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14 Du bist ein Himmelskind

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Der griechische Philosoph Epikur (um 341–270/271 v. Chr) rät seinen Schülern, sich um den Tod nicht zu kümmern, weil er sie schlicht nichts anginge. In seiner Schrift „Von der Überwindung der Angst“ sagt er sinngemäß, dass der Tod uns nichts anginge. Da alles Gute und Schlechte auf der Wahrnehmung beruhe, der Tod aber der Verlust der Wahrnehmung bedeute, hätte uns der Tod als Lebende nicht zu bekümmern. Im Leben, so Epikur, gäbe es nichts Furchtbares für den, der in rechter Weise begriffen hätte, dass es im Nichtleben nichts Furchtbares gibt. „Denn was uns, wenn es da ist, nicht belästigt, das kann, wenn es bloß erwartet wird, nur eingebildete Qualen bereiten. Das Schauerlichste aller Übel also, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht mehr da. Er geht also weder die Lebenden an noch die Verstorbenen: denn die einen geht er nichts an, die anderen sind nicht mehr.“6

Mich in diesem Sinne um den Tod nicht zu kümmern, kann mir nur dann gelingen, wenn ich den Tod vom Menschen abstrahiere und dabei so tue, als wäre er nicht ein Teil von mir. Wenn ich aber, wie Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht „O HERR, gib jedem seinen eignen Tod“, den Tod als „Frucht, um die sich alles dreht“7, sehe, dann kann mich Epikur nicht beruhigen oder ermutigen geschweige denn trösten. Trost, Ermutigung, tiefe innere Berührung sind mir in vielen Erfahrungen meines Lebens ausgerechnet an Sterbebetten geschenkt worden.

Einmal, als Belinda, meine Ministrantin, mich in Klein St. Paul nach der Abendmesse ins Haus ihres sterbenden Opas begleitet. Mit in sein Zimmer gehen wollte sie nicht. Schlussendlich beten wir dann aber doch mit der ganzen Familie versammelt um den schon seit Tagen im Koma liegenden Großvater. Beim „Vaterunser“ bewegt er plötzlich seine Lippen und betet mit. Und nach dem Beten haucht er für uns alle hörbar sein Leben aus. Die achtjährige Belinda schaut mich an und sagt dann: „Jetzt habe ich keine Angst mehr vor dem Sterben!“ Ein anderes Mal stehe ich am Sterbebett von Gittli, die seit Tagen nur mehr schläft und auf den Tod wartet. Sanft rüttle ich sie wach, sie schlägt die Augen auf, erkennt mich, lächelt und sagt zu mir: „Arnold, mich holt gerade der Teufel!“ – „Aber Gittli“, antworte ich ihr, „das ist unmöglich! Du bist ein Himmelskind!“ Sie lächelt mich an und schläft wieder ein. Ein paar Stunden später stirbt sie. Diese letzte Begegnung mit ihr bleibt in meinem Herzen als ein unendlich sanfter Augenblick, den ich seither als stilles Glück in mir trage. Seither weiß ich viel mehr vom Glück, zur rechten Zeit am richtigen Ort beim richtigen Menschen zu sein!

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