Читать книгу Jon & Jenny - Arndt Mauer - Страница 8

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Vor dem Haupteingang der Lessing-Gesamtschule wartete Adam auf die Zwillinge. „Da seid ihr ja endlich! Mann, Hagen von Jonje, du hast ja einen finsteren Blick drauf!“

„Adam! Mein Name ist Jon! Also eigentlich natürlich Jonas, aber Jon ist nun mal kürzer! Effizienter! Und viel besser als deine ständigen Quatschnamen!“

Jenny rollte mit den Augen. „Mein superschlaues Bruderherz hat eine Vier in Bio bekommen, das hat seine Laune ein klein wenig gesenkt.“ Dabei hielt sie Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand erst nah beieinander und streckte sie dann so weit es ging auseinander.

Adam kratzte sich am Kopf. „Ist ja echt unglaublich. Wie kam es dazu?“

Jon winkte ab. „Hatte in der letzten Arbeit eine Fünf. Was soll’s. Wir könnten jetzt auch mal ...“

„Was? Niemals, das glaub ich nicht. Ihr erzählt Blödsinn.“

„Warum sollten wir das tun? Jedenfalls könnten wir jetzt wirklich ...“

„Kannst du sie mir mal zeigen? Die Arbeit? Sonst glaube ich das nicht.“

Jon seufzte. „Ich zeige sie dir meinetwegen direkt, wenn wir dann endlich nach Hause gehen können. Sie ist auf dem Minilab gespeichert, samt Benotung.“

Adam sah mit großen Augen auf das Gerät, das Jon aus seiner seitlichen Hosentasche holte, ein mehrfach aufklappbarer Computer, den Jons Vater ihm geschenkt hatte und den er immer bei sich trug. „Wieso ist die Arbeit denn da drauf? Schreibt ihr eure Klassenarbeiten nicht auf Papier?“

„Doch, aber ich digitalisiere alle meine Schriftstücke. So sind sie leichter verwertbar.“

„Dass ich dich so Sachen überhaupt noch frage ... Könntest du sie mir auch kopieren?“

Jon zog die Augenbrauen zusammen. „Klar, ich kann sie direkt auf dein Handy rüberschieben. Aber wieso?“

Adam wich seinem Blick aus. „Ich würde sie mir halt gerne durchlesen, um zu verstehen, warum ... in Bezug auf ... Okay, nein, das stimmt nicht. Ich will sie meinen Eltern zeigen. Die sagen immer, dass ich mir ein bisschen was von dir abgucken soll. Und die Arbeit wäre der Beweis, dass du in der Schule auch mal danebenhaust.“

Jon nickte langsam. „Du musst den Datentransfer jetzt autorisieren.“

„Ich muss was?!“

„Auf Akzeptieren klicken, damit die Datei übertragen wird!“

„Das mach ich!“ Adam tippte auf sein Handy.

„Und die kannst du auch haben.“ Jon gab seinem Freund die Disc von Frau Heisterkamp. „Macht vielleicht einen guten Eindruck.“

„Nehme ich, besten Dank, Sankt Jonolaus. Wir könnten übrigens endlich mal abhauen. Unglaublich, dass ihr bis zum Ende bleiben musstet. Wir durften zehn Minuten früher raus.“

„Na, ist ja toll“, antwortete Jenny, „und was machst du dann noch hier?“

Der dunkelblonde Junge überlegte einen Moment und verlagerte seinen Schulranzen dabei von einer Schulter auf die andere. „Ja, also, wir gehen doch immer zusammen nach Hause! Und ich könnte mit zu euch kommen, damit wir über die Ferien reden können. Gibt bestimmt noch einige Klarheiten zu killen!“ Er zwinkerte ihr zu, und als Jenny es nicht zu bemerken schien, wiederholte er es mit Nachdruck.

„Adam, versuchst du etwa, mit meiner Schwester zu flirten? Oder leidest du unter nervösen Zuckungen?“ Jon sah seinen Freund, den er seit der ersten Klasse kannte, mit hochgezogener Augenbraue an.

Jenny schüttelte den Kopf. „Ach Quatsch, der will doch bloß wieder ein Mittagessen abstauben!“

Adam folgte den Zwillingen, als sie loszogen. „Stimmt nicht. In unserem Kühlschrank steht was für mich. Obwohl, das könnte ich natürlich auch später noch essen. Was gibt’s denn bei euch?“

Als die drei in die Max-Frisch-Allee bogen, hörte eine etwas über anderthalb Meter große Gestalt mit käferbeinlangen Haaren augenblicklich auf, mit ihrem Ball zu spielen, und rannte auf sie zu.

