Читать книгу Wer die Heimat liebt wie du - Artur Brausewetter - Страница 8

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Es waren noch zwei andre Geistliche zur Probepredigt nach Rodenburg geladen, die gleichfalls gefielen. Aber der erste Bürgermeister trat mit Entschiedenheit für die Wahl von Hans Warsow ein, und da er einen Einfluss in der Stadt hatte wie nie ein andrer vor ihm, so wurde diese mit ziemlicher Einstimmigkeit vollzogen.

Nun hatte Hans Warsow sein Ziel erreicht, er hatte ein grosses Pfarramt inmitten einer blühenden Stadt, die im Herzen seiner geliebten Heimat lag, er konnte wirken und schaffen.

Und er tat es. Leicht war seine Tätigkeit nicht. Sein Vorgänger, ein älterer, kränklicher Herr, hatte den grössten Teil der Arbeit dem jüngeren Amtsbruder überlassen, und Diakonus Brettschneider hatte sich ein reiches Feld in der Gemeinde geschaffen. Aber Hans Warsow hatte eins vor allen seinen Amtsbrüdern voraus: seine Predigten übten eine starke Anziehungskraft, der Kirchenbesuch stieg. Leute, die sonst nie in der Kirche zu sehen gewesen, stellten sich jetzt ein, man sprach von seinen Predigten, was in Rodenburg bisher nie geschehen war.

Aber das alles, so schön es sich anliess, dauerte nur eine kurze Zeit. Die Teilnahme an seinen Predigten hörte zwar nicht auf, verlor jedoch ihre Lebendigkeit, als der Reiz der Neuheit dahin und seine Tätigkeit etwas Gewohntes war. Da seinem Wesen zudem jenes Gleichgewicht abging, das sich weder durch Zudringlichkeit noch durch Überspanntheit von manchen seiner weiblichen Schutzbefohlenen aus der Fassung bringen liess, da er als Denker zu oft mit allerlei Fragen und Erwägungen beschäftigt war, um jedem Besucher, jedem seiner Gemeindeglieder auf der Strasse gleich mit jener fertigen Liebenswürdigkeit und Anteilnahme entgegenzukommen, die man nun einmal von „seinem“ Geistlichen verlangte, so hielt sich das allgemeine Interesse, das er im Anfang erregt hatte, nicht auf seinem Höhepunkt.

„Gewiss, klug ist er, und was er sagt, ist schön,“ meinte eine Dame der besseren Kreise, die ihm zuerst mit begeisterter Hand Pforten gebaut, „aber ich kann mir nicht helfen, Herr Brettschneider ist so sehr viel netter, es kommt alles so herzlicher und so liebevoller bei ihm heraus.“

„Er ist ein bisschen von sich eingenommen. Das sind die geistvollen Leute immer,“ äusserte eine andre, mit der er sich gelegentlich einer Tauffeier sehr anregend unterhalten, die er aber bei einer späteren Gelegenheit nicht wiedererkannt und infolgedessen wenig beachtet hatte.

„Predigen kann hei, aber trösten kann hei nich!“ sagte eine einfachere alte Frau, die es dem neuen Pfarrer übelgenommen hatte, dass er nach einem halbstündigen Vorklagen ihrer sämtlichen Leiden der Reihe nach nicht mehr ganz bei der Sache war. Bei der Menge wirkt ein liebenswürdiges Wesen bei weitem mehr als geistige Vorzüge; diese schliessen aus, jenes zieht an. Hans Warsow war noch harmlos genug, zu glauben, dass es im Leben zuerst auf das ernste Wollen und die Kraft des Könnens ankomme. Die Leute wollen gestreichelt sein, warm muss der Blick sein und weich die Hand, die sie berührt. Und Hans Warsows Blick war nicht immer warm, und nicht immer weich die Hand, die er reichte.

Bei alledem durfte er sich nicht beklagen: ein sehr grosser Teil, nicht nur der Nikolaigemeinde, sondern der ganzen Stadt, hielt unentwegt zu ihm. Er zog seine Predigten jeder andern vor, er suchte ihn für ihre Amtshandlungen. Er bemühte sich, in einen persönlichen und gesellschaftlichen Verkehr mit ihm zu kommen. Dies war freilich nicht leicht, denn am Tage arbeitete er in der Gemeinde, und seine Abende waren geistigen Studien gewidmet, die er keineswegs vernachlässigte, oder er war mit der Vorbereitung für die zweite Auflage seines Werkes über Ostpreussen beschäftigt, das einen wachsenden Anklang in der Provinz, ja über sie hinaus gefunden hatte.

Wer die Heimat liebt wie du

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