Читать книгу Der Eine Million Kilometer Mann - Armando Basile - Страница 13
Das Basislager
ОглавлениеNach seinem 414-tägigen Militärdienst fuhr der junge Armando von Palmanova in der Provinz Udine, ganz im Nordosten Italiens gelegen, in seinen Heimatort Ugento, Provinz Lecce. Am 3. September 1968 dann kam der 21-Jährige um 9.41 Uhr – so genau weiß er das noch – am Heitersheimer Bahnhof an. In der Johanniterstraße 6 besuchte er einen Nachbarn aus Ugento, Gino De Nuzzo. Mit dessen 850er Fiat fuhren sie sofort zum Arbeitsamt und schafften es noch um 11.15 Uhr zur Gipserfirma Paul Feuerstein. Am nächsten Tag konnte er schon anfangen. Der Lohn betrug DM 4,40 in der Stunde. Gute Arbeitskollegen, gutes Arbeitsklima, guter Chef.
Weihnachten 1968 bezog er eine neue Wohnung, und Anfang 1969 stießen seine Mutter Assunta und sein Bruder Luigi zu ihm. 1970 wechselte er „für ein paar „Dollars mehr“ seine Arbeit, ging zur Firma Anton Weiss, Gerüstbau in Freiburg. Schwere Arbeit, hat ihm aber Spaß gemacht. Alle paar Tage arbeiteten sie woanders, von Lörrach bei Basel bis zum Bodensee.
Armando lernte Gisela kennen, am 20. Januar 1972 wurde Dirk geboren, 1973 heirateten sie.
1976 ging Armando zu einer Garagenbaufirma in Neuenburg. Auch das war eine erfreuliche Arbeit. Er war Kundendienstmonteur und fuhr mit seinem Auto bis nach Zürich oder Luzern, nach Bern oder Genf. In Deutschland kam er hoch bis Lahr und Karlsruhe. 1983 traten dann schwere Rückenschmerzen auf. Sein Hausarzt Dr. Grohman verordnete ihm Sport und empfahl ihm das Fahrrad. Damit begannen die Radreisen mit Gisela und Dirk, der mit elf Jahren dazu gerade das richtige Alter hatte.
Gisela und Armando lebten in einer Wohnung in Bahnhofsnähe. Heitersheim ist ein Ort in der Rheinebene – 250 Meter über dem Meer - mit über 6000 Einwohnern. Er hat den Vorzug, nur 55 Kilometer von der Schweizer Grenze (bei Basel) und sieben Kilometer vom Rhein entfernt zu sein. Man radelt dreißig Minuten nach Westen, überquert zwei Brücken und ist in Frankreich, wo Armando das Radfahren am meisten Spaß macht, weil – so sagte er der Badischen Zeitung im Juni 2018 vor seiner siebten Welt-Tour – es dort viele kleine Straßen gibt. Der Verkehr ist dort ruhiger und weniger gefährlich.“
Der Johanniter-Orden, ein souveräner Orden der katholischen Kirche mit Sitz in Rom, erhielt 1272 das Heitersheimer Schloss und kaufte Gemeinden dazu, bis er ein Staat im Staate war. Er verleibte sich auch Güter der Tempelritter ein, die der Kirche und dem französischen Staat zu mächtig und reich geworden waren. Am 13. Oktober 1307 wurde der Orden durch ein Massaker zerschlagen, und der Großmeister Jacques de Molay starb Jahre danach auf dem Scheiterhaufen. 1428 wurde das deutsche Großpriorat der Johanniter nach Heitersheim verlegt, und der Chef, der Großprior, war verantwortlich für die Besitzungen des Ordens in ganz Europa. 1530, als der Orden nach Malta umziehen musste (bis 1798), entstand der souveräne Malteser-Orden. Bis 1803 amtierte er vom Heitersheimer Schloss aus, bis Napoleon allem ein Ende machte.
Armando interessiert das nur am Rande. Er sieht nicht fern, hört kein Radio, liest keine Bücher. In den wenigen Stunden, die er nicht im Fahrradsattel oder in der Gesellschaft von Helga verbringt, sitzt er gern in seinem Zimmer unter dem Dach, das gepflastert ist mit US-amerikanischen Autokennzeichen aus vielen Bundesstaaten und geschmückt mit Flaggen und Wimpeln. Da stehen seine Tagebücher aufgereiht im Regal, streng mit schwarzem Einband, und es gibt Fotos und, wie einem scheint, tausende Landkarten.
Das Zimmer unter dem Dach mit der Holzdecke beinhaltet Armandos Welt. In ihm sinnt er verflossenen Reisen nach und plant neue. Armandos Refugium ist eine Konzentration der Welt, das Außen wird zum Innen und verwandelt sich wieder in Außen. In diesem Innenraum ist er unterwegs, auch wenn er nicht auf der Straße fährt. Er hat sich der Erkundung der Welt verschrieben, mit Haut und Haaren. Bis zum letzten Atemzug wird er die Welt lieben und sich auf neue Abenteuer freuen.
Von Heitersheim fährt er los. Manchmal fährt er bis zum Flughafen Frankfurt oder Zürich, um von dort zu starten. Aber als echter Fernradler lässt er sich ungern mit dem Zug wegtransportieren, er fährt los und kehrt allenfalls mit einem Verkehrsmittel heim. Denn gleich ist man in der Schweiz und bald über alle Berge: über die Alpen, rein nach Italien dann, denn der Süden wartet. Armando liebt die Wärme, aber noch mehr das Radfahren, darum startet er notgedrungen auch an einem Morgen im deutschen Winter – wenn er hier einen erleben muss. Auch im relativ warmen Südwesten kann der Winter empfindlich kalt sein.