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6. DEMOKRIT (460–370 V. CHR.)

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Mit dem Namen dieses großen Denkers verbindet man im Allgemeinen – und dies völlig zu Recht – seine Lehre von den kleinsten, nicht mehr teilbaren Elementen, den Atomen. Diese Elementarteilchen sind auch wegen ihrer angenommenen Kompaktheit unteilbar; weiterhin sind sie qualitätslos, weswegen ihnen nur Lage- und Größenbestimmungen attestiert werden können. Die Qualitäten der Sinnesempfindungen (Farbe, Geschmack, Temperatur) entstehen erst durch den Prozess der Wahrnehmung, den Atomen selbst kommen keine qualitativen Bestimmungen zu.

Die Atome sind untereinander sehr verschieden, und zwar in dreifacher Hinsicht: im Hinblick auf ihre Größe und Gestalt (runde, eckige, gekrümmte), ferner im Hinblick auf ihre Anordnung und schließlich bezüglich ihrer Lage. Demokrit illustriert dies auf anschauliche Weise, indem er als Unterschied der Gestalt den von -A- und -N-, als Unterscheidung der Anordnung den von -AN- und -NA- und als Unterschied der Lage den von -Z- und -N- angibt. Seine Lehre von den qualitätslosen Atomen stellt einen wichtigen Schritt auf dem langen Weg zur Wissenschaft im modernen Sinn dar, als sie zum ersten Mal in der griechischen Geistesgeschichte alle qualitativen Bestimmungen auf quantitative zurückführt, was einer späteren Mathematisierung förderlich war. Einer der großen Unterschiede zur modernen Naturwissenschaft besteht darin, dass man die Struktur der Dinge erfassen wollte. Daher ist der Begriff des Atoms bei Demokrit kein empirischer, sondern ein spekulativer, der somit auch nicht durch Abstraktion aus Beobachtungen gewonnen wurde, sondern der ein theoretisches Konstrukt darstellt, das vor allem dem metaphysischen Problem des Werdens nachspüren soll – ein Problem, das bei Parmenides eine einseitige, weil absolut statische Deutung erfahren hatte. Eine wichtige Konsequenz aus dieser Atomlehre ist die Annahme der durchgehenden Notwendigkeit des gesamten Geschehens in der Welt. Somit wird das Kausalitätsprinzip als universales Prinzip anerkannt, was bedeutet, dass man es mit einem mechanistischen Weltbild zu tun hat.

In einem durchaus modern zu nennenden Sinn ging Demokrit von der Annahme einer ständigen Bewegung der Atome aus, und es ist schade, dass er in diesem Zusammenhang nicht versuchte, diese wichtige Annahme durch das Aufstellen von physikalischen Theorien abzusichern. So dagegen wurde nur die Anfangslosigkeit der Bewegung konstatiert, die durch Druck und Stoß entstanden sei; man kann daher annehmen, dass nach ihm die Bewegung der Atome als ihr Konstituens anzusehen ist.

Es ist nur konsequent, wenn Demokrit auch eine mechanistische Psychologie entwickelte, wobei er gezwungen war, neben den Atomen, deren Größe nach ihm variieren konnte, leicht bewegliche Partikel anzunehmen, die zwar selbst nicht wahrnehmbar, doch in allen wahrnehmbaren Dingen enthalten sein sollen. Diese Atome bilden den Stoff der materiell konzipierten Seele – sie sind kugelförmig (man denke daran, dass die Kugel für die Griechen jener Zeit die Idealfigur darstellte), ständig in Bewegung und Wärme erzeugend. Interessant ist nun der Konnex, den er zwischen der materiell gedachten Seele, der die Rolle der koordinierenden Instanz im Individuum zukommt, und der Atmung herstellt. Er geht nämlich davon aus, dass einzelne Seelenatome den Körper verlassen. Wenn aber der Großteil des Seelenstoffes entweicht, tritt der Tod ein – selbstverständlich gibt es bei einer derart konzipierten Seelendarstellung keine Annahme einer Unsterblichkeit.

