Читать книгу Der Kurator 4 Duwuthrounu 5 Foederation 6 Konversion - Arno Wulf - Страница 19

Flucht und Überleben

Оглавление

Wunchk war in die Antriebssektion der Omrhan geflogen, um sich mit eigenen Augen ein Bild der Lage zu verschaffen. Er schaute achtern durch die Verglasung hindurch in die künstlich erzeugte Raumverzerrung, die als ein kreisrunder, tiefschwarzer Schatten hinter ihnen den Weltraum scheinbar auffraß. Normalerweise hätte die Anomalie nur einen winzigen Bruchteil, etwa ein Hundertstel der 180 Grad Hemisphäre, die durch das Hangarfenster einsehbar war, ausmachen dürfen. Die Lichtreflexe der weit entfernt liegenden Galaxien, die rechts und links der Flugrichtung auszumachen waren, hätten obendrein kreisförmig verzerrt sein müssen. Aber all dem war nicht so. Die Ränder der Schwärze waren seltsam ausgefranst; obendrein war sie als ein leicht längliches Oval verformt. Das fremde Schiff konnte nur wenige hundert Dobnarrgh entfernt sein.

,Wie lange werden die Gegner noch stillhalten?’, stellte sich ihm bohrend wieder und wieder die ihr Schicksal bestimmende Frage.

Lowrhana hatte ihn zu beruhigen versucht: Der Abstand hatte sich seit 20 Gor nicht verändert.

,Ein schwacher Trost’, dachte Wunchk, ,wenn man bedenkt, dass das fremde Schiff sie in weniger als dem Hundertstel eines Gors vernichten konnte.’

Er wurde immer nervöser.

,Wenn dieses Schiff nicht mehr existieren würde, bliebe nicht die geringste Erinnerung an meine eigene Rasse.’

Diese sich ständig wiederholende Überlegung - einer Litanei nicht unähnlich - blockierte ihn und verhinderte, dass er sich den Lösungen der alles entscheidenden Probleme zuwenden konnte.

Dabei hatte er noch vor kurzem mit den Wissenschaftlern und Ingenieuren konferiert, die ihm versichert hatten, dass die internen Testläufe des neuen Antriebes in Kürze beginnen würden. Jedoch handelte es sich dabei nur um Simulationen, denn den Antrieb real vor dem alles entscheidenden Test zu zünden glaubten sie zu diesem Zeitpunkt trotz der ständigen Bedrohung hinter ihnen sich nicht erlauben zu können.

Er blickte noch einmal hinaus in die Unendlichkeit und wollte seine Photorezeptoren bereits von dem unheimlichen Schatten abwenden, als er an den Rändern seines Sehfeldes eine Veränderung zu erkennen glaubte - und sein gesamter Körper gefror:

Der Schatten hinter der Omrhan wuchs plötzlich rapide, verschluckte die Lichtreflexe der durch die Raumverzerrung deformierten Galaxienbilder. Eine Schwärze, die scheinbar alle Informationen, die durch Raum und Zeit zu ihnen zu strömen schienen, aufzusaugen und zu absorbieren drohte.

,Sie kommen’, raste es durch seinen Kopf. Denn während sein Gehirn von Neurotransmittern überflutet wurde, feuerte das hinter ihnen liegende Schiff ein leuchtendes, torpedoförmiges Geschoss ab, das genau auf den Schiffsantrieb gezielt war. Es schien der gleichen Bauweise zu entsprechen, mit der sie schon im Ulumnuwu - System Bekanntschaft gemacht hatten.

Es gelang ihm zwar noch, sich an die Biomembranhülle des Schiffes anzudocken, wollte dabei noch das Kommando: ,Sofort den neuen Raumdeformationsantrieb starten’, brüllen.

Aber es gelang ihm nicht mehr. Das Projektil kam näher und näher, gleich würde es das Heck des Schiffes und ihn in Stücke reißen. Aber es schien allmählich langsamer zu werden, noch langsamer, und dann schien es sogar zum Stillstand zu kommen; nur noch wenige Gobnarrgh von der Außenhülle der Omrhan entfernt.

Ein grellweißer, alles versengender Blitz zuckte auf. Und eine Flut grässlicher Schmerzen schien seinen Körper zu vernichten.

,Es ist vorbei!’