„Tja Leute, da kommt unser Empfangskomitee.“ Jenny verdrehte die Augen. „Wir haben zwar keinen Hund, aber der ist ja fast genauso gut. Gibt mir jemand ein Stöckchen? Vielleicht wird man ihn so wieder los.“

Jon knuffte sie in die Seite. „Sei nicht so gemein zu dem kleinen Kerl. Eigentlich ist er in Ordnung.“

„Was heißt überhaupt klein“, fragte Adam, „Tim ist doch nur anderthalb Jahre jünger als wir!“

„Eben!“, versetzte Jenny. „Er ist grad dreizehn geworden und hängt –oder eher hüpft – ständig bei uns rum. Außerdem spielt er immer noch mit diesen Actionfiguren, die so lächerlich ...“ Sie verkniff sich den Rest, als Tim die Gruppe erreichte.

„Da seid ihr ja endlich! Ratet mal, was ich für Neuigkeiten habe! Ratet mal! Na los! Das erratet ihr nie!“ Tim hüpfte von einem Bein auf das andere und versuchte dabei, zu Atem zu kommen.

„Wozu sollten wir es dann überhaupt versuchen?“, fragte Jenny und verzog den Mund zu einer Schnute. Die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung, während Tim sie umkreiste wie ein Satellit die Erde.

„Och bitte, ratet mal! Es ist total super!“

Jon kramte in seinen Taschen. „Ist deine Star Warrior-Sammlung endlich komplett? Das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, waren es ...“ Er schloss die Augen. „29 Figuren. Es fehlte also nur eine. Nach aktuellem Stand der Veröffentlichung jedenfalls.“

Tims Mundwinkel sackten ab. „Erinnere mich nicht daran. Ich spare immer noch, damit ich mir Major Pryme kaufen ...“

„Tim!“ Jenny zog den Namen wie einen ihrer Kaugummis in die Länge. „Hör auf, uns mit diesen Actionfiguren zu nerven. Rück lieber mal mit den tollen Nachrichten raus.“

Adam stimmte ihr zu. „Also so langsam will ich es auch wissen.“

Sie hatten die Tür der Kollas fast erreicht, aber Tim blieb stehen und nahm die Haltung eines Festtagredners ein. „Okay, ich werde es euch sagen. Es ist nämlich so, dass ...“

„Nimmst du das auf?“ Adam deutete auf das Minilab, das Jon aus seiner Jackentasche gefischt hatte.

Jon nickte. „Es empfiehlt sich, möglichst viele Phänomene möglichst genau zu dokumentieren. Nur mit einer breiten Datenbasis lassen sich haltbare Erkenntnisse gewinnen. Das ist ein Grundsatz jeder seriösen Wissenschaft. Und es gibt ja zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen.“

Adam kratzte sich am Kopf und blähte seine Wangen auf. „Phänomene, schon klar ... Und das, obwohl du so ein fotogenes Gedächtnis hast oder wie das heißt ... ach egal. Wenn es witzig ist, könnte man es auch ins Internet stellen.“

„Womit habe ich das verdient?“, seufzte Jenny. „Ich bin von Schwachsinnigen und Verrückten umgeben.“ Sie öffnete die Tür zu dem Haus, das ihr Bruder und sie mit ihrer Mutter bewohnten.

„Halt! Ich habe ja noch gar nicht meine Neuigkeiten erzählt! Jetzt hört mir doch mal zu“, rief Tim und knackte mit ein paar Fingern. Die drei blieben wieder stehen und wandten sich ihm zu. Jon aktivierte das Minilab.

Plötzlich stieß Jenny einen Schrei aus. Der Grund dafür war allen klar: Aus Tims Jackentasche lugte der Kopf einer noch nicht ausgewachsenen Ringelnatter hervor. Tim besaß eine Menge Schlangen, Käfer und anderer Tiere, die entweder mit keinen oder mehr als vier Beinen ausgestattet waren. Diese Leidenschaft lag in seiner Familie, das Haus der Fröhlichs glich einer Zoohandlung. Auch wenn sie kaum darüber redete, war es ein offenes Geheimnis, dass Jenny eine Heidenangst vor jeglichen Insekten und Amphibien hatte.

