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WAS ELTERN KINDERN GEBEN KÖNNEN

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Diese drei Weisen, wie Jesus die Kinder behandelt, sind schöne Bilder für das, was Eltern ihren Kindern geben könnten: Sie sollen sie umarmen und ihnen in der Umarmung zeigen, dass alles in ihnen von den Eltern angenommen und geliebt wird, dass sie sich bei den Eltern geborgen und sicher fühlen können.

Die Handauflegung zeigt, dass die Eltern den Kindern etwas von dem vermitteln, was in ihnen selbst ist, was sie selbst von Gott empfangen haben. Sie lassen ihren Geist in die Kinder einströmen. Sie geben ihnen das Wertvollste mit, das sie haben: ihre Liebe, ihre Kraft, ihre Hoffnung, ihr Vertrauen, ihre Art und Weise, das Leben zu bewältigen.

Und die Eltern sollen gute Worte zu dem Kind sprechen. Böse Worte, verletzende Worte verschließen die Herzen der Kinder. Böse Worte – so sagt ein alter Mönchsspruch aus dem vierten Jahrhundert – machen auch die Guten böse. Gute Worte machen auch die Bösen gut. Worte können verwandeln. Daher sollen die Eltern gut darauf achten, wie sie zu den Kindern sprechen und wie sie mit ihnen und über sie sprechen.

BIBELGESCHICHTE

Die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus zeigt uns einen typischen Konflikt in der Pubertät. Jesus hat sich selbstständig gemacht und sich von der Familie gelöst. Maria und Josef klammern offenbar nicht fest. Sie meinen, ihr Kind sei bei der Rückkehr von der Wallfahrt nach Jerusalem mit den Verwandten und Bekannten gegangen. Doch als sie ihn bei denen nicht finden, bekommen sie Angst und gehen zurück nach Jerusalem. Nach dreitägiger Suche finden sie ihn. Da sagt Maria: »Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.« (Lk 2,48) In manchen Handschriften heißt es auch: »Wir haben dich mit Schmerzen gesucht.« Maria und Josef zeigen also als Eltern ihre Gefühle offen. Und sie machen ihm einen Vorwurf, warum er ihnen so viel Schmerzen bereitet hat. Doch Jesus antwortet – gleichsam ohne Emotionen: »Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?« (Lk 2,49)Er versteht gar nicht, warum seine Eltern sich solche Sorgen machen, und Maria und Josef verstehen Jesus nicht. Das ist der typische Pubertätskonflikt. Der Sohn versteht gar nicht, was die Eltern so bewegt, was sie ängstlich und ärgerlich macht, und diese verstehen ihr Kind nicht. Sie können mit seinen Worten und seinem Verhalten nichts anfangen.

Aber dann heißt es von Maria: »Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen.« (Lk 2,51) Ähnlich hatte sie reagiert, als die Hirten ihr erzählt hatten, was der Engel ihr von ihrem Kind gesagt hatte. (Lk 2,17-19) Aber der griechische Text kennt einen wesentlichen Unterschied in den Reaktionen Marias. Als die Hirten der Mutter die wunderbaren Worte des Engels erzählten, heißt es von Maria im Originaltext »synterein« (aus dem Griechischen: zusammen schauen). Sie schaute die Worte der Hirten und des Engels zusammen mit dem Kind vor ihr in der Krippe. Die Worte zeigten ihr dessen Wesen. Sie sieht die Worte und die Wirklichkeit ihres Kindes zusammen und versteht so sein Geheimnis. Aber jetzt, als ihr zwölfjähriger Sohn so unverständlich antwortet, kann sie dessen Worte nicht zusammen sehen mit dem Kind, das sie bisher erzogen hatte.

Hier heißt es im Griechischen: diaterein. Es meint: Maria schaut durch die Worte ihres Sohnes hindurch in den Grund ihrer eigenen Seele. Und dort im Grund ihrer Seele fühlt sie sich eins mit ihrem Sohn. Auch wenn sie den Sohn, sein Verhalten und seine Worte, absolut nicht versteht, so sieht sie durch die Worte, durch ihre Emotionen von Angst und Schmerz hindurch, um sich eins zu fühlen mit ihrem Kind.

So große Gefühle!

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