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9. Die zugrunde liegenden Quoten sind oft entscheidend

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Um Sie davon zu überzeugen, dass ich ein erstklassiger Bogenschütze bin, reicht es nicht, Ihnen einen Schuss von mir ins Schwarze zu präsentieren. Sie sollten mich (natürlich höflich) fragen: »Ja, aber wie häufig haben Sie daneben geschossen?« Einen Volltreffer bei nur einem Schuss ist eben etwas ganz anderes als einen Volltreffer bei, sagen wir mal, tausend Schüssen zu landen, obwohl ich in beiden Fällen wirklich einen Schuss ins Schwarze für mich verbuchen kann. Sie benötigen ein paar mehr Informationen.

In Leons Horoskop stand, dass er eine temperamentvolle Fremde treffen würde. Und siehe da: Genau das ist passiert! Deshalb sind Horoskope verlässlich.

So spektakulär ein solches Beispiel auch sein mag: Das Problem ist, dass wir es hier nur mit einem Einzelfall zu tun haben, bei dem ein Horoskop in Erfüllung gegangen ist. Um diesen Einzelbeleg angemessen bewerten zu können, müssen wir auch noch etwas anderes wissen, nämlich, wie viele Horoskope nicht in Erfüllung gegangen sind. Wenn ich in meinen Seminaren eine entsprechende Umfrage starte, finden sich für gewöhnlich unter den 20 oder 30 Studierenden immer ein paar Leons. Das ist ein lustiger Moment. Doch die anderen 19 oder 29 Horoskope liegen daneben. Eine Art der Vorhersage, die bei 20 oder 30 Versuchen nur ein einziges Mal in Erfüllung geht, ist wohl kaum verlässlich – sie trifft nur hin und wieder zufällig zu. Zwar mag sie einige spektakuläre Erfolge aufweisen, wie meinen Schuss ins Schwarze, doch ihre Erfolgsquote kann trotzdem unterirdisch sein.

Um daher die Glaubwürdigkeit eines Arguments bewerten zu können, das nur aus wenigen anschaulichen Beispielen besteht, müssen wir gleichsam das Verhältnis zwischen der Anzahl von »Treffern« und der Anzahl von Versuchen kennen. Erneut geht es um die Frage der Repräsentativität. Sind die vorgestellten Beispiele die einzigen, die es gibt? Ist die Quote beeindruckend hoch oder niedrig?

Diese Regel ist weithin anwendbar. Viele Menschen leben heute in Angst vor Verbrechen oder befassen sich ständig mit Geschichten von Haiangriffen, Terrorakten oder anderen dramatischen Ereignissen. Natürlich ist es furchtbar, wenn solche Dinge geschehen, doch die Wahrscheinlichkeit, dass irgendeines dieser Ereignisse jemandem zustößt – etwa die relative Häufigkeit von Haiattacken –, ist extrem gering. Die Verbrechensquoten sinken kontinuierlich.

Zweifellos geraten vor allem die Ausnahmen in unseren Fokus, weil sie ständig im Fernsehen und in den Nachrichten laufen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie tatsächlich repräsentativ sind. Dasselbe gilt im Übrigen auch für so ersehnte Dinge wie einen Lottogewinn. Die Gewinnchancen jeder Einzelperson – d. h. die Gewinnquote – ist so niedrig, dass sie praktisch gleich Null ist, doch wir sehen selten die Hunderttausenden von Verlierern, sondern nur den einen oder die wenigen Gewinner, die das Geld einstreichen. Also überschätzen wir die zugrunde liegenden Quoten maßlos und stellen uns vor, wir könnten mit dem nächsten Kauf eines Lotteriescheins die oder der Glückliche sein. Sparen Sie sich das Geld. Entscheidend sind die zugrunde liegenden Quoten!

Die Kunst des guten Arguments

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