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1 Franz Turbing

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Wenn ich im kleinen Kirchlein meiner Kindheit in Altersberg stehe, gilt mein Besuch immer noch vor allem meinem ersten Heimatpfarrer. Ein scheuer Mann mit leiser Stimme, gütig und anspruchslos. Ich erinnere mich, wie ich am Sonntag immer gespannt auf das Klingelzeichen von der Sakristei her warte. Erst mit diesem Klang und dem Erscheinen des Pfarrers wird es lebendig und spannend im Raum. Was er sagt, verstehe ich zwar nicht, aber ich fühle mich verstanden, daheim und geborgen, mehr als in meinem Elternhaus. Wenn er uns dort besucht, schlägt mir vor Freude das Herz bis zum Hals. Mein Vater sucht das Weite. Meine Mutter deckt den Tisch zur Bewirtung. Wenn sie mit ihm spricht, liegt in ihrer Stimme ein angenehmer Ton, den ich so aus ihren Gesprächen mit unserem Vater nicht kenne. Franz Turbing (1899–1962) ist ein guter Zuhörer. Für meine Mutter immer wieder eine Klagemauer. Der Pfarrer meiner kleinen Kinderseele ist mir so im besten Sinn des Wortes als „Seelsorger“ in Erinnerung. Warum er aus Deutschland nach Kärnten gekommen ist, vermag niemand zu sagen. „Dem hochwürdigen Herrn“ persönliche Fragen zu stellen, ist damals wohl niemandem eingefallen. Französisch, Englisch und Italienisch beherrscht er „schulmäßig“, wie es im Personalbogen der Diözese Gurk-Klagenfurt heißt. Er wird ähnliche Anstrengungen wie beim Erlernen einer Fremdsprache gebraucht haben, um sich als Saarländer im Dialekt und in der Mentalität der Oberkärntner Bauern zurechtzufinden.

In meinem dritten Lebensjahr, an einem Sonntag in der Kirche in Altersberg, taucht zum ersten Mal der Wunsch auf, „Pfarrer“ zu werden; in einem günstigen Moment der Stille während des Gottesdienstes teile ich diesen meinen Wunsch für alle gut hörbar meiner Mutter mit. So einer wie er will ich werden. Einer, der am Sonntag die Menschen in „seiner“ Kirche versammelt, mit ihnen betet und singt, bei Hausbesuchen allein durch sein Auftauchen Atmosphäre verwandelt und beim Gespräch eher zuhört, selten und wenn schon, dann kurze Fragen stellt und zum Schluss fürstlich bewirtet wird. Die Faszination, die von ihm und seinem Wesen ausging, spüre ich heute noch. Jedenfalls war sie groß genug, um mich studieren und Seelsorger werden zu lassen. Und als mir im Oktober 1996 mit einem Schreiben des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit mitgeteilt wird, dass ich als Psychotherapeut in die Psychotherapeutenliste eingetragen und somit zur selbstständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt bin, feiere ich diesen Moment mit meiner mit mir inzwischen verheirateten Frau mit einem Festessen im besten Restaurant des Bezirks. Im Grunde ist nämlich erst mit diesem Schritt der Traum eines Dreijährigen in Erfüllung gegangen.

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