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Kapitel 8

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Die nächsten zwei Jahre vergingen mir wie im Fluge. Ich hatte oft Dienst im Hospital, wo ich sehr viel über Pflege und Behandlung der Kranken lernte, im Kräutergarten und der Kräuterkammer, wo ich mein Wissen um die Heilkunde erweiterte. Ich erfuhr, dass sich der Orden dabei an den Lehren der Hildegard von Bingen, einer Benediktinerin, die schon längst verstorben war, orientierte, und diese ständig zu verbessern und erweitern suchte.

Ich lernte, dass ein Medicus meistens kein Ordensangehöriger, also auch nicht den strengen Regeln des Ordens unterworfen war, sich selten in der Kräuterkunde auskannte, sondern eher Wunden zusammenflickte, Zähne zog, Amputationen vornahm. Er übte ein ziemlich blutiges Handwerk aus . Der Medicus in der hiesigen Ballei war an der Kräuterkunde auch gar nicht interessiert, er hielt das alles für Humbug und war mir daher auch nicht besonders wohlgesonnen. Ich hielt mich, so gut es ging, von ihm fern.

Immerhin respektierte er die Regeln der Sauberkeit des Ordens, die Behandlung der Kranken entsprechend vornehmend, was, soweit ich erfahren konnte, bei anderen Ärzten eher nebensächlich war.

Für die religiösen Angelegenheiten des Ordens und die Vervielfältigungen von Büchern und Texten waren die Kaplane zuständig, die sich weder der Krankenpflege noch dem Kriegshandwerk widmeten, sondern sich ausschließlich um die geistigen Belange des Ordens kümmerten.

Aufreibende Waffenübungen, zu Fuß und zu Pferde und lange Unterrichtstunden über die Hierarchie und die mit den unterschiedlichen Ämtern verbundenen Aufgaben des Ordens kamen für mich hinzu.

Heute erkenne ich, welche Sorgfalt der gute Komtur Wennengut meiner Ausbildung angedeihen ließ. Die meisten Ritter kamen erst zum Orden, wenn sie schon älter als ich damals waren- und Heilkundige waren sie alle nicht.

Sie waren jedoch sehr geschult im Kampf und das schien ihr eigentlicher Lebenszweck zu sein: für den Orden zu kämpfen.

Wie schlecht sollte ich dem Komtur seine Mühen um meine Ausbildung zum Ritter eines Tages danken! Dieser Gedanke beschämt mich auch heute noch zutiefst, wenngleich ich aber mein späteres Handeln weder bedauere noch bereue.

Unser Großmeister Guillaume de Villaret verstarb und sein Bruder Fulco oder auch Foulques de Villaret war vom Generalkapitel des Ordens zum Nachfolger bestimmt worden. Er übernahm das höchste Amt. Er war an die Statuten des Ordens gebunden, traf aber letztendlich alle Entscheidungen im Orden. Nur wenn es um neue Gebietsansprüche des Ordens ging, bedurfte er der Zustimmung des Papstes.

Es kam schließlich der Tag, an dem der Komtur mich als Ritter in den Orden aufnahm. Er ließ mir nach einem Gottesdienst und meinem öffentlich zu gebenden Schwur auf die Statuten des Ordens vor allen anwesenden Ordens-angehörigen das schwarze Gewand überreichen, das schwere Ringpanzerhemd, das rote Gewand. Er stattete mich auch sonst vollständig als Ritter des Ordens des heiligen Johannes aus.

Meine Mitbrüder schlugen mit ihren Schwertern mit der Breitseite zur Begrüßung dreimal auf Holz und ich nahm demütig, aber auch ein wenig stolz, die Gaben und Anerkennung in Empfang. Ich würde mein Leben von nun an als Ritter dem Orden widmen und nahm mir vor, jede Aufgabe, die man mir stellen möge, mit Inbrunst und Eifer zu erfüllen.

Nach der für mich denkwürdigen Zeremonie bat mich Komtur Wennengut in seine Studierstube, wo schon Bruder Wilhelm auf uns wartete. Ich war ihm schon hin und wieder begegnet, wir hatten jedoch noch nie wirklich Notiz voneinander genommen.

Komtur Wennengut betrachtete uns nachdenklich. Dann nickte er entschlossen.

„Liebe Brüder, es ist soweit. Über alles, was ihr gleich erfahren werdet, müsst ihr strengstes Stillschweigen bewahren. Schwört das bei eurem Leben!“

Wir leisteten den Schwur bei unserem Leben und allem, was uns heilig war.

