selbst etwas unternehmen sollen.«

»Nein, das gerade nicht. Du mußtest es mir sagen, und wir müssen uns darum kümmern.«

Er öffnete den zweiten Becher in der Pappschachtel und hielt ihn ihr hin.

»Was ist das?« Er wußte, daß sie keinen Sanka trank, und das war die einzige koffeinfreie Kaffeesorte, die sie in den Bäckereien, wo er am liebsten einkaufte, servierten. Ihre Finger berührten sich, als sie den Becher von ihm nahm. »Oh, frischer Orangensaft zur Versöhnung«, sagte sie, indem sie absichtlich Ophelia paraphrasierte.

Wenigstens sahen sie sich wieder an.

»Okay«, sagte er, »reden wir also darüber.«

»Was meinst du?«

» ›Ms. Whitman‹, nehme ich an.« Silvestri sah sie an und klopfte mit der Fingerspitze auf den Artikel.

»Mhm.«

»Und die russische Dame?«

»Ida Soundso. Eine Privatpflegerin. Hazel weiß vielleicht mehr von ihr.«

»Und Hazel ist im Lenox Hill?«

»Ja.«

»Schlampige Arbeit, keine Fragen zu stellen, keine Aussage von euch beiden aufzunehmen, den Ort des Geschehens nicht zu durchkämmen«, sagte er mehr zu sich als zu Wetzon. »Ihr seid einfach weggegangen, und niemand hat euch aufgehalten.« Er schüttelte den Kopf. »Schlampig«, wiederholte er und starrte durch die Windschutzscheibe.

»Silvestri«, sagte sie leise.

»Du trinkst deinen Orangensaft nicht«, antwortete er.

Sie hielt den Becher an die Lippen. Der Saft war frisch und mit viel Fruchtfleisch, so wie sie ihn mochte.

»Mm.« Sie schloß die Augen. »Himmlisch. Fast so gut wie …« Sie spürte, wie die Röte langsam in ihre Wangen kroch. »Wie Schokolade. Ich wollte sagen, Schokolade.« Sie lächelte ihn an, auf einmal schüchtern. »Das ist dumm, Silvestri. Ich muß in ein paar Minuten ein Gespräch führen.«

Seine Augen lachten sie an.

»Ich muß gehen.« Es widerstrebte ihr, ihn zu verlassen oder die Wärme des Autos, sogar für den kurzen Weg zu dem gläsernen Aufzug, der sie nach unten in die Ladengalerie und das Café bringen würde.

»Was hast du mit dem Schuh vor?« Sie zog den Schal fest und streifte die Handschuhe über.

»Laß ihn bei mir. Ich kenne Eddie O’Melvany.« Silvestris Ton war jetzt distanziert, dienstlich. »Ich spreche mit ihm. Du und Hazel, ihr werdet aussagen müssen. Falls es ein einwandfreier Selbstmord ist …«

»Ein einwandfreier Selbstmord … Was ist ein einwandfreier Selbstmord, um Himmels willen?«

»Ich prüfe es nach. Dann gehe ich schlafen. Ich bin wie erschlagen.«

»Mußt du danach wieder zur Arbeit?« fragte sie vorsichtig. Er sollte nicht denken, daß sie ihn verplante, aber während sie sprach, langte ihr rechter Arm, ohne daß sie etwas dabei dachte, über den Sitz zu ihm.

»Nein, wir hatten heute morgen eine Festnahme. Ich habe ein paar Tage.« Seine Finger trafen ihre, tasteten sich in ihren Ärmel und blieben über dem Handgelenk liegen. Sie beugten sich ungeschickt über die Pappschachtel auf der Sitzbank, um sich zu berühren. »Heute abend?« fragte er.

»Smith gibt heute abend eine Party, ich muß hingehen.« Sie zögerte. »Du kannst mitkommen«, sagte sie in der Hoffnung, er würde keine Lust haben. Seine Finger spielten zart an ihrem Handgelenk.

»Keine Lust«, sagte er und sah ihr tief in die Augen.

»Ich könnte zeitig weggehen.« Sie versuchte, gelassen zu bleiben. Die Uhr am Armaturenbrett stand auf halb acht. »Ich komme zu spät«, flüsterte sie. »Ich gebe meinen Schlüssel beim Portier ab.«

Er nickte. Ihre Finger verschlangen sich flüchtig, dann ließen sie einander los. Sie stieg mit weichen Knien aus dem Auto aus und schlug die Tür zu.

Ruhe sanft

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