Читать книгу Wer die Heimat liebt wie du - Artur Brausewetter - Страница 17

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Auf die stürmischen Tage folgten um so schönere. Mit weitausgebreiteten Fittichen lag die Sonne auf dem Meer und liess ihre blinkenden Lichter auf seinem Rücken in übermütigem Spiel sich haschen und greifen.

Dann kam die grosse Hitze. Sie durchglühte den Strand, dass er wie Feuer unter den Füssen brannte, sie drang in die leichtgebauten Häuser und nistete sich in ihnen fest, dass selbst die Nächte bei offenem Fenster keine Kühlung brachten. In jede Pore drang sie, aus jedem Stein dampfte sie, jedes Blatt schwellte sie. Wie eine Stahlplatte lag das Meer, ganz unbeweglich, als wäre es gar kein Wasser mehr, und in einem so tiefen Blau, dass der wolkenlose Himmel dagegen von einer fast bleichen Klarheit erschien. In den silberschimmernden Streifen, die durch das dunkle Blau sich zogen, tauchten ab und zu Segelboote auf und standen fest und starr. In der Grenzlinie aber zwischen See und Himmel fuhr ein Schiff, den Rauch in einer langen, kerzengeraden Linie hinter sich lassend, so schattenhaft seine Bahn, dass man meinte, der fliegende Holländer glitte durch das gespensterstille Wasser.

Nun war auch das Leben in Zoppot eingekehrt. Im „Seestern“ war für Wochen jedes Zimmer vorausbestellt. Eine Gesellschaft aus aller Herren Ländern hatte sich dort eingefunden: zu den Deutschen, die in der Mehrzahl waren, nicht nur Polen und Russen, sondern auch Franzosen und Engländer; denn die Sportwoche, das grosse Ereignis des Sommers, stand vor der Tür.

Monsieur Guerard sass jetzt bei jeder Mahlzeit an der Seite seiner überschlanken, anmutigen Gattin, hatte aber immer noch Augen und Worte für die hübsche Nuscha, die den Platz ihnen gegenüber eingenommen hatte. Und an Hans’ Tafel waren zwei Engländer und eine strohblonde Miss, die Schwester des einen, gesetzt, die ebenfalls zur Sportwoche gekommen waren und von nichts anderm sprachen, als vom Tennis, in dem sie Meister waren. Er mied sie. Er hatte diese Nation nie geliebt und war ihr auf allen seinen Reisen mit Beflissenheit aus dem Wege gegangen. So blieb er mehr denn je für sich allein.

Aber Nuscha sah er doch öfter, auch ausserhalb des Hauses. Eigentlich war sie überall: im Kurhaus, bei den Konzerten, wo sie am liebsten im dichtesten Menschenstrom sich bewegte, auf dem Seesteg, wo ihr Gesicht mit den lebhaften, unruhigen Augen suchend und prüfend über die Vorbeiwandelnden dahinglitt.

Aber auch auf seinen einsamen Wanderungen traf er sie. Sie sass dann auf irgendeiner verborgenen Stelle in der Düne oder am Strande und hatte ein längliches Heft auf dem Schoss, in das sie mit einem grossen Stift Einzeichnungen machte. Einmal überraschte er sie, indem er unbemerkt von hinten an sie herantrat. Da schloss sie schnell das Heft.

„Sind Sie Dichterin oder Malerin?“ fragte er.

„Keins von beiden, dazu bin ich viel zu prosaisch. Aber dann und wann schreibe ich einen Gedanken auf, der mir gerade kommt. Oder ich mache mir eine kleine Skizze von der Umgebung. Man lernt es bald, wenn man so viel reist.“

„Darf ich nicht einmal sehen? Oder lesen Sie mir vielleicht etwas vor?“

„Es würde vor Ihrer Kritik nicht bestehen,“ gab sie kurz zurück und legte das Heft in die schwarze Aktenmappe, die sie auf ihren Vormittagswanderungen mit sich führte.

Sie gingen zusammen heimwärts. Es war wieder heiss, beinah bis zur Unerträglichkeit; mit unbarmherziger Glut prallte die Sonne auf den Strand. Sie hatten den schattigen Weg an der grossen Strasse gewählt. Nuscha plauderte in ihrer alten Art, aber nicht mehr so persönlich wie früher, von sich selber sprach sie fast gar nicht, überhaupt war sie seit jenem Abend oben auf der Klippe von Adlerhorst zurückhaltender ihm gegenüber geworden.

Hinter ihnen ertönte ein schmetterndes Signal, die Hupe eines Autos, aber anders, als sie sonst die Kraftwagen führen. Nuscha brach mitten im Worte ab, stürzte hart an die Strasse und blieb dort stehen.

In verhältnismässig langsamer Fahrt kam der Kraftwagen, der halb geschlossen war, vorbei. Hans erkannte die Umrisse einer schlanken Frauengestalt, die mit mehreren andern Damen im Inneren sass.

„Die Kronprinzessin! Endlich habe ich sie gesehen! Und wie freundlich sie mich wiedergrüsste und mich ansah!“ rief Nuscha zurückkehrend, und ihr ganzes Gesicht strahlte.

Wer die Heimat liebt wie du

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