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»WIR SCHICKEN DICH IRGENDWANN MAL INS HEIM.«

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Diesen Satz habe ich nicht nur zu Weihnachten von ihr gehört. Es war eine verbale Ohrfeige, die mindestens genauso wehtat wie die echten Prügelstrafen, die ich häufig von ihr bezogen habe.

Zugegeben: Ich habe meinen Eltern das Leben nicht gerade leicht gemacht. Ich war ein auffälliges Kind, denn ich hatte (und habe immer noch) ein ausgeprägtes, hochgradiges ADHS – Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktives-Syndrom. Lange Zeit hatten weder meine Eltern noch ich jedoch die leiseste Ahnung davon. Meine Mutter ist 1909 geboren, mein Vater 1913. Sie waren beide überfordert und wussten nicht, wie sie mit mir umgehen sollten.

Als Kind und als Jugendlicher ignorierte ich pausenlos Grenzen und wurde mir der Folgen oft erst dann bewusst, wenn es bereits zu spät war. Mal spielerisch, mal mit Vorsatz probierte ich Dinge aus, die sich andere nie getraut hätten. Dafür bekam ich gelegentlich Applaus, aber vor allem sehr viel Ärger.

Viele meiner Klassenkameraden schauten mich mit großem Respekt an, weil sie sich fragten: »Was wird Arno als Nächstes tun?« Ich war für sie wie ein entfesselter Gaukler, den sie gerne vorschickten, wenn sie selbst für einen Streich zu feige waren.

Und ich habe mich gerne vorschicken lassen, weil ich auf der Suche nach Anerkennung war. Aber nach kurzem Beifall ist mein Publikum meistens sehr schnell verschwunden. Denn um die nächste Ecke kam womöglich schon der Lehrer, der dann nur mich für kaputtes Schulequipment oder zweckentfremdete Lehrmittel verantwortlich machte.

Da war ich dann ganz allein. Freunde hatte ich nie. Keiner wollte sich wirklich mit mir einlassen, dazu war ich viel zu anders.

Statt Wertschätzung und Bestätigung hagelte es nur böse Worte, Kritik und Befehle. In den ersten 15 Jahren meines Lebens habe ich – bis auf eine Ausnahme, über die ich noch berichten werde – kein gutes Wort über mich gehört. Sätze wie »Geh mir aus den Augen«, »Lass das«, »War ja klar, dass du das warst« oder »Arno fällt wegen seines aggressiven Verhaltens auf« waren an der Tagesordnung. Diese Worte haben sich tief in mein Unterbewusstsein eingegraben.

So etwas ist Gift für eine Kinderseele, und die Negativsätze meines Lebens verfolgen mich sogar heute noch. Zumindest zeitweise. Genauso wie manche eindrücklichen Erlebnisse meiner Kindheit.

Als ich zwölf Jahre alt war und zu Hause laut und vernehmlich solche »schmutzigen« Worte wie Sch… sagte, holte meine Mutter die gute alte Kernseife hervor, um mir diese Ausdrücke aus dem Mund »herauszuwaschen«. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen, würgte, spuckte und hatte Angst zu ersticken, aber meine Mutter ließ nicht locker, bis die Seife in meinem Mund war.


Nach solchen Strafen wurde es ganz still in unserem Haus. Äußerlich und innerlich. Ich fühlte mich einsam, ungewollt und hilflos. Wenn ein Kind nie getröstet, sondern nur mit Vorwürfen konfrontiert wird, dann entsteht ein tiefes Einsamkeitsgefühl. Ein Gefühl von: Ich kann mich auf niemanden verlassen. Ich muss alleine klarkommen.

So war es bei mir. Ich wurde zum Einzelkämpfer. Und nicht einmal auf mich selbst konnte ich mich wirklich verlassen. Denn ich machte mir die gleichen Vorwürfe, die ich von anderen zu hören bekam:

Keine Panik, ehrliche Spiegel altern immer mit!

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