„Brüder, ihr müsst schon morgen aufbrechen. Leider kann ich euch eine beschwerliche Reise im Winter über das Alpengebirge nach Genua nicht ersparen. Ihr müsst spätestens im März dort ankommen. Ihr meldet euch in dem Kontor eines gewissen Vignolo di Vignoli, der euch so schnell als möglich nach Limassol einschiffen wird. Alles Weitere wird er oder sein Stellvertreter euch auf der Überfahrt mitteilen. Es ist besser, ihr wisst jetzt noch nicht zu viel, nur so viel, dass man bis zum 20. März dort auf euch warten wird. Danach ist es zu spät und das wäre für den Orden sehr zum Nachteil. Setzt alles daran, pünktlich zu sein. Eine Eskorte wird euch bis nach Genua begleiten. Ihr zwei haltet euch soweit als möglich aus allen Kämpfen heraus, wenn es soweit auf eurer langen Reise kommen sollte. Ihr müsst unbedingt sicher und rechtzeitig nach Genua gelangen.“

Mit diesen Worten überreichte er uns eine Truhe, die Goldstücke und verschiedene versiegelte Dokumente enthielt, sowie eine weitere Kiste, die mit allen hiesigen Heilkräutern und sauberem Verbandszeug versehen war. Sie beinhaltete auch zwei scharfe kleine Messer, mit denen man Furunkel oder Geschwüre aufschneiden konnte, so, wie ich es bei dem hiesigen Medicus gelernt hatte. Außerdem übergab er uns eine Schatulle mit der Reisekasse.

„Die Truhe mit den Schriftstücken dürft ihr nur dem Großmeister Foulques de Villaret oder seinem Großkomtur auf Limassol aushändigen. Hütet sie gut! Niemandem sonst darf sie in die Hände fallen. Ritter Wilhelm, ihr seid persönlich dafür verantwortlich, dass Ritter Hans wohlbehalten auf Limassol ankommt. Verteidigt ihn notfalls mit eurem Leben. Gute Reise und auf Wiedersehen!“

Mit diesen Worten umarmte und entließ uns Komtur Wennengut.

Bruder Wilhelm und ich sollten ihn leider nie wiedersehen.

Unsere Reise führte uns durch viele Grafschaften, Fürstentümer, sogar Königreiche, immer mehr oder weniger nach Süden. Noch nie war ich so weit gereist und mit Staunen nahm ich die unterschiedlichsten Landschaften wahr. Mindestens ebenso vielfältig waren ihre Bewohner in ihren farbenfrohen unterschiedlichen Trachten, die sie zu besonderen Festen anlegten.

Ritter Wilhelm erfüllte seine Aufgabe, die ihm der Komtur aufgetragen hatte, getreu. Nie wich er von meiner Seite. Er war wohl so eine Art Leibwache für mich. Mir war nicht ganz klar, warum ich eine solche benötigte, aber ich beschloss zunächst, nicht weiter nachzuforschen.

Noch ganz am Anfang unserer Reise machten wir in einem Mittelgebirge namens Hart in einem Zisterzienserkloster in Walkenried Rast. Dort traf ich auf einen Klosterbruder, der mich die Herstellung eines besonderen Balsams aus dem Öl der Nadeln von Fichten lehrte, gut gegen Husten und Halskatharr, wie er mir versicherte. Ebenso lehrte er mich ein bitteres Gebräu aus Weidenrinde und anderen Zutaten, welches Schmerzen besonders gut lindern sollte. Die Wirkung von Weidenrindentee war mir bekannt, doch die Mixtur mit anderen Zutaten war mir neu. Dankbar nahm ich sein Angebot an, mich mit getrockneter Weidenrinde, dem Öl aus Fichtennadeln und den anderen nötigen Pflanzen auszustatten. Dafür entschädigte ich ihn aus der Reisekasse: Geld, welches er hoch erfreut annahm.

Immer, wenn sich die Gelegenheit bot, sammelte oder tauschte ich Heilkräuter ein.

So füllte sich nach und nach meine Kräutertruhe, was ich mit tiefer Befriedigung zur Kenntnis nahm, wenn ich an die vor mir liegenden Aufgaben dachte.

Öfter als einmal waren Bruder Wilhelm und ich Komtur Wennengut dankbar, dass er uns so vorausschauend eine Eskorte mitgegeben hatte, denn die Truhen, die wir mit uns führten, weckten häufig die Begehrlichkeiten von Diebesgesindel. Wenn es uns auch immer in den Fingern juckte, dieser Plage aller Reisenden tüchtig heimzuleuchten, hielten wir uns doch an die Worte des Komturs und behüteten die Truhen getreulich vor Diebstahl. Den Rest übernahm stets unsere Eskorte.

Gut, dass ich meine Kräuterkiste dabei hatte, so konnte ich die Verletzungen meiner Brüder aus der Eskorte schnell lindern und heilen. Und tatsächlich, das Weidenrindengebräu aus Walkenried schmeckte zwar fürchterlich, war dafür aber sehr wirksam, nicht nur bei Fieber, sondern auch bei Schmerzen aller anderen Art.

Eines Abends fragte ich Bruder Wilhelm, warum der Komtur der Meinung war, dass er als mein Leibwächter fungieren sollte und warum ich überhaupt einen benötigte.

