Читать книгу Irgendwann ist irgendwann zu spät - Armin Thalhofer - Страница 19
Bikertreffen
ОглавлениеAußer beim »Elefantentreffen« im Bayerischen Wald im Februar 1992 war ich noch nie auf einem Motorradtreffen. Dass ich fast 30 Jahre später ausgerechnet in Argentinien an einem weiteren teilnehmen sollte, wäre mir wahrlich nie in den Sinn gekommen. Doch der Reihe nach.
Wir waren südwärts auf der berühmten Ruta Nacional 3 unterwegs, die im Osten Argentiniens auf einer Länge von mehr als 3000 Kilometern von Buenos Aires bis nach Ushuaia verläuft. Unser Ziel war die Penisula Valdés, die mit einer gigantischen Tierwelt aufwarten sollte. Auf der Strecke zwischen Las Grutas und Puerto Madryn, entlang der Küste des rauen Südatlantiks, trafen wir an einer Tankstelle auf ein paar argentinische Biker. Nach europäischen Maßstäben waren das eher Mopedfahrer. Das lag nicht nur daran, dass der durchschnittliche Hubraum ihrer Motorräder zwischen 125 und maximal 250 Kubikzentimetern lag, sondern auch an der generellen Größe der Südamerikaner. Diese wirkten – insbesondere im Vergleich zu Marco mit seinen stolzen 1,97 Metern – eher wie gerade den Kinderschuhen entwachsene Jugendliche mit erfahrenen Gesichtszügen.
Mit gekonnter Gestik stimmte sich Marco nach dem Zeltaufbau schon einmal auf das Bikertreffen und die entsprechende Musik ein.
Jedenfalls kam Sohnemann aufgrund seiner spanischen Sprachkenntnisse sehr schnell mit ihnen ins Gespräch, als sie gerade dabei waren, unsere bepackten und aus deren Sicht überdimensionalen Motorräder zu begutachten. Wir beantworteten die üblichen Fragen. »Wie viel Kubik und PS, Höchstgeschwindigkeit, woher, wohin, Vater und Sohn?« Allgemeines Erstaunen.
Erstaunt waren aber auch wir, als wir erfuhren, dass sie aus Azul, einem Ort unweit von Buenos Aires kamen und somit schon mehr als 800 Kilometer auf dieser teils unendlich erscheinenden geraden Strecke unter ihre schmalen Räder genommen hatten. Sie nannten sich »Quijotes del Camino« und bezogen sich mit ihrem Clubnamen auf den berühmten Ritter Don Quijote, der unter anderem gegen Windmühlen kämpfte. Für mich ergab dieser Vergleich ob des teils heftigen patagonischen Windes, gegen den diese Biker mit ihren Mopeds anzukämpfen hatten, durchaus einen Sinn.
Während der allgegenwärtige Matebecher die Runde machte, wurden Erfahrungen, Sticker und Handynummern ausgetauscht. Natürlich nicht ohne zu versprechen, spätestens am kommenden Samstag ebenfalls zu dem Treffen außerhalb von Puerto Madryn dazuzustoßen.
Gesagt, getan! Nach der Einsamkeit auf der Halbinsel wollten wir so richtig in die argentinische Bikerszene eintauchen. Ort des Geschehens war ein zugiger Hügel südlich der Stadt. Ich weiß nicht mehr, was ich erwartet hatte, aber der Anblick, der sich uns bei der Örtlichkeit und den versammelten »Mopeds« bot, entlockte mir noch unter meinem Helm ein Lächeln. Die vielen skurrilen »Mopeds« parkten wild vor einem Vereinsheim, wo bei eisigem Wind bereits am späten Nachmittag eine Metal-Band ihr Bestes gab. Eines hatten alle Bikes aber gemeinsam: Aus Marcos Blickwinkel von 1,97 wirkten sie alle wie Pocket-Bikes. Ich musste unwillkürlich lachen, als ich ihn so sah.