Читать книгу Ruhe sanft - Annette Meyers - Страница 7

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Wetzon knallte den Hörer auf. »O nein, das durfte er mir nicht antun.«

»Was antun?« fragte Smith geistesabwesend. Sie hatte Börsenberichte auf dem Schreibtisch ausgebreitet, die sie studierte. »Greg Castalde – er hat bei Merrill aufgehört«, sagte Wetzon empört. »Ich bin wirklich sauer. Er hat versprochen, dieses Mal nicht ohne mich zu wechseln.«

Smith sah auf. »Ich habe dir ja gesagt, du sollst nie glauben, was Makler erzählen. Die sind alle gleich schlecht. Wo ist er jetzt?«

Wetzon hatte das Telefon schon wieder abgehoben und hackte wütend auf die Tasten. »Greg Castalde, bitte.« Ihre Stimme war die pure Freundlichkeit. »Ah, ja«, sagte sie mit ihrer besten Schulmädchenimitation, »ich suche Greg. Ich habe gerade gehört, daß er nicht mehr bei Ihnen ist. Nein.« Sie lächelte und wußte, daß das Lächeln über das Telefon zu spüren war. »Ich bin keine Kundin … bloß eine alte Freundin vom College …« – sie sah rasch auf der Karteikarte nach – » … vom Northwestern. Ich bin nur den einen Tag in der Stadt, zum Einkaufen … und bei ihm zu Hause nimmt niemand ab … ach, das wäre nett von Ihnen … vielen Dank.« Sie legte zufrieden auf. Warum sie allerdings zufrieden war, wo das Miststück ohne ihre Mitwirkung gewechselt hatte, konnte sie nicht sagen. Kleine Siege. Und sie liebte es, den Unvorsichtigen Informationen zu entlocken.

»Na, wo ist er?« wollte Smith, die interessiert zugehört hatte, wissen.

»Smith Barney, ist denn das die Möglichkeit?« Wetzon war schon dabei, die Nummer zu wählen, die sie von der Verkaufsassistentin bei Merrill bekommen hatte.

»Greg Castalde.« Toll, er ging selbst ans Telefon.

»Hallo, Greg, Wetzon hier.«

Es herrschte totale Stille, dann lachte er laut heraus. »Nicht zu fassen. Sie haben mich wieder aufgespürt. Wetzon, wie machen Sie das bloß?«

»Schwingungen«, antwortete sie.

»Okay, okay, hören Sie, es tut mir wirklich leid, daß ich ohne Rücksprache …«

»Greg, ich freue mich für Sie.« Hinter sich hörte sie Smith leise verächtlich schnauben. »Ich hoffe, Sie haben etwas für sich herausgeholt … oder haben Sie mit einem anderen Headhunter zusammengearbeitet, Sie Verräter?«

»Was, ich? Wetzon, würde ich Ihnen so was antun?«

»Sie, Greg? Niemals. Nach all den Jahren, die wir uns kennen …«

Er stöhnte auf. »Verschonen Sie mich. Bitte, geben Sie mir eine Chance.«

»Na gut«, sagte Wetzon fröhlich, »Sie können es wiedergutmachen, indem Sie mir Ihr altes Büroadreßbuch schicken …« Sie legte den Hörer auf und machte eine wegwerfende Bewegung zu Smith.

»Dieser Schleimscheißer.« Smith rückte ein wenig an der Andy-Warhol-Zeichnung – einer Rolle Geldscheine mit einem Gummiband darum –, damit sie gerade an der Wand hing. Wetzon hatte sie in einer Galerie an der Madison Avenue gesehen und Smith darauf aufmerksam gemacht. Irgendwie hatte sie Smith überzeugen können, daß es eine gute Investition sei, und sie hatten sie mit einem Teil der Provision für ihre erste Vermittlung gekauft. Wetzon liebte das Bild.

»Mir wäre es lieber, wenn es Tausend-Dollar-Scheine wären«, murrte Smith immer, aber sie freute sich genauso wie Wetzon, daß ihre Investition sich gelohnt hatte. Der Wert war nach Warhols frühem Tod ungeheuer gestiegen.

»Das Bild hing nicht schief«, bemerkte Wetzon.