Bruder Wilhelm zuckte jedoch nur mit den Schultern und entgegnete mir:

„Bruder Hans, der Komtur hat mir aufgegeben, euch und die Truhen sicher nach Limassol zu bringen. Ihr seid ein Heiler und ein Ritter, darauf scheint es anzukommen. Mehr weiß ich auch nicht.“

„Bruder Wilhelm, dann danke ich einstweilen für eure Fürsorge.“

Ich beschloss, nicht weiter in ihn zu dringen, obwohl er sicherlich mehr wusste, als zu sagen er bereit war. Außerdem war ich müde, meine Gliedmaßen waren eiskalt, unsere Unterkunft ebenso, und so wickelten wir uns in die verwanzten Decken, die man uns zur Verfügung gestellt hatte.

Wie beschwerlich und gefahrvoll eine Überquerung der Alpen im Winter doch war! Wir benutzten unter anderen einen langen und schwierig zu bewältigenden Pass, per alpes Noricas genannt, der uns quer durch einen Teil des eindrucksvollen Hochgebirges mit seinen atemberaubenden Gipfeln, schroffen Abgründen und weiten Ausblicken führte. Mehr als einmal waren wir dicht daran, auf den verschneiten und vereisten Pfaden auszurutschen und abzugleiten oder an den steilen Abhängen unsere wertvolle Fracht zu verlieren. Des Nachts wärmten wir uns, wenn möglich, an einem kleinen Feuer. Konnten wir kein Brennholz finden, rückten wir unter unseren Decken eng zusammen, um uns die gegenseitige Körperwärme zu spenden.

Mehr als einmal erwachten wir mit fast steif gefrorenen Gliedern und nur unsere Aufgabe, die Komtur Wennengut uns gestellt hatte, trieb uns unter Flüchen, unsere Arme und Beine heftig schlenkernd, damit die Blutzirkulation wieder in Gang kommen sollte, weiter an.

Endlich hatten wir das Hochgebirge durchquert, und wir kamen an dem südlichen Rand der Alpen an. Ein Hauch von Frühling wehte uns entgegen. Wir waren dankbar für jede frische oder getrocknete Frucht, jedes junge, grünes Gemüse, welches wir bekommen konnten. Wir waren erschöpft und nur der Gedanke, dass wir spätestens am 20. März in Genua ankommen mussten, verlieh uns den Willen, weiter zu reisen.

Es ging weiter nach Südwesten und je weiter wir gen Süden kamen, desto wärmer wurde es. Um diese Jahreszeit ist es in der Heimat fast nie so warm, so dass wir unter unseren Umhängen und Ringpanzerhemden tagsüber zuweilen recht schwitzten. Nachts blieb es jedoch kalt, zwar nicht so entsetzlich, wie in den Höhen der Alpen, aber kalt genug, um ein abendliches Kaminfeuer zu schätzen, an dem wir unsere müden Knochen erwärmen und unsere von langen Tagesmärschen versteiften Glieder entspannen konnten.

Schließlich erreichten wir am 16. März 1306 Genua, wo wir uns mit Hilfe der Eskorte den Weg zum Kontor des Signore Vignolo di Vignoli durch den großen, geschäftigen und bunten Hafen bahnen mussten.

Zum ersten Mal sah ich eine Hafenstadt und das Meer, Mare Nostrum, wie die Römer es nannten. Staunend betrachtete ich die Fischstände, die Obst- und Gemüseauslagen, die so ganz andere Waren feilboten als alles, was ich bisher gesehen hatte. Welch eine Vielfalt der unterschiedlichsten Angebote, Früchte und Gemüse, von denen ich viele nicht kannte. Fische, deren bunte Farben der Schuppen in der Sonne blinkten, zeugten von einem Fang, der gerade erst aus dem salzigen Wasser des Meeres gezogen worden war.

Die Wellen schaukelten die Schiffe sanft und verursachten ein Rauschen, wie ich es noch nie vernommen hatte. Am Horizont sah man nichts als Wasser, so etwas Überwältigendes hatte ich noch nie erblickt. Und auf diese nicht enden wollende, schaukelnde Fläche sollten Bruder Wilhelm und ich uns hinauswagen? Etwas beklommen war mir doch zumute und nach Bruder Wilhelms skeptischer Miene zu schließen, ging es ihm nicht anders.

Der Stellvertreter von Signore di Vignoli nahm uns höchstpersönlich in Empfang, hocherfreut über unser rechtzeitiges Eintreffen. Er erklärte uns, dass Signore di Vignoli schon vorausgereist sei und bedeutete uns, dass wir uns schon in zwei Tagen einschiffen würden. Er wies uns eine Unterkunft zu und mahnte uns zur Erholung von der langen Reise, denn der vor uns liegende Abschnitt unserer Reise nach Limassol würde gefahrvoll sein, da die Stürme über dem Mittelmeer um diese Jahreszeit immer noch heftig sein könnten. Auch sollte es von angriffslustigen und beutegierigen Piraten nur so wimmeln. Mit dem Verspechen, uns mehr über den Zweck der gemeinsamen Weiterreise an Bord seiner Galeere zu berichten, entließ er uns.


Ritter und Rosen auf Rhodos

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