Auch die Erkenntnismöglichkeit wird folgerichtig der mechanistischen Theorie subsumiert: Hier kommt seine etwas sonderbar anmutende ›Bildchentheorie‹ zum Tragen, da Demokrit tatsächlich annahm, dass von den wahrnehmbaren Körpern Bilder ausgingen, die mit jenen, die von den Sinnesorganen ausgehen, zusammentreffen, wodurch ein bestimmter Eindruck entsteht, der den einzelnen Sinnesorganen zukommt. So problematisch diese Annahme auch sein mag, sie hat jedenfalls eine wichtige Konsequenz, nämlich jene, dass man die Dinge nicht so erkennen kann, wie sie wirklich sind, sondern nur so, wie sie auf uns wirken. Deswegen auch kann und muss Demokrit die Sinneswahrnehmung als dunkle bezeichnen und in Gegensatz zur echten und wahren Erkenntnis des Verstandes stellen. Eine Erkenntnis des objektiven Wesens der Wirklichkeit und somit letztlich das Bemühen aller philosophischen und physikalischen Systeme zur Zeit der griechischen Antike, wird somit bestritten. Gleichzeitig wird damit aber der Tatsache Rechnung getragen, dass gleichartige Reize von verschiedenen Personen nicht als gleich empfunden werden müssen.

Auch die Verstandeserkenntnis wird materiell zu deuten versucht, und zwar in Abhängigkeit von den Wahrnehmungsakten. Er stellt diese Abhängigkeit in Form eines Zwiegesprächs zwischen Wahrnehmung und Verstand dar, wenn er schreibt: »Armer Verstand, von uns nahmst du die Beweisstücke und willst uns damit niederwerfen. Indem du uns niederwirfst, kommst du selbst zu Fall« (B 125). Damit hängt auch seine – schon kurz angedeutete – Unterscheidung zwischen den primären Eigenschaften und den sekundären Qualitäten (z.B. süß, kalt, gelb) zusammen; eine Unterscheidung, die auch noch im 17. und 18. Jahrhundert bei vielen Philosophen eine große Rolle spielte. Auch seine Unterscheidung zwischen einer empirischen und einer theoretischen Erkenntnis findet ein Pendant zumindest bei Descartes.

Wie sehr eine Hypothese – hier ist es jene von den Atomen – eine determinierende Kraft ausüben kann, geht daraus am besten hervor, dass er auch die Frage nach der Existenz von Göttern und Dämonen im Sinne seiner Annahme, es gäbe nur Atome und das Leere, zu beantworten bemüht war. Seiner Hypothese gemäß pflanzen sich durch die Luft Bilder von Göttern, Dämonen und übermenschlichen Wesen fort, die von den Menschen wahrgenommen werden können. Wenn somit von manchen Interpreten diese als kraus empfundene Annahme als seine Reverenz vor dem naiven Volksglauben dargestellt wird, so ist dem zu widersprechen. Hätte Demokrit seine Lehre von den Atomen nicht auf alle physikalischen, biologischen und religiösen sowie allgemein-menschlichen Bereiche bezogen, wäre er zumindest inkonsistent gewesen.

Allerdings gibt es für Demokrit keine Gottesannahme, und genauso wie Epikur empfiehlt auch er, sich von den sinnlosen Fragen nach der Existenz von Göttern abzuwenden, um sich konkreten, lebenspraktischen Problemen zuwenden zu können, und zwar ohne Furcht vor dem Jenseits.

Leider muss man seine Ausführungen zur Ethik als unsystematisch und nicht-originell bezeichnen, etwa wenn er die Lehre vom ›guten Befinden‹ als oberstes moralisches Ziel angibt, das durch ein vernünftiges Verhalten (rechtes Denken, Reden, Handeln) zu erreichen ist. Ganz im aristotelischen Sinn spricht er vom ›rechten Maß‹, das dann erreicht wird, wenn man die durch seine Natur gezogenen Grenzen respektiert. Ein mittleres Maß im Leben ganz allgemein ist Grund für das ›gute Befinden‹. Starke Affekte und heftige Reize stören es, weil sie die Seelenatome stören und durcheinanderbringen – somit ist auch das seelische Gleichgewicht physikalisch-atomistisch gedeutet.

Sehr konkret wird er allerdings in seiner Straftheorie: Er ist für eine rigorose Bestrafung von Übeltätern, wie er überhaupt den zwangsrechtlichen Charakter der Gesetze stark betonte. Das Zusammenleben der Menschen sollte von Solidarität und Hilfe für die Armen geprägt sein, doch von egalitären Überlegungen hielt er nicht viel.

Werke: Die Große Weltordnung; Über den Geist; Fragmente.

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