»Es hängt immer schief«, erwiderte Smith. Sie schüttelte die dunklen Locken und zeigte mit einem grellrot lackierten Fingernagel auf Wetzon. »Und du versuchst, das Thema zu wechseln. Ich habe dir schon hundertmal gesagt, daß Makler kein Gefühl für Loyalität haben.«

»Man kann nicht alle kriegen«, sagte Wetzon philosophisch. »Mit der Maklerliste aus seinem alten Büro könnten wir auf Gold stoßen.«

»Hm. Wieviel hat er gemacht?«

»Um die halbe Million. Quäl mich nicht, Smith.« Sie steckte eine lose Strähne ihres aschblonden Haars in den Knoten oben auf dem Kopf. »Es ist mir durchaus bewußt, daß wir vierzigtausend Dollar gutgemacht hätten.«

Smith wandte sich wieder den Papieren auf ihrem Schreibtisch zu. »Du bist mir eine Frohnatur, Wetzon. Ich weiß nicht, wie du das machst nach soviel Jahren im Geschäft … Also, ich muß sagen, das ist wirklich wunderbar.«

»Was ist wirklich wunderbar?« Wetzon war aufgestanden, wackelte mit den Zehen in ihren Stiefeln, streckte beide Hände hoch, dann nach unten, die Beine durchgedrückt, die Handflächen flach auf dem Fußboden. Sie war noch recht gut in Form, wenn auch nicht ganz so gut wie früher, als sie regelmäßig zum Ballett-Training gegangen war und in acht Aufführungen die Woche getanzt hatte. Headhunting war eine sitzende Tätigkeit, der größte Teil der Arbeit wurde per Telefon erledigt.

Sie war froh, daß Smith auf etwas anderes gekommen war und das Thema Greg Castalde und ihre Naivität vergessen hatte. Sie spannte die Bauchmuskeln an und richtete sich langsam Wirbel um Wirbel auf.

Smith drehte sich mit ihrem Stuhl um und grinste. »Ich habe deine Knochen knacken gehört. Klingt, als würdest du langsam alt.«

»Jünger werde ich bestimmt nicht. Keiner von uns.« Wetzon ließ den Kopf kreisen. »Von früh bis spät zu sitzen, das Telefon mit der Schulter festgeklemmt, fördert nicht gerade entspannte Nacken- und Rückenmuskeln. Ich muß einfach Zeit finden, wieder zum Training zu gehen … Was war denn so wunderbar?« Sie ging zu Smith hinüber, die sich wieder über ihre Papiere beugte, legte eine Hand locker auf Smith’ Schulter und blickte auf die Stapel von Kontoauszügen.

»Diese Firma, in die ich letztes Jahr investiert habe. Kannst du dir das vorstellen, sie ist schon in den Schwarzen, nach einem einzigen Jahr. Es ist einfach unglaublich.«

»Sehr beeindruckend«, sagte Wetzon höflich, aber nicht sonderlich interessiert. »Was für ein Unternehmen ist das?«

»Es ist ein Vermittlungsdienst für Alte und Gebrechliche. Genau das richtige Geschäft zur rechten Zeit. Unsere sämtlichen Bekannten haben anscheinend alte Eltern oder Großeltern oder Onkel oder Tanten.«

»Außer uns.« Wetzons Eltern waren schon lange tot – seit dem Jahr, als sie nach New York gegangen war, um Tänzerin zu werden. Ein betrunkener Autofahrer hatte mit hoher Geschwindigkeit eine Kreuzung bei Rot überfahren und war voll in ihren Wagen gerast. »Sag das nicht so traurig«, meinte Smith. Sie sprach selten von ihren Eltern oder ihrer Kindheit. »Älter werdende Eltern sind eine enorme gefühlsmäßige und finanzielle Belastung für Leute wie uns, die noch am Anfang stehen. Wir sollten uns glücklich schätzen.«

»In diesem Fall hätte ich nichts dagegen, unglücklich zu sein, Smith.«

Smith reagierte nicht darauf. »Jedenfalls betreiben die Grossmans einen Beratungsdienst für Senioren. Sie haben ein Team von Fachkräften, die Vorgeschichten aufnehmen und gründliche Gespräche führen, ihre Bedürfnisse ermitteln und dann Therapeuten, Krankengymnastinnen, Kosmetikerinnen, Krankenschwestern, Haushaltshilfen empfehlen, die alle Hausbesuche machen. Sie nehmen jeweils einen Prozentsatz der Gebühr von jeder Fachkraft, und sie berechnen auch eine Grundgebühr für den ersten Besuch beim Kunden, um die Kosten für Computer und Schreibarbeit zu decken.«

»Sehr beeindruckend«, sagte Wetzon.

