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3. PARMENIDES (515–445 V. CHR.)

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Wegen seines Geburtsortes Elea in Unteritalien und der damit gegebenen geographischen Nähe zu pythagoräisch »regierten« Gemeinden nahm man auch eine philosophische Nähe – ja bisweilen sogar eine partielle Übernahme esoterischer Gedanken – zu dieser zeitweise überaus vitalen philosophischen Schule an. Ohne Zweifel ist seine Grundüberzeugung, von jedem dynamischen Aspekt abzusehen und eine wesentlich statische Philosophie des Seienden zu formulieren, primär gegen Heraklit gerichtet, in dem er seinen philosophischen Gegner erblickte. Dass er seinerseits auf die platonische Philosophie einen sehr großen Einfluss ausübte, scheint erwiesen zu sein.

Das Neue an seiner Philosophie ist darin zu sehen, dass er vom »reinen Denken« ausgehen möchte und dabei von aller menschlichen Erfahrung (Empirie) absehen will. Das menschliche Denken vollzieht sich aber bekanntlich in Form von Urteilen, d. h. mit Hilfe der Kopula »ist«, die Subjekt und Prädikat eines Satzes zu einem Urteil verknüpft. Dabei gelangte er notwendigerweise zu apriorischer (d. h. im Sinne Kants: erfahrungsunabhängiger) Erkenntnis. Es war ihm – dem im eigentlichen Sinne des Wortes der Titel »Vater der Logik« zugestanden werden muss – sicherlich bewusst, dass mit der zentralen Aussage seiner Lehre, wonach »das Seiende ist und das Nicht-Seiende nicht ist«, eine bloße Tautologie ausgesprochen würde.

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass er sein Werk in Hexametern verfasste, womit er sich bewusst von den ionischen Naturphilosophen, die ihre Schriften in Prosa verfassten, unterschied und zur Frühzeit der griechischen Philosophie, zu Homer und Hesiod, von dem er methodisch und thematisch sehr beeinflusst war, zurückging. Unter der starken Beeinflussung durch Hesiod ist Folgendes zu verstehen: Bei Hesiod sind es bekanntlich die Musen, die erklären, sie könnten ihm sowohl die Wahrheit verkünden als auch Falsches, das jedoch dem Wahren sehr ähnlich klingt. Bei Parmenides ist es eine Göttin, die ihm die Wahrheit verkündet, aber ihn auch mit den unzuverlässigen Meinungen der Sterblichen konfrontiert. Auch die Gottheiten, die bei Parmenides erwähnt werden, kennt man schon aus der »Theogonie« Hesiods: der Gott der Liebe, des Krieges, der Zwietracht, der Krankheit usw.

Bei Hesiod genauso wie bei Parmenides liegt eine erkenntnistheoretische Skepsis vor, insofern es nicht der Mensch selbst ist, der in autonomer Manier zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt, sondern er kann die relevanten Erkenntnisse nur in heteronomer Weise, vermittelt durch eine überirdische Instanz, erkennen.

Für Parmenides ist die Erkenntnisgewinnung noch dazu an einen schwierigen Aufstieg zum Thron der Göttin gebunden, ein Aufstieg, den er nicht aus eigenem Wunsch und Vermögen heraus durchführt; sondern er wird von »Mädchen« in einem Wagen zur Göttin gebracht; möglicherweise liegt hier ein Analogon zu Platons Schilderung des sog. »Höhlengleichnisses« vor.

Da es zu viel Platz erforderte, den ersten Teil des Lehrgedichtes (Proömium) zu zitieren, kann nur auszugsweise darauf Bezug genommen werden – seine Grundaussage wird wohl am besten in Fragment 3 ausgedrückt: »Wo ich auch anfange, gemeinsame Grundlage (meiner gesamten Darlegung) ist und bleibt das Seiende; denn darauf werde ich immer wieder zurückkommen«, und tatsächlich kreisen alle seine philosophischen Überlegungen um diese Frage; oder besser gesagt die Lehre der Göttin bezieht sich auf das Seiende: »Wohlan ich will es dir sagen, welche Wege der Forschung allein denkbar sind. Du aber höre mein Wort und bewahr es wohl! Der eine ›zeigt‹, dass das Seiende ist und dass es unmöglich ist, dass es nicht ist. Das ist der Pfad der Überzeugung; folgt er doch der Wahrheit. Der andere aber ›behauptet‹, dass es nicht ist und dass es dieses Nichtsein notwendig geben müsse. Dieser Weg ist – das sage ich dir – völlig unerforschlich. Denn das Nichtseiende kannst du weder erkennen (denn das ist unmöglich) noch aussprechen« (Fragment 4).

