Читать книгу Wer die Heimat liebt wie du - Artur Brausewetter - Страница 20

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Endlich klärte sich das Wetter auf. Noch niemals in seinem Leben glaubte Hans ein so blaues Meer, einen so wolkenlosen Himmel gesehen zu haben. Voller Inbrunst sog er die balsamische Luft und wanderte seine altgeliebten Spaziergänge über die Strandpromenade oder hinein in den herrlichen Wald. Nuscha und ihren geheimnisvollen Begleiter traf er auch jetzt fast niemals draussen. Des Vormittags blieben sie zu Hause, sassen stundenlang in einem verborgenen Winkel des grossen Schreibsaals, lasen und schrieben Briefe, ohne miteinander zu sprechen. Nur einmal bemerkte er, dass sie dem Russen einen Brief überreichte, den sie gerade fertig gemacht, dass dieser ihn sehr eifrig durchlas, einige Verbesserungen in ihm machte, ihn ihr dann zurückgab, und dass sie nun längere Zeit miteinander leise verhandelten, wobei er ganz ruhig war, sie aber lebhaft, beinah leidenschaftlich auf ihn einsprach.

Bald nach dem Essen gingen sie aus dem „Seestern“, immer allein, nur selten sah man einen Fremden an ihrer Seite, dessen auffallende Kleidung die fremde Nationalität anzeigte. Sie kamen nie weiter als bis zum Kurhaus; aber auch dort sah man sie weder beim Konzert noch auf dem Stege. Einige wollten wissen, dass sie zu einem Klub vornehmer Russen gehörten, der sich in einem vorbehaltenen Zimmer zum Kaffee träfe, andre machten eine geheimnisvolle Miene und deuteten an, dass man dort verborgen Hasard spielte.

Es war an einem späten Abend, die Klänge der Kurkapelle waren eben verrauscht, Hans hatte ihnen von einem stillen Platz im Garten des „Seestern“ zugehört; er liebte die Musik, die aus der Ferne wie auf geheimnisvollen Schwingen herüberkam, die in der Nähe gab ihm weniger.

Er war auf sein Zimmer gegangen und wollte gerade die Laden schliessen, da sah er aus einer Wolke den Mond emporsteigen; es war nicht mehr seine volle Scheibe, er war bereits im Abnehmen. Aber sein Licht war stark und weithinleuchtend genug, das ganze Meer in seinen silbernen, bläulichen Dunst zu hüllen. Ein dünnes Gewölk zog über seine abgeplattete Scheibe, und durch sie blickte er nun hindurch, bald milchweiss, bald blassgrün schimmernd, webende Schleier über die stille Wasserfläche spinnend. Wie ein undurchdringliches Geheimnis lag die Welt da, voll stiller Ahnung und feiernder Grösse. In weichen Linien verschwimmend dehnte sich die Küste mit ihren vorspringenden Bergen, ihren tiefen, dunklen Buchten und dem Kranz der Wälder.

Es hielt ihn nicht auf seinem Zimmer, er tat den Mantel um, ging leise die Treppe herunter und trat ins Freie. Es wäre Sünde, diese Nacht zu verschlafen.

Freilich, er schien der einzige, dem ein so abenteuerlicher Gedanke gekommen. In tiefes Dunkel gehüllt lag das grosse Haus, nur in den Zimmern im ersten Stockwerk, die der Russe für sich und seine Begleitung gewählt, sah er durch die Spalten der festgeschlossenen Fensterladen Licht schimmern. Er erbat sich von dem Pförtner, der gerade die Kleider und Stiefel der Gäste auf der Diele zusammengestellt hatte, den Haustürschlüssel und begab sich auf die Wanderung, die Südpromenade herauf, über den Seesteg zur Nordpromenade, dann weiter an den einsamen Strand den Weg nach Adlershorst entlang. In einer kleinen Waldung, oberhalb des Strandes, durch die er damals mit Nuscha in tobendem Sturm gegangen, weilte er längere Zeit. Heute war alles tiefe Stille, nichts zu vernehmen als das träumende Branden des Meeres unter ihm, das dumpfe Rauschen der Fichten und dann und wann der Schrei eines Nachtvogels.

Er konnte sich nicht losreissen, so wunderbar sprach diese nächtliche monddurchflutete Einsamkeit zu seiner empfänglichen Seele. In seinen Mantel gehüllt, sass er wohl fast eine halbe Stunde auf einem gefällten Baumstamme.

Als er den Rückweg antrat, war der Mond vom Himmel verschwunden, ein matter, blassheller Streifen kündete bereits die beginnende Dämmerung an. Ohne Aufenthalt begab er sich sich nach Hause. In dunkles Grau getaucht lag der „Seestern“ vor ihm. Aber aus den Zimmern im ersten Stockwerk quoll durch die geschlossenen Laden noch immer das Licht. Was konnten die beiden da oben noch haben? Immer mehr verdichteten sich die Rätsel, die sie umgaben.

Aber er dachte ihnen nicht lange nach, er war todmüde geworden, zog sich auf seiner Stube schnell aus und schlief am nächsten Morgen bis in den hellen Sonntag hinein.

Wer die Heimat liebt wie du

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