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8 Kurt Marti
ОглавлениеKurt Marti (1921–2017) besucht mit Friedrich Dürrenmatt das Freie Gymnasium Bern. Der Sohn eines Notars folgt zunächst dem Weg des Vaters und studiert zwei Semester an der juristischen Fakultät der Universität Bern, bevor er sich für ein Studium der evangelischen Theologie entscheidet. Zunächst beginnt er damit an der Universität in Bern und setzt es dann 1945 bis 1946 an der Universität Basel fort, wo sein theologisches Denken besonders von Karl Barth geprägt wird.
In den Jahren 1947 bis 1948 ist Marti ein Jahr lang Kriegsgefangenenseelsorger in Paris. Nach seinem Hochschulabschluss und der Ordination wird er Pfarrer im bernischen Rohrbach und 1949 Pfarrer in Lemiswil. 1950 heiratet er Hanni Morgenthaler, mit der er drei Söhne und eine Tochter hat. Von 1950 bis 1960 ist Marti Pfarrer in Niederlenz. In dieser Zeit beginnt er Zeitungsartikel, Gedichte und Geschichten zu schreiben, auch um, wie er mir selbst erzählte, dadurch einer Midlife-Crisis zu entgehen. Von 1961 bis 1983 ist Kurt Marti Pfarrer an der Nydeggkirche in Bern. Als aktiver Teil der deutschen Friedensbewegung engagiert er sich im Kampf gegen Atomwaffen, Atomkraftwerke und die US-Intervention in Vietnam. In dieser Zeit lernt er auch Dorothee Sölle kennen, die neben Karl Barth wohl zu den wichtigsten Menschen gehört, ihn nachhaltig beeinflussen. 1972 verweigert ihm der Regierungsrat des Kantons Bern aus politischen Gründen eine Professur für Homiletik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bern. Marti empfindet diese Ablehnung als „Auszeichnung“ sowie als Bestätigung dafür, dass sein sozialpolitisches Engagement richtig ist. In der ihm in der Folge von der Universität verliehenen Ehrendoktorwürde sieht Marti genüsslich ein Schuldeingeständnis.
Im Jahre 1991 besuche ich das Ehepaar Marti in Bern, um mit Kurt Marti in seinem Haus ein Interview für die Kärntner Kirchenzeitung zu führen. Die Herzlichkeit, mit der ich dort aufgenommen werde, überwältigt mich. Unser Interview ist schnell erledigt, das daran anschließende persönliche Gespräch dauert bis spät in den Abend hinein. Kurt Marti erzählt mir von der Zeit, in der er so alt war, wie ich jetzt, und welche Strategien er damals gegen die Midlife-Crisis fand. Dabei wachsen mir Flügel und ich fasse mir ein Herz, diesen beiden wunderbaren Menschen über meine bisher geheimen Pläne zu erzählen, den kirchlichen Dienst in Richtung weltliche Seelsorge zu verlassen. Frau Marti fragt genau nach, lädt mich ein, genauer von meinen Plänen und den damit verbundenen Ängsten zu reden, um mir dann zu sagen: „Nur Mut, es kann Ihnen nichts passieren! Vor Ihnen liegt ein wunderbarer Weg!“ Sie sollte recht behalten.
Kurt Martis vielleicht bekanntestes Buch sind seine „Leichenreden“ – „Nekrologe jenseits aller Abdankungsrhetorik“, wie Manfred Papst im Vorspann schreibt. Papst ist davon überzeugt, dass bei der Lektüre nicht nur ein lügengeplagter Pfarrer, sondern auch eine an offenen Gräbern immer noch zu findende lügengeplagte Sprache aufatmen könne. Ein solches Aufatmen kann auf Verlegenheitsfloskeln verzichten, die sich am offenen Grab in allzu billiges Trösten flüchten:
dem herrn unserem gott
hat es ganz und gar nicht gefallen
dass einige von euch dachten
es habe ihm solches gefallen
im namen dessen der tote erweckte
im namen des toten der auferstand:
wir protestieren gegen den tod … 4