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DASS MEIN VERHALTEN GANZ BESTIMMTE URSACHEN HATTE, WURDE MIR ERST VIEL SPÄTER BEWUSST:

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»Wie Arno sind viele AD(H)S-Betroffene […] unbewusst auf der Suche nach starken Reizen und ständig in Bewegung.«2

Das hatte zur Folge, dass ich von anderen bewundert wurde. Wenigstens heimlich. Viele Klassenkameraden beneideten mich darum, dass ich einfach das tat, was sie sich nicht trauten. Trotzdem hatte ich keine Freunde, weil niemand so richtig etwas mit mir zu tun haben wollte. Ich war ein Einzelgänger auf der Suche nach Anerkennung.

Als ich zum wiederholten Mal aus Showgründen meinen Schultornister unsere circa 30 Meter lange Schultreppe hinunterwarf, bekam ich nicht nur Probleme mit der Schulleitung, sondern auch mit meiner Mutter. Sie war nämlich nicht sehr erbaut davon, die dabei zu Bruch gegangenen Schulutensilien – wie beispielsweise meine Schiefertafel – ersetzen zu müssen.

Meine Mitschüler waren begeistert. Zumindest aus der Ferne erntete ich einigen Applaus und bewundernde Blicke. Gleich im Anschluss musste ich jedoch die Konsequenzen meines Verhaltens auf mich nehmen. Der Strafenkatalog der Kirchditmolder Grundschule sah Folgendes vor: Entweder ich musste für den Rest der Stunde in der Ecke stehen oder ich wurde zum Müll-Aufsammeln auf dem Schulgelände verdonnert. Manchmal auch beides hintereinander.

Unser Schulhof zählte damals zu den saubersten in der ganzen Region, so oft habe ich dort mit der Zange den Müll meiner Mitschülerinnen und Mitschüler weggeräumt. Natürlich musste ich auch öfter nachsitzen. D. h., wenn meine Klassenkameraden nach Unterrichtsschluss nach Hause durften, musste ich in anderen Klassen, die noch Unterricht hatten, bis zum Schluss bleiben.

In meinem Zeugnis standen in den ersten vier Schuljahren unter »Bemerkungen« Sätze wie:


»Arno ist noch etwas verspielt und macht auch gern noch mal ein Schwätzchen.«

»Arno kann sich nicht gut in die Gemeinschaft einordnen, er geht zuweilen wüst mit den Kindern um. Sein Fleiß hat sehr nachgelassen, er hat öfter die Aufgaben nicht gemacht, die Hefte sind nicht sehr ordentlich.«

»Arno hat die letzten Wochen wieder in den Leistungen nachgelassen, die Schulaufgaben zuweilen nicht gemacht.«

»Arno könnte bei mehr Fleiß mehr leisten. Arno stört den Unterricht, er fügt sich nicht der Schulzucht, […] er ist nicht unbegabt, nutzt aber leider seine Gaben nicht, sonst wären seine Leistungen bedeutend besser.«

Irgendwie bekam ich die vier Grundschuljahre trotzdem ohne Ehrenrunde herum und wechselte dann auf die Realschule. Andere Kinder, andere Lehrer, doch die Sätze im Zeugnis blieben gleich. Schon in der fünften Klasse hieß es in den Bemerkungen meines Halbjahreszeugnisses: »Arnos Betragen gibt oft Anlass zu klagen.«

Ein gereimter Satz auf Schuldeutsch, der im Kern nichts anderes aussagte als: »Arnos Verbleib in unserer Schule steht auf der Kippe.« Das beunruhigte mich wenig, meine Eltern aber umso mehr.

Meine Schwester hat die Schule deutlich problemloser hinter sich gebracht. Bereits mit 15 Jahren ist sie nach Hamburg gezogen, um eine Ausbildung zur Krankenschwester zu beginnen. Daraufhin bekam ich endlich ein eigenes Zimmer, ein wunderbarer Rückzugsort. Aber die elterliche Aufmerksamkeit fokussierte sich gleichzeitig noch mehr auf mich und meine schulischen Leistungen.

Noch in der fünften Klasse verließ ich die Schule in Kirchditmold auf Wunsch der Schulleitung und des Lehrerkollegiums und kam auf die Herkulesschule im Vorderen Westen von Kassel.

Keine Panik, ehrliche Spiegel altern immer mit!

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