Читать книгу Ritter und Rosen auf Rhodos - Barbara Nguyen Van - Страница 15

Kapitel 12

Оглавление

Wenn wir gedacht hatten, dass uns die Rhodier als Christen, von den Osmanen bedroht, willkommen hießen, hatten wir uns gründlich getäuscht. Nicht ganz zu Unrecht sahen sie auch in uns Besatzer ihrer Heimatinsel, die es zu vertreiben galt.

Ein Angriff auf die Stadt Rhodos war gescheitert, denn die Einfahrt in den Hafen war schmal und leicht zu verteidigen. Unsere kleine Flotte war nicht stark genug, um dem vehementen Widerstand der Rhodier hier ernsthaft etwas entgegen setzen zu können.

So sahen wir uns gezwungen, die Stadt vom Hinterland aus einzunehmen und landeten in einer Bucht bei der später von uns befestigten Burg Feraklos nahe Lindos.

Auch hier hatten wir es nicht einfach, auf der Insel Fuß zu fassen. Es dauerte drei Tage, bis wir eine sichere Ausgangsposition für die weitere Eroberung der Insel für uns erkämpft hatten.

Hier wurde ich zum ersten Mal in meinem Leben direkt in einen Kampf mit dem Feind verwickelt.

Nach der Anlandung auf Rhodos wurde unser Lazarett, welches der Medicus und ich behelfsweise eingerichtet hatten, unerwartet attackiert. Einheimische hatten sich vereint, um uns zu vertreiben.

Bruder Wilhelm war in der Verteidigung des Lazaretts begriffen und konnte weder den Medicus, noch mich schützen.

Endlich konnte ich mich selbst im Kampf beweisen! Das so lange von mir herbeigesehnte Ereignis war gekommen.

Beherzt ergriff ich mein Schwert. Für den Kampf war ich als Ritter schließlich auch ausgebildet worden.

Mit grimmiger Entschlossenheit stürzte ich mich in das wilde Kampfgetümmel, Schwertstreiche austeilend, den Gegnern so viel als möglich Schaden zufügend, den Medicus und unser Lazarett beschützend.

Ich verwundete viele Gegner und zum ersten Mal in meinem Leben erfuhr ich den Blutrausch, der viele Männer im tobenden Kampf ergreift.

Ich sah nur noch den Gegner, den es zu vernichten galt, nicht mehr den Menschen dahinter und ich wollte töten, nur noch töten. Meine Sicht war dunkelrot verschleiert, meine Gedanken fokussiert auf das Töten, abschlachten, umbringen.

Nie werde ich vergessen, wie es sich anfühlt, wenn ein von eigener Hand geführtes Schwert das Fleisch des Gegners zerteilt, nur mit dem einem Ziel: Vernichtung!

Dieses Durchdringen meines Schwertes, so einfach, mit diesem wischenden Geräusch durch Haut, Fleisch und Adern des Feindes, diese Gewebe mit meinem Schwerte zu zerschneiden, manchmal von einem Knochen gehindert, manchmal denselben durchtrennend, machte mich fast wahnsinnig.

Und plötzlich war Ruhe um mich.

Ich stand noch da, mein Schwert erhoben, bereit erneut zuzuschlagen, aber da gab es keinen Feind mehr. Um mich herum waren alle Feinde niedergemetzelt, verwundet oder tot.

Langsam klärte sich mein Blick, nach und nach nahm ich wahr, was passiert war.

Überall lagen grausam verstümmelte Menschen, um Hilfe schreiend, ebenso Tote. Wie viele ich davon auf dem Gewissen hatte, vermochte ich nicht zu sagen.

Mein Gewand und meine Hände waren von dem Blut der Menschen, die ich umgebracht hatte, rot gefärbt.

Was hatte ich da nur angerichtet? Es ergriff mich ein grausames Entsetzen.

Ich sollte doch heilen, nicht töten.

Aber ich war ein Ritter, ich musste töten, töten für die Ziele des Ordens und der Christenheit. Das war auch meine Aufgabe.

Ich stützte mich auf mein Schwert und meine Augen schweiften umher.

Langsam, schwer atmend, beruhigte ich mich wieder.

Schließlich nahm ich wahr, dass der Medicus dringend nach mir rief.

Ich steckte mein Schwert in seine Scheide und trottete auf das Lazarett zu.

Ich half dem Medicus bei der Versorgung der Verwundeten, so gut ich konnte.

Des Nachts jedoch, erschöpft und verwirrt, wie ich nach meinem ersten ernsthaften Kampf war, quälten mich unerwünschte Gedanken.

Ja, ich hatte heute getötet, im Namen Gottes und des Ordens. Ich hatte alles umgesetzt, was mein Orden mich gelehrt hatte. Ich hatte die Gegner getötet, ich hatte anschließend die Wunden der Brüder und der Gegner versorgt.

