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Warum?

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Normalerweise stellt man die Frage nach dem Warum am Ende eines solchen Buches. Wir fragen uns das aber nun, zwischendurch. Armando will Menschen kennenlernen und immer wieder etwas Neues sehen. Er möchte Paris sehen oder Le Mans, er muss hinaus. Er fährt immerzu. Wer zwischen Freiburg und Müllheim Rad fährt, muss unweigerlich eines Tages Armando treffen, man kennt ihn! Darum betiteln ihn die Journalisten „Dauerradler“.

„Wenn einer etwas gern macht… Ich bin durchtrainiert, jeden Tag fahre ich 100 Kilometer, Minimum. Bei einhundert Kilometern kommt bei mir erst richtig die Lust, dann kann ich Gas geben und auch jungen Leuten hinterherfahren. Ein junger Mann sagte mal: ‘Onkel, gut.‘ Aber dann kam ich. ‘Onkel, bist gar nicht schlecht‘, sagte er. Ich möchte jeden Tag was anderes sehen. Heute habe ich einen Storch gesehen, der Holzstücke gesammelt hat. Bei Tieren halte ich immer an. In Amerika kommen immer die Stiere und Kühe an den Zaun, und sie folgen mir. Und dann rennen sie gegen den Ausgang und gucken dumm. Und natürlich Leute kennenlernen, sich mit Leuten unterhalten. Ich habe nur ein Hobby, aber das lebe ich richtig aus.“

Aber das erklärt noch nicht, warum er, wenn er in Deutschland einen Winter zu verbringen genötigt ist, an einem Februartag um sechs Uhr morgens bei minus sechs Grad losfährt und am Abend um zehn nach zweihundert Kilometern zurückkommt. Wer würde sich so etwas zumuten? Jeder würde sich noch einmal im Bett umdrehen und sich dann einen Kaffee kochen. Also: warum?

„Erstmal wegen dem Rücken. Nach sechs Stunden im Bett tut es weh. Morgens mache ich immer Gymnastik im Flur, dann bin ich schon wieder elastisch. Aber zu Hause kann ich nicht einen Tag bleiben. Sobald ich Ruhe habe, frage ich mich: ‘Wo fahre ich hin?‘ Erst fahre ich mit Gegenwind, zurück dann wars schön. Heute umgekehrt, erst die Rheinstraße mit Wind.“

„Ich habe bei null angefangen, bin früher nie Fahrrad gefahren, habe mit Fußball angefangen, bis ich dreiundzwanzig Jahre alt war, dann Tanzen, jahrelang, und dann sagte der Doktor wegen Rückenschmerzen: Fahrradfahren oder Schwimmen. Da habe ich das erste Fahrrad gekauft, ein Kirsch, ein Damenrad, denn mein Rücken war so schlimm, es war zwar nichts kaputt, aber verschlissen. Ich konnte ein Bein gar nicht heben.

Aber morgens, wenn ich zu viel liege… Ich gehe meistens um zehn oder halb elf ins Bett und stehe das erste Mal um zwei Uhr nachts auf, muss in den Keller gehen, etwas zu trinken holen, esse einen Milchreis, dann wieder ins Bett. Um fünf Uhr nochmals, dann sage ich mir: ‘Hat keinen Wert.‘ Ich stehe auf. Mache am Boden oder im Bett Gymnastik. Bewegung, dann wird es schon besser. Im Zelt auf dem Erdboden liegen ist kein Problem, die Matratze schon. Ich gehe um zwei Uhr in ein anderes Bett, nach ein paar Stunden habe ich wieder Schmerzen, egal auf welcher Matratze. Im Zelt, auf dem Boden, auf Beton, auf Holz, auf Kies, im Sand: kein Problem. Und hier, wenn ich aufstehe, spüre ich es schon. Oberhalb der Lendenwirbel, abgenutzt.“

„Um in Italien ein paar Dollars zu verdienen, haben wir von einem Lastwagen mit Anhänger Zementsäcke abgeladen: Säcke holen, die früher fünfzig Kilo wogen und sie hochheben, auf einem Brett gehen, kein Aufzug, kein Gabelstapler, von hier vierzig Meter laufen mit dem Sack, und das stundenlang. Drei oder vier Leute haben das gemacht. Oder Ziegel abladen. Ein ganzer Lastwagen voller Ziegel stand da. Immer dieselbe Bewegung. Oder Decke betonieren. Krank gab es nicht. Beton in Eimer gefüllt, auf den Rücken und die Leiter hoch. Der Maurer nimmt den Eimer, kippt ihn um und ich gehe auf einer anderen Leiter runter. Und das ganze Tage. Wenn ich nicht fertig wurde, ging es am anderen Tag weiter. Oder bis in den Abend hineinschaffen, manchmal bis acht oder neun Uhr.

Dann in der Schweiz als Handlanger, und die Arbeit mit dem Pickel geht auch in den Rücken, wenn man es den ganzen Tag tut. Schaufel und Pickel… Als ich mit dem Fahrrad angefangen habe, war ich auch mehrmals in Kur. Jetzt helfe ich Helga gar nicht, auch nicht beim staubsaugen. Von hier bis Buggingen mit dem Rad – dann fühle ich mich schon wohler. Je mehr ich fahre, desto weniger Probleme. Ich mache das, weil es mir guttut…“

Vielleicht sind Rückenschmerzen nur ein vordergründiges Alibi. Armando wäre vielleicht auch ohne sie ständig unterwegs – einer, der überall zu Hause ist. Den die Ferne lockt und für den die Sehnsucht das eigentliche Ziel ist. Nirgendwo Pause machen. Immer weiter. Übernachten… und weiter. Wieder möchte er durch Australien, wieder durch Asien, wo er auch schon sechs Mal war, doch er sucht nichts Bestimmtes, nur das Gefühl, frei zu sein und den Tag vor sich zu haben wie ein offenes Feld. Darin ist er den Romantikern nicht unähnlich, die in Italien nicht ihresgleichen haben – Giacomo Leopardi vielleicht und den unergründlichen, über allen stehenden Dante, den Reisenden durch die Dimensionen.

Der Eine Million Kilometer Mann

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