Er fiel in ein bodenloses Nirwana.

„Wie lange wird der Antrieb durchhalten?”, nahm er irgendwann gedämpft eine ihm zunächst unbekannte Stimme wahr. „Und wohin fliegen wir eigentlich?”

Er erkannte den besorgt klingenden Akzent Jskargs. An einem Knacken in einem anderen Tonfall, der ihm vertraut vorkam, begann er zu begreifen, dass Munchg der Gesprächspartner des Bordarztes war.

„Ich will Lowrhana und sein Team im Moment nicht stören. Immerhin ist es ihnen zu verdanken, dass wir noch leben. Er hatte glücklicherweise das Raumschiff, das uns verfolgte, stets auf einem Überwachungshologramm beobachtet. Und als das feindliche Schiff sich rapide näherte, und die Waffe abfeuerte, aktivierte der Wissenschaftsoffizier sofort den neuen Antrieb. Das war unsere Rettung, und auch die von Wunchk. Denn unser Kommandant hatte sich unvorsichtigerweise in die ursprünglich im Zentrum der Omrhan gelegene Offiziersmesse begeben, als wir angegriffen wurden. Die durokristallenen Trennschotten und das glücklicherweise eingeschaltete alte Verteidigungskraftfeld des Schiffes haben zwar die Omrhan vor der Zerstörung bewahrt. Dazu kam noch, dass der aktivierte Antrieb, dessen Baupläne von den Kroaxar stammen, durch die Erzeugung eines Wurmlochs einen Großteil der Energie der Waffe absorbierte. Aber ein kleiner Rest der Strahlung drang doch in das Schiffsinnere und führte zu schweren inneren Verbrennungen des Kommandanten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er diese Verletzungen überlebt.”

Diese letzten Worte registrierte Wunchk schon nicht mehr. Denn er war zuvor erneut in eine tiefe Ohnmacht gefallen.

Munchg fuhr fort:

„Lowrhana ist es zudem endlich gelungen, einige geheimnisvolle helle Flecken innerhalb der Videoübertragung, die Mauthron uns übermittelt hatte und die wir zunächst als Übertragungsfehler angesehen hatten, zu entziffern. Schließlich haben sie uns ihre Bedeutung doch offenbart. Sehr gut versteckt enthalten sie die gesamten Baupläne der Dridorion, so heißt das Expeditionsschiff der Kraoxar und Blurroggh, das sich auch auf den Weg in Richtung Milchstraße gemacht hat sowie die Positionen einiger Wurmlöcher. Lowrhana trägt bereits seit circa zehn Gor die räumliche Lage dieser Anomalien in eine neuartige intergalaktische Karte ein, so dass wir einen Weg von hier in die Milchstraße nehmen können, ohne den Guruthuwrunuh begegnen zu müssen.”

„Was ist mit der Nachfolge des Kommandanten? Zeichnet sich auch auf diesem Problemfeld eine Lösung ab?”, meinte Lowrhana, der schweigend zugehört hatte.

„Der diensthabende erste Offizier ist bei dem Angriff ebenfalls schwer verletzt worden. Und diese verantwortungsvolle Aufgabe hat nun an und für sich Korghirrgh zu übernehmen, der neben seinem Offizierspatent zusätzlich eine komplette wissenschaftliche Ausbildung in der Fachrichtung Raum-Zeit Deformationen hat. Aber dieser hatte seit dem zweiten Angriff auf dieses Schiff noch nicht einmal Zeit, offiziell die Nachfolge von Wunchk anzutreten, da er seine gesamte Energie in den reibungslosen Betrieb des neuen Antriebes hineingesteckt hat. Selbst unsere strategischen Überlegungen interessieren ihn im Moment nicht, da er der Meinung ist, dass wenigstens eine Komponente dieses Schiffes der Guruthuwrunuh - Technologie zumindest ebenbürtig sein sollte.

Nun ist er glücklicherweise noch unkomplizierter als unser schon sehr fortschrittlich denkender Kommandant. Er hat die ganze Mannschaft inzwischen per Intercom dahingehend ausgerichtet, Hierarchien in dieser Extremsituation einmal zur Seite zu legen und alle Kräfte in den Aufbau verbesserter Waffen, Verteidigungssysteme und Tarnvorrichtungen zu legen. Leider mussten wir feststellen, dass sich unser alter Feldgenerator zur Abwehr von feindlichen Strahlenwaffen mit unseren Bordmitteln nicht weiter verbessern lässt, so dass wir in dieser Hinsicht ziemlich wehrlos sind.”