»Im Grunde machen sie das gleiche wie wir. Sie bringen Kunden mit einer besonderen Fachkraft für eine besondere Dienstleistung zusammen.«

»Da hat vermutlich Leon Ostrow den Riecher gehabt?« Leon Ostrow war ihr Anwalt.

»Wer sonst? Du weißt doch, wie Leon darin auf Draht ist. Er war mit der Eintragung als Aktiengesellschaft beauftragt, und als er hörte, worum es ging, wußte er, daß das ein Renner werden würde. Er hat angeboten, deine Anlagen zu betreuen, Wetzon. Du solltest ihn …«

»Ich halte mich lieber an die Aktienbörse, vielen Dank. Dort fühle ich mich wohler. Mir gefällt die Hektik.«

»Aber jeder weiß, Wetzon, daß man an der Börse nicht reich werden kann, es sei denn, man hat schon Millionen. Ein kleiner Investor hat keine Chance.«

»Vermutlich bin ich immer noch eine Abenteurerin, Smith. Wenn ich Aktien von guten Unternehmen kaufe, mache ich es schon richtig. Ich suche mir die Firmen gern selbst aus. Ich mag das Risiko und das Auf und Ab.«

Smith schob das Material, das sie gelesen hatte, in einen großen braunen Umschlag. »Und ich nehme an, du bist reich geworden an der Börse«, stichelte sie. »Was für gute Tips haben die Makler dir denn in letzter Zeit gegeben?«

»Ist ja gut, Smith«, sagte Wetzon zu Smith’ Rücken. Ihr Magen verkrampfte sich, und der Zorn flammte auf. Smith tat immer so überlegen mit ihren Geschäftskenntnissen. »Du weißt genau, daß ich auf solche Tips nicht höre … nicht mehr.«

»Nicht mehr.«

Wetzon war gekränkt und wollte es Smith gerade heimzahlen, als es an der Tür klopfte. Harold Alpert steckte den Kopf herein.

»Entschuldigung, ich schicke B. B. was zum Lunch holen. Soll er euch was mitbringen?«

Seit sie Bailey Balaban, der unter B. B. lief, als Kundenwerber eingestellt und Harold zum Juniorpartner befördert hatten, spielte der den Büroleiter und starken Mann. Er war so arrogant und übereifrig geworden, daß er beide allmählich zur Weißglut brachte.

»Du bist dran, mit ihm zu reden«, bedeutete Wetzon mit stummen Lippenbewegungen.

»Weiß ich«, antwortete Smith.

»Wie bitte, ich hab’ dich nicht verstanden, Smith«, sagte Harold.

Smith legte den braunen Umschlag in das Aktenschränkchen neben ihrem Schreibtisch. »Ich hätte gern Hackbraten auf Brötchen und ein Stück Linzer Torte. Ich sterbe vor Hunger. Bitte bestelle nicht wieder Thunfisch, Wetzon.«

»Für mich heute nichts«, sagte Wetzon. »Ich esse mit Hazel Osborn in der Stadt.«

Harold zog den Kopf zurück. Sie hörten ihn sagen: »So, hier ist die Lunchbestellung, B. B. Versuche, es diesmal richtig zu machen, wenn möglich.« Die Tür ging zu.

»Siehst du, was ich meine?«

Smith runzelte die Stirn, als habe Wetzon einen wichtigen Gedanken unterbrochen. »Ich kann wirklich nicht begreifen, was dich mit dieser neugierigen alten Ziege verbindet«, sagte Smith mit einer Spur Eifersucht. Ihre grünen Augen funkelten. »Sie ist nicht einmal so reich, daß sie dir etwas im Testament vermachen könnte.«

»Smith, du bist unmöglich. Bei dir dreht sich alles ums Geld. Hazel ist ein ganz besonderer Mensch, und ich hänge wirklich an ihr. Sie ist meine Freundin.«