Tim beeilte sich, die Schlange in seine Jackentasche zurückzudirigieren. „Keine Sorge, die bringe ich gleich in ihr Terrarium“, versicherte er. „Aber ich glaube, sie ist gerne draußen. Es macht ihr auch gar nichts, wenn ich mit ihr herumspringe und spiele! Okay, okay, jetzt verrate ich es euch wirklich“, beteuerte er zwischen zwei Hüpfern, als Jenny sich abwenden wollte. Sie stieß die Luft aus und blieb stehen. „Das sind nämlich echt tolle Neuigkeiten.“ Tim imitierte einen Trommelwirbel. „Ich werde auch mitkommen!“

Auf den Gesichtern von Jenny, Jon und Adam spiegelte sich Ahnungslosigkeit, bis sie bei den Zwillingen in Misstrauen umschlug. Nach ein paar Sekunden Stille fragte Jon: „Wohin mitkommen?“

Tim strahlte von einem Ohr zum anderen. „Nach Amerika natürlich!“ Er hüpfte vor den Geschwistern auf und ab. „Ich darf auch mit in dieses Camp von eurem Vater!“

Jon hielt beim Essen inne, um zu beobachten, wie Adam die dritte Portion des Puddings, den es zum Nachtisch gegeben hatte, verdrückte. Jenny spielte mit ihrem Löffel, ohne darauf zu achten. Tim hatte nicht bei ihnen gegessen, aber er würde gleich rüberkommen. Ein weiter Weg war das nicht, da die Fröhlichs direkt neben den Kollas wohnten.

Tims Familie war mit Jons Eltern befreundet, mit Jons Mutter genau genommen. Sein Vater verbrachte schließlich die meiste Zeit in den USA. Zu Hause war er fast nur im seltenen Urlaub. Jon fragte sich manchmal, ob es jemals wieder so wie früher werden würde. Seine Eltern stritten zwar weniger. Aber sie sahen sich ja auch kaum mehr. Jon war sich nicht sicher, ob sie überhaupt noch richtig zusammenleben wollten. Etwas Schweres bildete sich in seinem Bauch bei diesen Gedanken. Er rieb sich die Schläfen. Wer konnte schon sagen, was in deren Köpfen vorging. Lieber dachte er an die vor ihm liegenden Ferien. Es würden die großartigsten aller Zeiten werden! Jons Vater, Edgar Kolla, war Wissenschaftler, eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Er entwickelte für die GOSA, die Global Organization for Space and Aeronautics, Raumfahrt-Technologien. Momentan war er in den Laboren in Nevada beschäftigt. Diese Forschungseinrichtungen waren in ein Camp integriert, in dem Forscher ausgebildet wurden. Und Edgar Kolla hatte seinem Sohn dort einen Platz in einem Sommerpraktikum für begabte Schüler vermittelt. Jon konnte es noch immer kaum glauben! Er liebte Raumfahrt, Technik, Mathematik und Physik.

Der Gedanke an all die Sachen, mit denen er sich in den kommenden Wochen beschäftigen würde, beflügelte Jons Fantasie, sodass es eine Weile dauerte, bis Jennys Stimme zu ihm durchdrang: „Erde an Eierkopf – auf welchem Planeten treibst du dich wieder rum?“

„Von wegen Eierkopf, du, du ...“ Ihm fiel keine passende Erwiderung ein.

„Sumpfhexe?“, fragte Adam, während er den letzten Rest Pudding zusammenkratzte. „Ich würde dich natürlich nie so nennen!“, fügte er mit vollem Mund hinzu, als er Jennys Gesichtsausdruck bemerkte.

„Ja, klar ... aber ist mir auch egal“, sagte Jenny. „Lasst uns lieber darüber nachdenken, was es für unsere Ferien bedeutet, dass der kleine Insektenfan von nebenan mitkommt. Mama, musste das denn sein?“, rief sie ihrer Mutter zu, die im vorderen Teil des Wohnzimmers, der sich zur Küche hin öffnete, ein paar Unterlagen sortierte.

„Na, es passt doch so schön! Ein Platz war noch frei, Tims Familie fährt dieses Jahr nicht in Urlaub, ihr seid befreundet ... das passt doch so gut!“ Schon waren ihr die Argumente ausgegangen.

Jon war genau wie seiner Schwester klar, dass vor allem die Freundschaft ihrer Mutter zu Tims Eltern eine Rolle bei der Entscheidung gespielt hatte. Ihm machte es allerdings nichts aus, dass Tim sie begleitete. Es gab schlimmere Zeitgenossen als den kleinen Kerl. Wichtiger waren Jon eh die Aufgaben der Wissenschaft, die auf ihn warteten. Vier Wochen lang im Herzen der Weltraum-Forschung! Was Jenny und Adam, der auch mitkommen durfte, anging – hoffentlich würde ihnen im Camp nicht langweilig werden. Sie wollten schließlich bloß Urlaub machen ...

Jon & Jenny

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