„Aber wir können uns doch sowieso gar nicht verteidigen. Dazu sind die Guruthuwrunuh uns doch technologisch gesehen zu weit voraus”, meinte Jskarg, dem die ganze Situation als immer aussichtsloser erschien.

„Für einen direkten Frontalangriff stimmt diese Einschätzung zweifellos. Aber nichtsdestotrotz haben wir uns leider noch mehrere Male aus der Deckung zu wagen: Wir müssen das Schiff in eine Sternatmosphäre steuern, um die dortige enorme Strahlungsenergie mit Hilfe des neuen Energiekonverterfeldes, das leider nicht zur Abwehr von Strahlenwaffen taugt, in Antimaterie für unseren Antrieb umzuwandeln. Dabei könnten wir entdeckt werden. Aber möglicherweise verzerren die extremen elektromagnetischen Strahlungsausbrüche vieler Sterne die Sensoren so mancher Schiffe, von denen wir vielleicht besser nicht gefunden werden wollen.”

Jskarg stimmte dem mit einer rotvioletten Farbänderung seiner Außenhaut zu.

Munchg fuhr fort:

„Das größere Hindernis, um zu überleben, ist das Nahrungs-, Sauerstoff- und Wasserproblem. Die Regenerationsmaschinerie chemischer Stoffe ist in diesem Schiff leider nicht hundertprozentig. Daher fällt im Laufe der Zeit immer mehr Abfall gasförmiger, flüssiger und fester Art an, der entsorgt und durch frische Produkte ersetzt werden muss. Zwar liefert die Datenübertragung der Dridorion auch hier einige Verbesserungsvorschläge. Aber auch das wird nicht reichen, um ohne zusätzliche Versorgung die Milchstraße erreichen zu können.”

„Wir werden doch wohl noch irgendwo in der Triangulum - Galaxie ein ungestörtes Plätzchen finden können, wo wir vor Verfolgung sicher sind”, warf Jskarg ein.

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Denn wir haben keinerlei Vorstellung davon, wie zahlreich diese fremde, aggressive Rasse ist. Greifen nur einige wenige Schiffe an, oder ist womöglich eine millionenstarke Armada der Invasoren eingerückt? Durch die Strategie, dass sie nämlich offensichtlich ganz gezielt Yewwhrhon attackiert haben, scheinen sie offensichtlich sehr gut zu wissen, wo bewohnbare und zivilisatorisch relativ hochstehende Welten existieren. Deshalb sind alle mir bekannten Planeten in höchstem Masse in ihrer Sicherheit gefährdet. Möglicherweise sind lediglich die Blurroggh in ihrem immens tiefen Ozean in der Lage, irgendwo in den Abgründen zu überleben und zu überdauern.”

Jskarg reagierte gereizt:

„Wir, das ist der übergroße Teil der Mannschaft, sind nicht bereit, einfach in irgendeine unbekannte Region des Kosmos zu fliegen, nur weil dort angeblich eine Rasse existieren könnte, die es technologisch mit diesem Gegner aufnehmen kann. Wir wissen doch gar nichts von diesen Guruthuwrunuh, um auch nur einigermaßen abschätzen zu können, welches Schicksal diese Galaxie erwartet. Daher drängen viele Besatzungsmitglieder darauf, nach Gornon zurückzukehren und uns ein unverfälschtes Bild der Lage zu machen. Die ganze - angeblich so bedrohliche Situation - sieht unserer Einschätzung nach nur nach maßloser Übertreibung aus. Woher sollen wir wissen, dass uns diese Kroaxar-Wissenschaftler nicht irgend einen Blödsinn erzählen, weil sie irgendwelche Interessen verfolgen, die wir noch nicht durchschaut haben? Vielleicht haben sie es ja auch nur auf dieses Schiff abgesehen, das sie dann bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit kapern und ausplündern können.”

Lowrhana protestierte heftig. „Solche Bemerkungen verbitte ich mir auf das Entschiedenste. Die Kroaxar sind nach all den Erfahrungen, die ich seit langer Zeit sammeln konnte, wesentlich seriöser als so mancher Mannschaftsangehörige an Bord dieses Schiffe. Ich kann nur empfehlen, auf jeden Fall ihren Ratschlägen zu folgen.”

