Читать книгу Jon & Jenny - Arndt Mauer - Страница 13
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Dunkelheit. Absolute Dunkelheit. Jenny atmete heftig durch die Nase. Ihr Mund war vom Klebeband verschlossen, was zusammen mit der Schwärze und Enge hier drin in ihr nahezu Platzangst auslöste. Sie musste raus! Wütend rüttelte sie mit den Händen hinter ihrem Rücken. Dabei stieß sie jedoch bloß gegen Jons Schulter.
Was war das? Jon gab Laute von sich, die sie zwar unmöglich als Worte identifizieren konnte, die ihr aber irgendetwas mitteilen sollten. Sie senkte ihre Atemfrequenz und konzentrierte sich auf ihren Bruder. Auch er bewegte seine Hände, allerdings langsamer. Gleichzeitig bekamen seine unter dem Knebel hervorgepressten Laute einen auffordernden Ton. Jenny drehte sich, so weit es ging, um und versuchte, mit ihren Fingern an seine zu kommen.
Was hatte ihr Bruder vor? Probierte er, die Fesseln abzustreifen? Das würde Jahre dauern. Da verstand sie plötzlich: das Minilab! Jon wollte es aus seiner Tasche hieven. Was das bringen sollte, wusste Jenny zwar nicht, aber sie half ihm.
Wenige Augenblicke später lag das Minilab offen im Kofferraum. Das Bildschirmleuchten minderte die Dunkelheit. Gleichzeitig strömte ein leicht miefiger Geruch in Jennys Nase – Jon musste es irgendwie geschafft haben, einen seiner labbrigen Turnschuhe abzustreifen. Und tatsächlich sah sie aus dem Augenwinkel, wie Jon mit seinem großen Zeh an dem Gerät herumfummelte. Er kannte das Ding in- und auswendig, wenn einer damit auf diese Art umgehen konnte, dann er.
Jetzt hörte Jenny etwas: Stimmen. Draußen war jemand. Aber leider nicht direkt am Wagen, dazu klang das Gesprochene zu leise. Sie mussten sich bemerkbar machen! Leichter gedacht als getan – sie waren kaum in der Lage, auch nur ihre Hände zu bewegen. Jenny zog die Beine noch weiter an, um irgendwo gegen zu treten, vielleicht konnte man das ja hören. Aber der Platz reichte einfach nicht. Sie biss die Zähne aufeinander.
Im nächsten Moment spürte sie ein Klopfen von Jon und im übernächsten wäre sie vor Schreck fast gestorben: Ein Schrei drohte ihr Trommelfell zu zerfetzen. Kaum war er verklungen, ertönte er erneut. Und immer so weiter. Es dauerte Sekunden, bis Jenny erkannte, dass es sich dabei um ihren eigenen Aufschrei handelte. Den, den sie vor einigen Tagen ausgestoßen hatte, als Tim vor der Haustür der Kollas unfreiwillig sein neues Haustier präsentiert hatte.
Richtig! Jon hatte das ja alles aufgenommen – und nun den Abschnitt mit dem Schrei offensichtlich in eine Endlosschleife gelegt und auf maximale Lautstärke gestellt. Es war kaum zum Aushalten. In Wahrheit fühlte sich ihr Kopf sogar an, als müsse er gleich explodieren. Und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Jenny auch, dass genau dies geschehen wäre. Weißes Licht erfüllte den Kofferraum und blendete sie. Es war der Lichtkegel einer Taschenlampe, die in der Hand eines Polizisten lag.
„Und euch zwei geht es wirklich gut?“
Die Zwillinge saßen auf der Rückbank von Mr Grants Geländewagen. Grant fuhr jedoch zum Glück nicht, sondern der Polizist, der sie aus dem Kofferraum befreit hatte. Neben ihm saß sein Kollege.
Jenny machte deutlich: „Wir sind in Ordnung. Ich hatte mir zwar einen schöneren Start in unsere Ferien erhofft, aber jetzt haben wir immerhin eine spannende Geschichte zum Erzählen. Mal was anderes – wie kommt es, dass wir mit Grants Auto fahren?“
Der Polizist am Steuer druckste ein wenig rum. „Wisst ihr, es war eigentlich ein ganz normaler Abend. Hier draußen passiert nicht viel, ist nicht viel los. Na ja, also Gus, ich meine Mr Parson, und ich sind also auf Streife, wie immer. Dann haben wir auf dieser Parkbucht ein Auto bemerkt, und da Gus, also Mr Parson, mal dringend musste, also eben ein Geschäft zu erledigen hatte, dachten wir, wir halten an und fragen, ob’s vielleicht Probleme gäbe. Hätte ja eine Reifenpanne oder so was sein können. Da ist man hier draußen ziemlich aufgeschmissen. Na ja, kaum sind wir ausgestiegen und gehen auf diesen Typen zu, also ich jedenfalls, denn Gus musste ja so dringend, da kommt der uns auch schon entgegen. Wollte wissen, wie viel Uhr es wäre. Er hätte es eilig und müsse sofort weiterfahren, sagt er. Und im nächsten Moment höre ich diesen entsetzlichen Schrei aus seinem Wagen kommen.“
Jenny schnaubte. Der Polizist fuhr fort: „Ehe ich mich versehe, hat der plötzlich eine Kanone in der Hand. Er wolle die Schlüssel zu unserem Dienstwagen, sagt er, und was soll ich machen, ich gebe sie ihm. Daraufhin ist er ins Auto gesprungen ... und weg war er. Aber der wird nicht weit kommen, keine Sorge, wir haben schon Alarm geschlagen.“
Jenny machte eine Grimasse zu Jon gewandt, die wohl sagen sollte: Na immerhin ... Doch ein leichtes Lächeln verriet ihre wahren Gefühle. Auch aus Jon wich die Anspannung – langsam ausatmend lehnte er den Kopf zurück.
„Und jetzt erzählt ihr mal, wenn es euch kein Unbehagen bereitet, was genau geschehen ist.“
Sie hatten schon auf dem Parkplatz erklärt, woher sie kamen und wohin sie unterwegs gewesen waren. Die Polizisten fuhren sie daher auf direktem Wege zurück zum Camp.
Jon erzählte es erneut und endete mit: „Zum Glück habe ich im letzten Moment noch gesehen, dass es ein Polizeiwagen ist, der sich uns nähert. Ich habe einfach gehofft, dass sie auch dort halten würden. Die einzige Möglichkeit, so viel Krach zu verursachen, um auf uns aufmerksam zu machen, war mein Minilab. Zusammen mit Jenny habe ich es geschafft, es zu aktivieren. Wenn ein Geräusch durch Metall dringen kann, dann der Schrei meiner Schwester!“
Jenny boxte ihn in die Seite, musste dabei aber lachen. Das war Teamwork der etwas anderen Art gewesen.