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VOM SCHWIMMEN LERNEN

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Im Talmud, einem der wichtigsten Traditionswerke des Judentums, stehen Regeln, die den Juden Antworten auf die wichtigsten Fragen des Lebens geben. Die fünfte lautet, die Kinder das Schwimmen zu lehren. Das hört sich merkwürdig an: Schwimmen – gibt es nicht wichtigere Themen in der Erziehung?

Doch schaut man sich diese Regel genauer an, enthält sie auf wundersame Weise die Balance und die Spannung von HALTGEBEN und LOSLASSEN. So liegt der Säugling in den ausgestreckten Armen von Vater und Mutter, deren Arme fast auf der Wasseroberfläche ruhen. Das Kind hat das Gefühl absoluter Geborgenheit: Mir kann nichts passieren! Wenn es älter ist, können die Eltern die Arme etwas tiefer sinken lassen, weil das Kind sich mit ungestümen, eckigen Bewegungen über Wasser zu halten vermag. Aber wenn seine Kräfte nachlassen, sollten die Eltern ihre Arme wieder stützend nach oben führen. Das Kind kann sich zugleich fallen lassen und aufgehoben fühlen. Und irgendwann kann es auch schwimmen und sich allein über Wasser halten. Es entfernt sich, ist vielleicht sogar der Begleitung durch die Eltern überdrüssig geworden. Jetzt können Vater und Mutter die Arme aus dem Wasser nehmen: Sie sind leer und erfüllt zugleich, weil sie ihr Kind eine Technik gelehrt haben, mit der es im Zweifelsfall überleben kann. Dieses Erfüllen kann nur im Loslassen geschehen, ein Lernprozess, der erlebt wird, wenn man Kinder ins Leben begleitet. Nichts anderes stellt ja Erziehung dar.

So große Gefühle!

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