„Wir müssen gar nichts. Im Moment haben wir noch nicht mal einen realen Kommandanten, der bei unserer Entscheidungsfindung sein gewichtiges Wort einbringt. Die ganze Situation beruht lediglich nur auf Vermutungen, ohne tatsächlich genau zu wissen, wie es auf unserer Heimatwelt aussieht. Ich denke deshalb, dass wir in einer Kampfabstimmung die Richtung klären sollten, wie wir nun weiter vorgehen sollten.”

„Ich bin für den Flug zur Milchstraße”, stellte Munchg energisch fest.

„Ich für die Rückkehr nach Gornon”, hielt Jskarg dagegen.

Lowrhana, der sich an der Abstimmung nicht beteiligt hatte, war mit dieser Pattsituation nicht zufrieden. Pari-pari war gerade das, was er am meisten fürchtete, da dadurch die Gefahr des völligen Zerredens aller Probleme bestand und es nicht gelingen würde, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn diese sich im Nachhinein als falsch herausstellen würden.

Ein heftiges Wortgefecht entbrannte zwischen den beiden.

Lowrhana rief zur Mäßigung auf.

„Wir können das Problem sehr pragmatisch lösen - denke zumindest ich. Auf unserer Reise zur Milchstraße müssen wir vom direkten Weg zum Zielgebiet nur um zwei Lichtjahre abweichen. Wenn wir dann feststellen sollten, dass unserem Heimatplaneten nicht mehr zu helfen ist, sollten wir uns dann auf die Suche nach der Milchstraße machen. Wir werden auf jeden Fall mehrmals gezwungen sein, Sternatmosphären anzusteuern, um Energie für unseren weiten Weg zu assimilieren. Und ob uns die Technik im Stich lässt oder zuverlässig arbeitet, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht prognostizieren. Daher lohnt es jetzt nicht, wenn wir uns hier gegenseitig in der Entscheidungsfindung lähmen. Natürlich möchte auch ich sehr gerne, dass wir heil unsere Heimatwelt erreichen und sie unversehrt vorfinden.”

Die Mannschaft des Schiffes hatte sich beinahe vollständig in der Offiziersmesse versammelt. Nur einige wenige Mufrggh nahmen nicht an der Debatte teil. Sie hatten die Aufgabe, den Raum um das Schiff herum auf feindliche Bewegungen hin zu überwachen. Die Diskussion war zudem sehr kontrovers. Und, was sehr selten bei Vertretern dieser Rasse zu beobachten war, hochgradig emotional.

„Warum müssen wir unbedingt den Rückweg zu unserer Heimatwelt antreten? Das könnte doch auch ein Weg geradewegs in das Verderben sein. Vielleicht wird ja der Raum um Gornon inzwischen streng überwacht”, meinte Wurugh, der Sicherheitsoffizier an Bord der Omrhan. „Auch wenn es ja im Prinzip richtig ist, unseren schwer verletzten Kommandanten zur Heimatwelt zurückzubringen, um dort die bestmögliche medizinische Hilfe zu bekommen, rate ich dennoch von dieser Mission ab.”

Ein Tumult brach aus.

Alle pfiffen und zischten durcheinander. Nach einer etwas unschlüssig wirkenden Pause angesichts des Chaos um ihn wandte sich Wurugh an den Bordarzt:

„Wie lange kann der Kommandant noch im künstlichen Koma am Leben erhalten werden?”

„Ungefähr 200 Gor”, meinte Jskarrgh ohne Emotionen. „Dann muss er aber spätestens operiert werden.”

Die weiter zunehmende Lautstärke der heftigen und hitzigen Wortgefechte machte eine weitere separate Unterhaltung zwischen den Beiden unmöglich.

„Und?”, war die Meinung des Biologen Zarogh zu vernehmen. Er bezog sich dabei auf die vorherigen Ausführungen Wurughs, der von dieser Expedition bitter enttäuscht war. Es gab nicht die Spur einer neuen, extraterrestrischen Lebensform, die er in Ruhe hätte näher untersuchen können, um dessen Gefährdungspotential auf das Duwuthrounu-Bündnis abzuschätzen. „Wir gehören auf diesen Planeten. Ich habe über 200000 Gor auf dieser Welt verbracht. Ich will nicht irgendwo im leeren Raum sterben. Wenn ich schon mein Ende finden muss, dann doch bitte in meiner Heimat.”

