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2.6 Es wird immer metallischer – Bor
ОглавлениеDie Chemie der Wasserstoff-Bor-Verbindungen (Borane) und der verwandten Carboborane (Kohlenstoff-Bor-Verbindungen) ist eines der wichtigsten Gebiete in der synthetischen anorganischen Chemie und damit, Sie ahnen es schon, nur von untergeordneter Bedeutung für die Chemie des Lebens. Bor ist ein relativ seltenes Element. Es kommt in der Erdkruste nur zu ungefähr 10 ppm* vor, was schon ein beträchtliches Manko darstellt, wenn es darum geht, daraus viele und große Moleküle zu montieren. Dagegen ist uns seine Fähigkeit, kovalente Bindungen aufzubauen, aus der Chemie des Kohlenstoffs vertraut.
Die einfachste, zum Methan analoge Borverbindung müsste die Formel BH3 haben. Da Bor als Element der III. Hauptgruppe des Periodensystems nur über drei Valenzelektronen verfügt, „leiden“, wie Chemiker oftmals mit übergroßer Empathie für ihr Untersuchungsobjekt sagen, Verbindungen mit nur drei kovalenten Bindungen an einem permanenten Elektronenmangel.76 Wissenschaftlich objektiver ist der Begriff der Elektronenlücke. Solche Elektronenlücken werden durch andere Partner unverzüglich aufgefüllt. Im Fall des Borans ist der Lückenfüller ein H-Atom eines zweiten BH3-Moleküls. Dadurch wird auch eines der H-Atome des ersten Borans veranlasst, seinerseits eine Brücke zu schlagen, sodass am Ende eine Doppelbrücke entsteht, die vergleichbar zur Tauberbrücke in dem historischen Städtchen Rothenburg ob der Tauber in Mittelfranken ist. Somit stellt nicht BH3, sondern das Diboran (B2H6) die einfachste stabile Borwasserstoffverbindung dar.
Nach diesem Konstruktionsprinzip entstehen auch höhere Borane wie etwa B5H11 oder B6H12. Wie alle Elemente links vom Kohlenstoff im Periodensystem ist auch das Bor elektropositiver als der Wasserstoff, deshalb wird im Englischen auch der Name trihydridoboron für (das nur sehr schwierig herzustellende) BH3 verwendet, worin die Bezeichnung Hydrid für ein negativ geladenes Wasserstoffion (H–) steckt. Mit den Protonen (H+) des Wassers reagiert Diboran zu Borsäure (H3BO3) und Wasserstoff. Wie wir weiter oben schon festgestellt haben, ist H2 eine essenzielle Komponente der gefürchteten Knallgasreaktion.
Noch explosiver verläuft die direkte Reaktion von Diboran B2H6 mit Sauerstoff. Es entsteht unverzüglich Boroxid (B2O3). Dies ist die am stärksten energiefreisetzende Reaktion, die bisher bekannt geworden ist. Dieser Effekt rief natürlich das Interesse der Militärs auf den Plan, die ein hohes Potenzial als Raketentreibstoff vermuteten. Nach einigen Jahren wurde die militärische Grundlagenforschung eingestellt, weil die beteiligten Stoffe instabil, geruchsintensiv und giftig sind. Das ist auch ein Grund für mich, dieses Thema im Rahmen der Suche nach dem Element des Lebens zu den Akten zu legen, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es einige wenige Borsäureester in lebende Organismen, speziell Pflanzen und Meeresbewohner, geschafft haben.77 Sie kommen dort in geringen Konzentrationen von 50 bis 120 ppm vor. Die antibiotischen und antiviralen Eigenschaften von Boromycin (anti-HIV)78 und Aplasmomycin (Antimalariamittel),79 die durch Streptomyceten-Arten produziert werden, weisen auf die ökologische und damit abschreckende Bedeutung in diesen Organismen hin.*