»Hm, sie kann nichts für dich tun. Sie hat kein Geld, keine Verbindungen. Freunde und Freundinnen«, deklamierte Smith nicht zum erstenmal, »müssen nützlich sein.«

»Da bin ich aber wirklich froh, daß du mich für nützlich gehalten hast, Smith«, erwiderte Wetzon verärgert. »Was für eine Erleichterung. Ich habe mir schon langsam Sorgen gemacht.« Sie steckte Füller und Bleistifte in den Glashalter und konzentrierte sich auf ihre tägliche Telefonliste. Die meisten Anrufe waren abgehakt. »Möglich, daß ich später wieder herkomme.« Sie sah noch einmal auf ihren Terminkalender. Keine Verabredungen. »Ich kann die restlichen Anrufe von zu Hause machen.« Sie packte ihre Notizen und aktuellen »Fahndungsbogen« mit den Kurzbiographien der Makler, die sie betreute, in die Aktentasche. »So, ich gehe.«

Smith sah ihr mit enttäuschtem Gesicht zu. »Was machst du am Nachmittag?«

»Ich weiß nicht … einkaufen … eine Trainingsstunde vielleicht.«

»Ruf mich an. Wir treffen uns bei Bloomie. Wir können ein bißchen herumwandern.«

»Und deine Party?«

»Ach, da ist für alles gesorgt. Ich brauche nur noch zu erscheinen. Außerdem ist sie erst morgen abend.« Sie lächelte und stand auf, groß und schlank in dem grauen Jerseykleid und mit sehr hohen Absätzen. Sie überragte Wetzon. »Ich habe da einen wunderbaren Partyservice gefunden … Um die Wahrheit zu sagen …«

»Sag’s nicht«, unterbrach Wetzon. »Ich weiß Bescheid. Du hast in die Firma investiert.«

»Wetzon, du bist wirklich grausam.«

»Habe ich recht? Sag die Wahrheit.«

»Okay, okay, du hast recht.« Smith ging zur Toilette. »Sag mal, wen bringst du eigentlich zu meiner Party mit? Silvestri?« Sie drehte sich um, die Hand am Türgriff.

»Ich weiß nicht. Kann sein.« Wetzon hatte immer noch ein leicht ungutes Gefühl wegen Silvestri und Smith, denn als sie sich kennenlernten, hatte sich Silvestri anscheinend mehr für Smith als für Wetzon interessiert. Und Smith, die so fix jede Schwäche bemerkte, hatte es sofort gespürt und ausgenutzt. Smith beobachtete sie jetzt genau, und Wetzon wandte sich ab. Höchste Zeit, das Thema zu wechseln. »Du mußt etwas wegen Harold tun. Er ist ein Ekel. Wir haben ein Monster geschaffen.«

Smith verzog das Gesicht. »Ich weiß, und ich bin daran schuld. Ich glaubte, er brauche ein besseres Selbstbild, deshalb habe ich ihn aufgebaut. Jetzt muß ich ihm einen kleinen Dämpfer verpassen.«

»Einen großen«, sagte Wetzon entschieden. »Ich ertrage ihn einfach nicht in meiner Nähe, und es ist ganz bestimmt kein Plus, wenn er mit Maklern spricht. Gestern hörte ich ihn zu jemandem sagen, daß er und nur er ihm einen Termin bei Bear, Stearns besorgen kann, daß Jimmy Cayne ihn ständig um Rat fragt.«

»Unglaublich!« Smith war schockiert und wütend. »So ein Scheißkerl. Jetzt ist er zu weit gegangen.«

»Ich habe ihm klipp und klar gesagt, daß er keine solchen Reden führen darf und daß er es sich nicht noch einmal erlauben soll, aber ich meine, du mußt auch mit ihm reden.« Harold schien außerdem mehr Wert auf Smith’ Meinung als auf Wetzons zu legen.

»Meine Güte, wenn Jimmy das gehört hätte, würden wir nie wieder für Bear arbeiten.« Smith’ Augen waren schwarz vor Zorn.

Wetzon machte die Tür zum Vorzimmer auf.

»Nach allem, was ich – was wir für ihn getan haben.« Smith kochte. Es bestand höchste Explosionsgefahr.

Wetzon zog lächelnd die Tür hinter sich zu.

Ruhe sanft

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