„Was ist denn daran besser, einen sinnlosen Tod auf unserer Heimatwelt zu erleiden? Vielleicht sind wir die letzten unserer Art. Und dann hätten wir im Namen aller Vorfahren unserer Rasse doch die moralische Pflicht, den Rest aller Erinnerungen, alles Wissens und aller Weisheit unserer Vorfahren an einem sicheren Ort zu bewahren und der Nachwelt zu erhalten.” Nurwugh, der Soziologe und Sprachwissenschaftler des Schiffes, war sichtlich erbost über den kleinlauten Rückzug mancher Besatzungsmitglieder in das heimatliche Schneckenhaus.

„Ganz abgesehen davon: Wenn unsere Mission endlich von Erfolg gekrönt sein sollte, würden wir doch sicherlich irgendwann in unsere Heimat zurückkehren. Vielleicht haben wir dann neue Freunde oder Verbündete gefunden. Ich für meinen Teil fühle mich jedenfalls als Entdecker. Schließlich bin ich ja Wissenschaftler auch aus dem Grunde geworden, Neues zu erforschen, vielleicht auch neue Zivilisationen”, meldete sich der Physiker Cjeskjarggh zu Wort, der sich für den Aufbau von Sternen, Galaxien und den gesamten Weltraum brennend interessierte. „Warum dehnen wir unsere Reise nicht großzügig aus, untersuchen erst einmal viele unbekannte Phänomene des Raums, wie beispielsweise diese Wurmlöcher...”

„...die ja möglicherweise sogar künstlich erschaffen worden sein könnten”, fuhr Qroqjar fort, dessen Schwerpunkt extragornonische Archäologie war.

„Wie bitte?”, erklang es staunend aus der Runde.

„Ich zumindest sehe unsere Mission gerade erst an ihrem Anfang”, fuhr der Archäologe fort, ohne auf den Einwand der Umfliegenden näher einzugehen. „Sehen wir es doch positiv: Wir alle, als widerspenstige, aufsässige Querdenker verschrien, sollten auf dieser Mission vernichtet werden. So hatte es doch vermutlich der Sonderbotschafter Nakheel geplant. Nur die Guruthuwrunuh hatten offenbar andere Pläne. Sie dulden keine Zeugen, sind offenbar sehr gewaltbereit, zeigen aber möglicherweise auch eine gewisse Neugier an neuer Technologie. Wir haben damit schon einige wichtige Entdeckungen gemacht, die vielleicht für anderen Rassen einmal von Nutzen sein könnten. Vielleicht stößt unser Wissen ja auf so viel Interesse, dass es zur Verbesserung möglicher zukünftiger bilateraler Beziehungen ist. Ich jedenfalls bin sehr dafür, unsere Mission fortzusetzen, und auf keinen Fall zu unserer Heimatwelt zurückzukehren. Denn sollte dieser Entschluss von der Mehrheit an Bord dieses Schiffes getroffen werden, könnte das sehr wohl unseren Untergang bedeuten.”

„Das möchten alle an Bord dieses Schiffes doch noch abschließend genauer erklärt haben”, ließ sich Zarogh erneut vernehmen. „Das Wurmlochnetzwerk, dass auch wir gerade benutzen, ist nicht natürlichen Ursprungs?”

„Wir sind uns noch nicht sicher”, erwiderte Cseskjar, der sich in letzter Zeit in die Erforschung dieser staunenswerten Erkenntnis gestürzt hatte. „Aber die Anordnung der Anomalien im Raum, die Regelmäßigkeit, mit der diese Strukturen positioniert sind, lässt sich auch aus mathematischen Überlegungen schwer als ein lediglich natürliches Phänomen deuten. Viel wahrscheinlicher ist es, dass irgend eine hoch entwickelte Rasse an der Errichtung dieser kolossalen Störungen des Raum-Zeit-Kontinuums beteiligt war. Wenn dem so ist, wäre das die Entdeckung in unserer Geschichte. Etwas, das weit über die Bedeutung des Duwuthrounu Bündnisses hinausgeht.”