Wenn man, vom heutigen philosophischen Verständnis ausgehend, diese fundamentale Einsicht des Parmenides (resp. der Göttin) betrachtet, so fragt man sich, ob und warum nicht von ihm (oder einem seiner Anhänger) der Tautologie-Charakter dieser Aussage erkannt wurde. Vielleicht liegt eine befriedigende Antwort darauf in einer sprachphilosophischen Überlegung: Man muss bedenken, dass wir heutzutage das Griechisch der klassischen Epoche (Sokrates/Platon/Aristoteles) bei unseren Interpretationen beachten und dabei übersehen, dass Parmenides noch am Anfang der begrifflichen Ausdifferenzierung steht, d.h., dass ihm die diversen Bedeutungen des Hilfszeitwortes ›ist‹ noch nicht bekannt sein konnten (etwa das ›ist‹ der Identität, das der Prädikation oder der Klassensubordination). Der Weg der Wahrheit, per def. der einzige, der von Parmenides beschritten werden dürfe, besteht darin, davon auszugehen, dass das Seiende ist; gleichzeitig wird strikt davor gewarnt, vom Gegenteil überzeugt zu sein: »Der andere ›Weg‹ aber ›behauptet‹, dass ›das Seiende‹ nicht ist und dass es dieses Nichtseiende notwendig geben müsse.«

Selbstverständlich, so wird weiterhin festgehalten, ist diese Erkenntnis nur für einen elitären Kreis bestimmt, denn in Heraklits Manier wird die große Masse der Unaufgeklärten, das einfache Volk also, abgewertet und als stumpf und uneinsichtig hingestellt.

Es wäre völlig ungenügend, hätte Parmenides nur die kurz zitierten leerformelhaften und tautologischen Bestimmungen des Seienden festgehalten, ohne eine inhaltliche Charakterisierung zu geben. So also findet man bei ihm einige materiale Bestimmungen: »Weil ungeworden, ist es auch unvergänglich, ganz einzig, unerschütterlich und ohne Ende. Und nie war es oder wird es sein, da es jetzt zugleich ein einheitliches, zusammenhängendes Ganzes ist … Noch kann ich zulassen, dass du denkst oder sagst, es sei aus dem Nichtseienden geworden … Was für ein Zwang hätte es denn auch dazu treiben können, früher oder später mit dem Nichts zu beginnen und dann zu wachsen? So muss es denn notwendig schlechthin vorhanden sein oder überhaupt nicht!« (Fragment 8).

Um zu erweisen, dass diese Stelle – offensichtlich eine zentrale bei Parmenides – nicht eine Tautologie darstellt, versuchten Interpreten das Nicht-Seiende als ›leeren Raum‹ oder ›Vakuum‹ zu deuten; eine Deutung, die als problematisch gelten muss, da damit eine Konfusion eines metaphysischen und eines physikalischen Prinzips vorliegt und da sich bei Parmenides nirgendwo eine derartige Synonymie antreffen lässt.

Ein sog. Fragment soll noch besprochen werden – es lautet: »Denn ein und dasselbe kann gedacht werden und sein« und »Dasselbe aber ist Denken und des Gedankens Gegenstand. Denn du kannst das Denken nicht ohne das Seiende antreffen, in dem es ausgesprochen ist«. Im Hintergrund dieser Aussagen steht die Adäquationstheorie (›adaequatio rei et intellectus‹), jedoch in einer Sonderform, insofern als bei ihm die ›Wahrheit‹ eine ontische Kategorie ist, denn hier ist das Denken im Sein verwurzelt. Genauso wie auf einer archaischen und simplen Ebene der Philosophie Sollensprinzipien in Seinskategorien eingebettet sind, genauso sind auf derselben Stufe epistemische Prinzipien in ontische Kategorien eingebettet: Der Gedanke, dass epistemische Überlegungen einen ganz bestimmten Deutungscharakter der Phänomene ›der Welt‹ besitzen, somit modellhaften Charakter tragen, doch kein ontisches Korrelat aufweisen, war Parmenides und darüber hinaus der gesamten Frühzeit der Philosophie fremd.

Bereits zu seinen Lebzeiten wurden seine Überlegungen von philosophischen Gegnern in Zweifel gezogen. Man empfand das Statische, die völlige Leugnung von Veränderung und Bewegung als inakzeptabel. Nur Zenon von Elea und viel später der große Denker Platon bemühten sich, seine Thesen zu verteidigen und für das eigene philosophische System fruchtbar werden zu lassen.

Werke: Lehrgedicht »Über die Natur«.

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