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10. Statistiken sind mit Vorsicht zu genießen

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Man kann nicht »alles mit Zahlen beweisen«! Einige Menschen sehen in einem Argument Zahlen – beliebige Zahlen – und ziehen allein schon aus dieser Tatsache den Schluss, dass es sich um ein gutes Argument handeln muss. Statistiken scheinen von einer Aura der Autorität und Eindeutigkeit umgeben zu sein (wussten Sie, dass 88 Prozent der Ärzte dem zustimmen?). Tatsächlich allerdings müssen Zahlen genauso kritisch überprüft werden wie jede andere Art von Beleg. Schalten Sie Ihr Gehirn nicht aus!

Nach einer Phase, in der einigen sportlich führenden Universitäten vorgeworfen wurde, studentische Athlet*innen auszubeuten und vom College zu werfen, sobald ihre Berechtigung zur Teilnahme an Wettkämpfen endete, macht nun eine höhere Quote der College-Athlet*innen ihren Abschluss. Viele Fakultäten verleihen jetzt an mehr als 50 Prozent ihrer Athlet*innen einen Abschluss.

Hm, 50 Prozent? Ziemlich beeindruckend! Doch diese zuerst so überzeugend anmutende Zahl leistet in Wirklichkeit nicht das, was sie zu leisten vorgibt.

Obwohl »viele« Fakultäten an über 50 Prozent ihrer Athlet*innen einen Abschluss verleihen, scheint es doch so zu sein, dass einige dies nicht tun – es könnte also gut sein, dass diese Zahl die ausbeuterischsten Fakultäten, um die es den Kritikern tatsächlich in erster Linie ging, unberücksichtigt lässt.

Das Argument führt zwar durchaus Abschlussquoten an. Doch es wäre nützlich zu wissen, wie sich eine Abschlussquote von »mehr als 50 Prozent« im Vergleich zur Abschlussquote aller Studierenden in denselben Institutionen verhält. Liegt sie deutlich niedriger, könnten Athlet*innen immer noch ungerecht behandelt werden.

Vor allem aber bietet das Argument keinen Grund zu der Annahme, dass sich die Abschlussquoten von College-Athlet*innen tatsächlich verbessern, weil kein Vergleich zu vorangehenden Quoten angegeben wird! In der Konklusion wird behauptet, dass jetzt die Abschlussquote »höher« sei, doch ohne Kenntnis der früheren Quoten lässt sich das unmöglich sagen.

Zahlen können auch noch auf andere Weise unvollständige Belege liefern. Regel 9 besagt zum Beispiel, dass die Kenntnis der zugrunde liegenden Quoten entscheidend sein kann. Wenn ein Argument entsprechend Quoten oder Prozentzahlen anführt, müssen die einschlägigen Hintergrundinformationen normalerweise die Anzahl der Beispiele beinhalten. Die Autodiebstähle auf dem Campus mögen sich verdoppelt haben, doch wenn das bedeutet, dass zwei Autos statt eines gestohlen wurden, muss man sich keine großen Sorgen machen.

Eine weitere statistische Fallgrube ist Übergenauigkeit:

Jedes Jahr landen 412 067 Papp- und Plastikbecher auf diesem Campus im Müll. Es ist an der Zeit, auf wiederverwertbare Becher umzusteigen!

Ich bin auch für ein Ende von Müllbergen, und ich bin mir sicher, dass die Müllmenge, die auf dem Campus produziert wird, enorm ist. Doch niemand kennt wirklich die genaue Anzahl der Becher, die in den Müll geworfen wurden – und es ist extrem unwahrscheinlich, dass es jedes Jahr exakt dieselbe ist. In diesem Fall lässt die scheinbare Genauigkeit den Beleg zuverlässiger erscheinen, als er in Wirklichkeit ist.

Nehmen Sie sich auch in Acht vor Zahlen, die sich leicht manipulieren lassen. Meinungsforscher wissen nur allzu gut, dass die Art, wie eine Frage gestellt wird, beeinflussen kann, wie sie beantwortet wird. Wir erleben dieser Tage sogar »Umfragen«, die versuchen, nur mit Hilfe von Fangfragen die Meinung der Leute zum Beispiel über einen politischen Kandidaten zu ändern (»Wie würde sich Ihr Stimmverhalten verändern, wenn Sie erfahren würden, dass sie eine Lügnerin und Betrügerin ist?«). Zudem basieren auch viele scheinbar »reine« Statistiken eigentlich auf Vermutungen oder Hochrechnungen, wie etwa Daten über halblegale oder illegale Aktivitäten. Da Menschen starke Beweggründe dafür haben, Dinge wie Drogenkonsum, Geschäfte unter dem Ladentisch, die Anstellung ausländischer Beschäftigter ohne Aufenthaltsgenehmigung und Ähnliches nicht offenzulegen oder zu melden, hüten Sie sich vor selbstbewussten Verallgemeinerungen darüber, wie verbreitet sie sind.

Einmal mehr:

Wenn Kinder ihren Fernsehkonsum weiter so steigern wie gegenwärtig, werden sie schon 2025 keine Zeit mehr zum Schlafen haben!

Klar, und 2040 schauen sie dann 36 Stunden pro Tag. Mathematisch gesehen sind Hochrechnungen in solchen Fällen durchaus möglich, doch ab einem gewissen Punkt sagen sie nichts mehr aus.

Die Kunst des guten Arguments

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