Alle begannen erregt, auf den Archäologen und den Physiker einzureden, und die neuesten Erkenntnisse zu erfahren. Denn dies warf ja ein ganz neues Licht auf ihre Situation. Gab es da doch noch jemanden draußen, der technologisch immens weit entwickelt war?

„Solange wir uns in diesen Wurmlöchern aufhalten, scheinen wir vor unliebsamen Überraschungen sicher zu sein.”

Lowrhana ließ kurz nach der Debatte noch einmal die Ausführungen über mögliche intergalaktische künstliche Strukturen Revue passieren und betrachtete eine statistische Auswertung von Daten, die der Erste Offizier zusammengetragen hatte. Es war ihnen in den letzten 20 Gor gelungen, auch die beiden verbliebenen Raumsonden mit dem Raumverzerrungsantrieb auszustatten, um die nähere Umgebung des Schiffes auf den strukturellen Aufbau des Wurmlochnetzwerkes zu untersuchen. Dabei waren sie auf Unmengen an Störungen im Raum - Zeit - Kontinuum gestoßen. Manche Wissenschaftler der Omhran befürchteten, dass es sich um die Massenverzerrung der Schiffe der Invasoren handelte. Eine Raumsonde kam überdies nicht zurück; und so mancher beschwor das Risiko, dass sie sich durch dieses waghalsige Manöver womöglich selbst bereits verraten hätten. Vielleicht sähen sie sich mit einer riesigen Flotte konfrontiert, die sich baldmöglichst an ihre Flügelspitzen heften würde.

Aber sie sahen und hörten nichts. Auch dann nicht, als sie ein Wurmloch verlassen mussten, um nach einem Flug von mehreren Gor Dauer durch den Normalraum an anderer Stelle eines ihnen unbekannten Sonnensystems wieder in eine andere Anomalie einzutauchen.

In weniger als drei Gor würden Lowrhana und Munchg vor eine ihrer schwersten Entscheidungen gestellt, die sie jemals hatten treffen müssen. Sollten sie Kurs auf ihre Heimatwelt nehmen? Konnten sie es riskieren, in der Nähe Gornons unvermittelt aufzutauchen? Oder würden sie gerade in eine Falle laufen, die ihnen lediglich Tod und Verderben bringen würde?

„Wie können wir uns davor schützen, entdeckt zu werden?”, fragte Korghirrgh den Bordingenieur, der angesichts der Daten der Raumsonden zunehmend nervös wurde, da ihn die Vorsehung beschlich, geradewegs in eine Falle zu steuern.

„Es wird ein ziemlich risikoreiches Unterfangen, sollte in der Nähe Gornons irgend jemand lauern. Der neue Tarnschild ist lediglich nur zu 95 Prozent einsatzbereit. Wir werden daher als ganz schwacher Schatten zu sehen sein. Überdies wird der Schild nur 0,1 Gor halten, dann müssen wir das System wieder verlassen haben oder uns absolut sicher fühlen, dass niemand bislang Gornon besetzt hat und die Umgebung des Planeten heimlich observiert”, antwortete Munchg.

„Ich schlage vor, dass wir eine Trajektorie beschreiben sollten, die uns einige hunderttausend Dobnarrgh von Gornon entfernt vorbeiführen sollte”, meinte der Zweite Offizier Korrghirrgh. Er hatte gerade eine Ernennung zum Kommandanten abgelehnt, weil er sich inzwischen in den Laboralltag der Wissenschaftler gut eingefügt hatte. Er konzentrierte sich jetzt ausschließlich auf die Verbesserung der Waffensysteme. „Die drei Monde werden uns vor Entdeckungen nicht schützen. Wenn wir aber Kurs auf unseren leicht veränderlichen Doppelstern Mornon AB nehmen, können wir möglicherweise die Teilchenschauer, Plasmastürme und Flares als Tarnung benutzen, um die Lage etwas genauer zu untersuchen. Und obendrein können wir die Raumverzerrung, die von den beiden Sonnen erzeugt wird, als Sprungpunkt verwenden, um in ein sicheres Wurmloch zu gelangen, auch wenn wir keine Gewissheit haben werden, wohin uns die Anomalie führen wird. Denn dies ist die nächstgelegene Fluchtmöglichkeit, um im Notfall rasch unerkannt zu verschwinden.”