Im Hintergrund jedoch nagte an mir ein Gedanke: Warum ließ unser barmherziger Gott überhaupt zu, dass ich in seinem Namen töten musste? Wenn es doch gleichzeitig durch sein eigenes Gebot verboten war, zu töten?

Ich war in jener Nacht zu ausgelaugt und müde, diese Überlegungen weiter zu verfolgen. Ich fiel in einen tiefen Schlummer.

Diese Gedanken sollten mich jedoch nie mehr ganz loslassen.

Bis zum Einbruch der kalten Jahreszeit im November gelang es uns, uns unter vielfältigen Scharmützeln bis zum Berg Filerimos durchzukämpfen, wo wir noch einmal einen heftigen Kampf ausfechten mussten, bevor wir unser Winterlager aufschlagen konnten.

Bis dahin hatte es auf unserer Seite noch keine Toten, wenn auch etliche Verletzte gegeben und der Medicus und ich hatten alle Hände voll zu tun. Ich beobachtete seine blutigen Behandlungen, während er davon angetan war, was meine Kräuter, Balsame, Tees und Tinkturen in der Nachbehandlung bewirkten.

Anfang des Jahres 1307 entsandte Kaiser Andronikus II acht Galeeren zu unserer Unterstützung und ein neuer Angriff auf Rhodos Stadt begann. Aber auch dieser wurde von den Rhodiern abgewehrt. Leider verloren wir in dieser Schlacht zehn unserer Brüder.

Erst im Oktober 1307 konnten wir den Ort Lindos an der Ostküste der Insel einnehmen.

Es vergingen zwei lange Jahre, in denen wir immer wieder versuchten, die Stadt an der Nordspitze der Insel zu erobern. Die Rhodier wehrten unsere Angriffe ab.

Schließlich hatten wir durch einen Zufall Erfolg. Wir konnten einen rhodischen Kapitän, dessen Schiff auf Grund gelaufen war, gefangen nehmen. Dieser verriet uns unter Androhung des Todes die Schwachstellen der Verteidigung der Stadt Rhodos. Er war uns auch bei den Verhandlungen zur Übergabe der Stadt behilflich, was verhinderte, dass noch mehr Blut vergossen wurde.

Im Jahre 1309 nahmen wir schließlich Rhodos Stadt ein. Endlich hatten wir die Kontrolle über die ganze Insel. Wir begannen zügig, uns einzurichten.

Vordringlich war es zunächst, die Versorgung mit ausreichenden Lebensmitteln sicher zu stellen und den Ausbau der Befestigungsanlagen anzugehen sowie die Beschaffung neuer Waffen in Auftrag zu geben.

Der Großballei verfügte, dass jede Zunge für einen bestimmten Abschnitt des Verteidigungsringes um die Stadt verantwortlich sei, was den Ausbau als auch die Verteidigung betraf.

Der Großkonservator, Vorsteher der aragonischen Zunge, der unter anderem für die Verpflegung des Ordens zuständig ist, nahm Kontakt zu einem gewissen Panagiotis Katsonidis auf, dem ausgedehnte Landgüter gehörten und der die Marktaufsicht inne hatte. Katsonidis verweigerte jedoch rundheraus jegliche Zusammenarbeit.

Der Großmarschall, Führer der Zunge der Auvergne, der auch für die Ausstattung der Ritter mit Waffen verantwortlich ist, traf sich mit dem besten Schmied der Insel, Vangelis Panadopoulos. Er hatte auch nicht mehr Glück als sein Amtsbruder. Der Schmied lehnte ebenfalls jede Zusammenarbeit mit dem Orden kategorisch ab.

Wir hatten gedacht, dass die Menschen hier für lukrative Geschäfte ein offenes Ohr hätten. Wir hatten nicht mit dem Stolz der Rhodier gerechnet und auch nicht mit dem Groll, der uns als römisch-katholischen Christen entgegenschlug, fürchtete man doch, dass man gezwungen werden sollte, unserer römisch-katholischen Weise der Gottesanbetung zu folgen. Der Papst war den Rhodiern herzlich egal.

Erst als unser Großmeister sich mit dem hiesigen Patriarchen traf und diesem bedeutete, dass man die Ausübung der orthodoxen Riten stillschweigend dulden würde, änderte sich die Lage.

Das verstieß zwar gegen die Versprechungen, die unser Großmeister Papst Clemens V gegeben hatte, aber die Belange des Ordens hier auf der Insel waren ihm wichtiger- und der Papst war weit weg.

