Читать книгу Irgendwann ist irgendwann zu spät - Armin Thalhofer - Страница 16
ОглавлениеVerwirrendes Pfandsystem und ein Gedanke
Córdoba, die Hauptstadt der gleichnamigen argentinischen Provinz mitten im nördlichen Teil des Landes, ist vor allem durch die Architektur im Stil der spanischen Kolonialzeit bekannt. Mit ungefähr 1,6 Millionen Einwohnern ist sie hinter dem fast zehnmal so großen Buenos Aires die zweitgrößte Stadt Argentiniens. Hauptgrund für einen Besuch war der notwendige Service an meiner »Dicken« beim dortigen BMW-Händler. Allerdings wusste ich auch von Maria, die auf dem Flug von Dubai nach Buenos Aires neben mir saß, dass die Stadt einiges zu bieten hatte. Vor allem, als ich Marco gegenüber erwähnte, dass Córdoba eine Universitäts- und Hochschulstadt sei, leuchteten seine Augen. Ließ dies doch ein interessantes Kneipen- und Nachtleben mit jungen Menschen erwarten.
So mieteten wir uns für vier Nächte in einer Airbnb-Wohnung ein. Die »Mopeds« standen sicher im Hof, und wir suchten zunächst den erstbesten Supermarkt auf, um den Kühlschrank für die nächsten Tage zu füllen. Natürlich war auch eine ausreichende Menge argentinische »cerveza« im Einkaufswagen, als wir die Kasse erreichten. Und genau da begann ein Kampf, der uns über die nächsten Wochen in Argentinien begleiten sollte. Das kostbare und durchaus schmackhafte Nass wird hier in unterschiedlichsten Gebinden mit unverständlichem Pfandsystem angeboten. Größen und Farben der Flaschen (1000/975/645/500/470 Kubikzentimeter, braun/grün/ usw.) machen das Pfandsystem für uns unverständlich. Kaufen kannst du ein Bier nur, wenn du die gleiche Flasche vorher als Pfand abgegeben hast. Was aber bei der ersten Flasche? Irgendwie gelang es uns dann trotzdem, mit jugendlichem Charme und erfahrener Überzeugungskraft, die ersten Flaschen unser Eigen zu nennen. Auch später schafften wir es immer wieder, Bier zu kaufen, wenn auch nicht selten mit Hindernissen. So musste manchmal eine grüne Flasche zurückbleiben, da bei der Abgabe nur eine braune oder eine grüne ohne Pfand dabei war. Und von Supermarkt zu Supermarkt war die Vorgehensweise offenbar auch unterschiedlich. Erklären konnten uns das System selbst die Einheimischen nicht wirklich. Wenn ein Land schon im Kleinen solche Probleme hat, verwundert es nicht weiter, dass es seit seiner Unabhängigkeit vor rund 200 Jahren bereits acht Staatspleiten gab, fast alle in der jüngeren Geschichte des Landes.
In der Reserva Natural El Condor erwarteten uns zwar keine Kondore, dafür aber der erste Offroad-Pass unserer Reise.
Da wir in der Nähe des Universitätsviertels wohnten, war es ein Leichtes, Stadt und Kneipenkultur zu erkunden. An unserem letzten Abend entdeckten wir zufällig eine Bar, die mich an mein Stammlokal aus jungen Jahren erinnerte, das auch heute noch der Treffpunkt der jungen Generation in unserer Heimatstadt ist. Unverputzte Backsteinwände gepaart mit diversen historischen Blechschildern und Fotografien ließen bei süffigem Imperial Cream Stout Heimatgefühle aufkommen. Obendrein spielte an diesem Abend eine Rockabilly-Band live. Wir genossen den Mix aus Bier, Musik und Stimmung und erzählten uns Geschichten aus eben unserer mehr als 11 000 Kilometer entfernten Kneipe daheim, die wir mit fast 30-jährigem Zeitversatz dort erlebten.
Gutes Wetter + Kurven + Schotter = glücklich sein.
Wir verließen Córdoba am nächsten Tag Richtung Westen, und südlich des Lago San Roque ging es in die Berge. Auf kleinen Schotterpisten überschritten wir zum ersten Mal auf dem südamerikanischen Kontinent die 2000er-Höhenmarke. Als wir nach der Passüberquerung wieder auf eine geteerte Hauptstraße stießen, schauten wir uns kurz an und hatten beide denselben Gedanken. Wir wollten dort oben unser Zelt für die Nacht aufschlagen. Das Wetter lud nicht unbedingt zum Wildcampen ein, dunkle Regenwolken hingen am Himmel, dennoch wollten wir beide die raue Einsamkeit in den Bergen erleben. In einem kleinen Kiosk, nicht weit entfernt, deckten wir uns mit dem Nötigsten in fester und flüssiger Form ein, und fuhren die rund 30 Kilometer zurück zum höchsten Punkt. Nach kurzer Zeit, gerade noch rechtzeitig vor der einbrechenden Dunkelheit, war unser Nachtlager aufgeschlagen, und wir hatten bereits Mützen aufgesetzt und die wärmsten Klamotten angezogen, die wir dabei hatten.
Der Wind blies streng und vor allem kalt. Kochen war nur in einer kleinen, windgeschützten Nische hinter einem Felsen möglich. Der Vorteil war, dass wir unser Bier ohne zusätzliche Kühlung genießen konnten, ein Umstand, den ich in Afrika meist schmerzlich vermisst hatte. Fröstelnd, aber mit einem Lächeln im Gesicht ob der gewaltigen Natur und ohne viele Worte zu wechseln, ließen wir den Abend ausklingen.
Der Fahrspaß kam trotz des ganzen Gepäcks definitiv nicht zu kurz, und manchmal durfte auch das Hinterrad durchdrehen.
In der regnerischen Nacht waren wir erstmals um unsere warmen Schlafsäcke froh. Am Morgen hatte es kurz nach Sonnenaufgang nur noch drei Grad. Ein Vorgeschmack auf das, was uns auf dem weiteren Weg nach Feuerland erwarten sollte. Fin del Mundo, das »Ende der Welt«, war das erste, ganz große Ziel unserer Reise.
Auf dem Weg dorthin wollten wir aber erst noch der Península Valdés, einer von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärten Halbinsel an der Atlantikküste, einen Besuch abstatten.