„Wie sieht es denn waffentechnisch mit diesem Schiff aus? Können wir uns im Notfall verteidigen?”, bohrte Korghirrgh nach.

„Die an Bord vorhandene Singularität ist viel zu schwach, um so viel Energie zu liefern, dass unsere Waffen auch nur im entferntesten mit denen unserer Gegner konkurrieren könnten.”

Munchg veränderte seine Aussenhaut in eine pockennarbige Oberfläche, die man auf der Erde mit Kopfschütteln vergleichen könnte.

„Sollten wir beschossen werden, würden wir nur mit Hilfe des Antriebs entkommen können”, fasste Korghirrgh schließlich sichtlich irritiert zusammen. „Alles andere ist nur technologische Stümperei im Vergleich zu der Ausrüstung unserer Gegner.”

Plötzlich wurde durch dass bordeigene Teleskopsystem der durch einen undurchsichtigen Dunst in der Hochatmosphäre verhüllte Gornon vor ihnen sichtbar. Sie waren gerade aus der Raumanomalie 750000 Dobnarrgh entfernt herausflogen. Ruhig und friedlich lag der Planet da, als sie sich ihm mit Höchstgeschwindigleit näherten.

„Es ist nichts außergewöhnliches zu sehen”, meinte Jskarg erleichtert. „Unsere Heimatwelt sieht doch so aus wie immer.”

„Bitte, Munchg, nehmen wir doch Kurs auf unsere Heimatwelt und lassen wir uns doch erst einmal zur Ruhe kommen”, drängte Jskarg. „Denn Kommandant Wunchk muss doch auch erst einmal wieder von seinen Verletzungen genesen.”

Munchg warf Lowrhana einen unsicheren Blick zu. Dieser gab durch seine Rosafärbung der Haut zu erkennen, dass er von einer weiteren Annäherung an Gornon dringend abriet.

„Irgend etwas stimmt hier nicht.”, meinte der Wissenschaftler schließlich, während er den Raum, der von der Brücke aus zu sehen war, genauestens durchmusterte. „Wir sollten auf keinen Fall unseren Kurs ändern.”

„Der Sternenhimmel in unserem Sonnensystem! Er weist Löcher auf!”, schrie plötzlich Jskarg auf, als er den Weltraum im heimatlichen Sonnensystem nach den für ihn so charakteristischen Sternkonstallationen sorgfältig durchmustert hatte.

Lowrhana reagierte sofort, da er glücklicherweise noch an die biokybernetische Hülle des Schiffes angedockt war. Er jagte den Antrieb des Schiffes auf Maximalleistung hoch, während Munchg, der sich inzwischen auch in die Kommunikationsnetzwerke des Schiffes angedockt hatte, den Kurs in Richtung der Doppelsternanomalie eingegeben hatte.

Voller Entsetzen verfolgte die Besatzung, wie sich ein ganzer Schwarm der fremden Raumfahrzeuge an die Omrhan heftete. Erst jetzt wurde ihnen klar, dass die dunklen ,Löcher’ in den Sternbildern nichts anderes als Schiffe der Guruthuwrunuh waren, die nur darauf gewartet zu haben schienen, sich auf unvorsichtige Neuankömmlinge zu stürzen.

Größer, greller und immer gleißender füllten die beiden Sonnen die Panoramascheiben der Brücke aus. Das Schiff versuchte mit Höchstgeschwindigkeit den schattenhaften Angreifern zu entkommen. Diese stürzten sich von allen Seiten auf das Schiff. Die Omrhan unternahm einen letzten Versuch, sein Heil im Fusionsfeuer im Mittelpunkt ihres Heimatsystems zu suchen. Näher und näher kamen die Verfolger heran. Und zu allem Entsetzen mussten sie feststellen, dass auch in der Nähe der beiden Sonnen Schiffe in Lauerposition lagen. Und als sie dies sahen, verliess die meisten an Bord des Schiffes jeglicher Mut.

Plötzlich schien der Raum hinter ihnen förmlich zu explodieren, als sich Schiffe der Mufrggh, die fast wie aus dem Nichts auftauchten, auf die schattenhaften Verfolger warfen.

Der Kurator 4 Duwuthrounu 5 Foederation 6 Konversion

Подняться наверх