Die Herren Katsonidis und Panadopoulos erklärten sich schließlich, nicht ohne einen gewissen Obolus, der in ihre eigenen Taschen wanderte, bereit, mit dem Orden Handel zu treiben. Die Preise, die sie für ihre Waren von uns forderten, waren weit überhöht, wie wir schnell feststellten, aber da gab es wenig, was wir dagegen unternehmen konnten. Wollten wir auf der Insel bestehen, mussten wir das Geschäftsgebaren der beiden Herren wohl oder übel akzeptieren, was natürlich die Geldschatullen des Ordens mehr als gedacht beanspruchte.

Nach und nach fanden sich auch einheimische Handwerker, die bereit waren, für uns zu arbeiten, natürlich gegen eine mehr als stattliche Bezahlung für ihre Dienstbarkeiten.

Dennoch gab es immer wieder Übergriffe auf uns Ritter, so dass der Großmeister schließlich eine schon bestehende Mauer quer durch die Stadt verstärken ließ, die das kleinere Ritterviertel vom übrigen Teil der Stadt abgrenzte. Kein Rhodier durfte sich ohne Erlaubnis im Ritterviertel aufhalten, während es den Rittern streng verboten war, sich allein außerhalb ihres Viertels zu bewegen, wir mussten mindestens zu zweit sein. Das sorgte zwar für ein wenig Entspannung, doch mir persönlich schien auf lange Sicht eine Abgrenzung durch eine Mauer nicht viel dazu beitragen zu können, die Wogen zwischen dem Orden und der rhodischen Bevölkerung endgültig zu glätten.

Meiner Meinung nach hätte man mit Verhandlungen zur gegenseitigen Verbesserung der Lage mehr erreicht als durch Abgrenzung. Meine Meinung war aber nicht gefragt.

Inzwischen war uns auf Grund der unverschämt hohen Preise für Waren das Geld knapp geworden.

Da kam es uns zu Gute, dass die Tempelritter, die einigen hohen Herren zu mächtig geworden waren, nahezu ausgelöscht wurden und große Teile ihres Vermögens unserem Orden übertragen wurden.

Ich freute mich natürlich, dass wir nun unseren neuen Hauptsitz ohne, wie es schien, große Geldprobleme getrost befestigen konnten.

Das war auch dringend notwendig, denn immer wieder versuchten die Osmanen uns von Rhodos zu vertreiben, was ihnen aber nicht gelang. Unsere Flotte konnte stets Schlimmeres verhindern. Dennoch empfand ich Mitleid für die Templer und auch einen gewissen Groll gegen die christlichen Herrschenden.

Schließlich waren die Templer unsere Mitbrüder in Christi und eigentlich sollten wir ihnen dankbar sein, dass sie es auf Grund ihrer ausgedehnten Besitzungen möglich gemacht hatten, dass man keine größeren Beträge Geld, Schmuck, Silber oder Gold mit sich führen musste, wenn man auf lange Reisen ging, sondern ein einfaches Schriftstück ausreichte, um sich in einer ihrer Komtureien mit Geld zu versehen, abzüglich eines geringen Geldsatzes für ihre Aufwendungen.

Das Reisen wurde dadurch besonders für Kaufleute, aber auch andere, die viel Geld zu transportieren hatten, viel einfacher. Aber es machte die Templer in den Augen des amtierenden Papstes und speziell auch des Königs von Frankreich, Philipp IV, zu mächtig und damit bedrohlich. Deshalb wurden sie, beginnend mit Freitag, dem 13. Oktober 1307 buchstäblich abgeschlachtet und verbrannt. Ihr komplettes Vermögen wurde eingezogen. Ihr letzter Großmeister, Jacques de Molay, wurde am 18. März 1314 in Paris auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Der König rechtfertigte diese Verfolgungen indem er behauptete, die Templer gingen unchristlichen Neigungen nach; sie stünden deshalb im Bündnis mit dem Teufel.

Diese Massaker verstießen gegen meine Auffassung die Ausübung des christlichen Glaubens betreffend. Lautet nicht eines der zehn Gebote: „Du sollst nicht begehren Deines nächsten Weib, Vieh und alles was sein ist“ und ein anderes: „Du sollst nicht töten“?

Wenn sogar der Papst, der der Vertreter Gottes auf Erden ist, und ein von einem seiner Vorgänger im päpstlichen Amte, im christlichen Glauben gekrönter König gegen diese Gebote verstießen, was sollte ich dann noch glauben?

Ich verbot mir jedoch derartige Gedanken, denn mir war klar, dass ich von der Politik immer noch zu wenig wusste, um zu urteilen.

Immerhin war unser Orden nicht an diesem Massaker gegen die Templer beteiligt, soweit ich weiß, wenn er auch Nutznießer dieser unmenschlichen Abschlachtung der Tempelritter war.

Und das hinterließ auf meinem Gaumen den Beigeschmack von Weidenrindentee- sehr bitter!


Ritter und Rosen auf Rhodos

Подняться наверх