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Kapitel 3

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Auf unserer mehrwöchigen Reise durch die Gebiete dieser Ballei des Ordens sah ich mit Staunen, dass die Welt außerhalb unserer Grafschaft, welche ich noch nie zuvor verlassen hatte, ganz anders war als alles, was ich bisher gewohnt war oder gesehen hatte.

Welche Vielfalt! Zum ersten Mal sah ich neue, viel größere Marktplätze, auf denen Waren angeboten wurden, die ich nicht kannte.

Da gab es Früchte mit einer Schale, die orange war, man sagte mir, es seien Apfelsinen. Wie süß war ihr Saft, wie saftig ihr weiches Fleisch! So etwas hatte ich noch nie gekostet. Herzhaft biss ich in die köstliche Frucht, der Saft rann an meinem Kinn herab, worüber ich lachte wie ein kleines Kind.

Da gab es Kräuter, deren Duft mich fast schwindeln ließ, so neu war er für mich, Rosmarin, Thymian, Oregano und Basilikum genannt. Oh, wie ich darauf brannte, diesen neuen Gewächsen ihre Geheimnisse für die Heilkunst zu entreißen, denn meine Frau Mutter hatte mich eins gelehrt: Gott hat für viele Krankheiten ein Kräutlein wachsen lassen, man muss nur verstehen, sie in der richtigen Weise anzuwenden.

Auch auf dem Gebiet der Waffenkunde lernte ich schnell dazu. In den unterschiedlichen Schmieden, die wir aufsuchten, sah ich wahre Wunderdinge. Katapulte, eine neue Art von Waffen, Kanonen genannt, die wie explosive Steinschleudern wirkten, ebenso die verschiedensten Waffen für den Nahkampf. Die Wirkungsweise der meisten konnte ich schnell ergründen. Diejenige Waffe, die mich am meisten beeindruckte war ein Stab, an dem eine Eisenkette befestigt war. An deren Ende befand sich eine eiserne Kugel, die mit spitzen, eisernen Dornen bestückt war. Ich konnte mir gut vorstellen, welch tödliche Waffe diese in einem Nahkampf, sei es zu Pferde oder zu Fuß, kreisend um sich geschwungen, sein würde. Man belehrte mich aber, dass ein Ritter eine derartige Waffe niemals benutzen würde. Ein Ritter kämpfe mit dem Schwert. Das war mir auch recht, denn mit dem Schwertkampf kannte ich gut mich aus. Dennoch dachte ich im Stillen bei mir, dass eine solche geschwungene Eisenkugel auch sehr wirksam wäre.

Die Art und Weise, wie die Menschen auf Ritter Wennengut reagierten, überraschte mich sehr. Viele küssten seinen Rocksaum, andere betrachteten ihn schiefen Blickes und wandten sich fast schon verächtlich ab.

Eines Abends fragte ich ihn, warum das so sei.

„Hans, das hat etwas mit der Politik des Ordens zu tun. Nicht jeder ist damit einverstanden, was der Orden unternimmt. Im Moment weißt du noch nicht genug über unseren Orden, es sei daher genug, dir zu sagen, dass ich als Komtur des Ordens mich auch darum kümmern muss, in meiner Ballei Geld einzufordern. Das gefällt nicht jedermann, wenn auch niemand gezwungen wird, zu geben. Auf der anderen Seite sind uns viele Menschen dankbar, da unsere Hinwendung zur Krankenpflege schon manch einem das Leben gerettet hat.“

Mit dieser Auskunft musste ich mich zunächst begnügen.

Auf dem Nachtlager machte ich mir meine Gedanken. Warum ein Ritter und seine Begleiter in Friedenszeiten ihr Schwert gegürtet hatten und manchmal auch darunter ihr Panzerhemd trugen, war mir inzwischen klar. Die Gefahr durch Wegelagerer, besonders in den dichten Wäldern unserer Heimat mit ihrem dichten Unterholz, die wir auf unserer Reise durchquerten, war nicht zu unterschätzen.

Was ein christlicher Orden jedoch mit der Politik zu tun haben sollte, erschloss sich mir damals nicht.

Zu müde, um weiter darüber nachzudenken, fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Eines Tages passierte es dann. Unsere Kolonne wurde von einer Gruppe von Gesetzlosen angegriffen und ich hatte zum ersten Mal die Gelegenheit, die Ritter im Kampfe zu beobachten. Einer stieß mich auf die Packpferde zu und rief:

„Kämpfe, wenn nötig, aber bleib und verteidige die Packpferde!“

Danach bildeten sie zwei Verteidigungsringe um die Pferde und mich. Ich zog mein Schwert, welches mir mein Vater zum Abschied geschenkt hatte, bereit, mein Leben und die Packpferde zu verteidigen. Wie viel lieber hätte ich in den Kampf eingegriffen, aber eines hatte ich inzwischen verstanden: Wenn man eine Anweisung von einem Ritter erhält, muss man gehorchen.

Die Angreifer waren nur mit Mistgabeln, primitiven Speeren, Äxten und Knüppeln bewaffnet. Sie waren den Rittern mit ihren Ringpanzerhemden, Schwertern und Schilden weit unterlegen. Schnell war klar, wie der Kampf ausgehen würde, dennoch trugen einige Ritter kleinere Wunden davon.

Die Wegelagerer machten sich aus dem Staub, ihre Verwundeten mit sich schleppend, ihre zwei Toten zurücklassend.

Ich war froh um das Medizinkästchen, welches sicher am Sattel meines Pferdes hing. Ich konnte die verwundeten Ritter notdürftig behandeln, was mir anerkennendes Nicken einbrachte.

Die toten Angreifer erhielten eine kurze, aber christliche Bestattung an Ort und Stelle. Diese Bestattung zeigte mir, wie der Orden mit toten Gegnern umging. Man achtete, dass auch diese Toten einmal Menschen gewesen waren und als solche nicht von wilden Tieren zerrissen werden sollten. Da es sich um Christen gehandelt hatte, so nahmen wir wenigstens an, erhielten sie auch ein entsprechendes Begräbnis.

Schließlich erreichten wir das weitläufige Gebiet des Sitzes des Ordens in der Ballei. Ohne es zu wissen, hatte ich auf dieser, meiner ersten Reise außerhalb der Grafschaft meines Vaters, so viele neue Eindrücke gewonnen und soviel dazu gelernt, dass mir fast der Kopf schwirrte.

Ritter Wennengut gab mir auf, mich um die Pferde zu kümmern, ließ mir dann ein Mahl servieren, wies mir eine Schlafstatt an und hieß mich, mich nach getaner Arbeit zur Ruhe zu betten.

Todmüde fiel ich auf meine primitive Pritsche nieder, doch so schnell konnte ich keine Ruhe finden.

Diese erste Nacht im Sitz des Ordens in der Ballei war für mich überwältigend.

In Rittingau ging man zu Bett, dann kehrte die Nachtruhe ein. Sie wurde hin und wieder von einem Schrei eines Nachtvogels, dem Heulen eines Wolfes oder den Lauten der Tiere in den Ställen unterbrochen. Wie anders war es hier! Ständig schien irgendeine Tür zu klappern, immer wieder wieherten Pferde, da waren huschende Schritte zu vernehmen, verstohlene Rufe und anderes Rumoren, welches ich nicht zuordnen konnte.

Dies sollte von nun an also meine neue Heimat sein. Voller Vorfreude und Zuversicht, gleichzeitig auch etwas verzagt, blickte ich auf die kommende Zeit. Die Reise zu diesem Ort hatte mir schon gezeigt, dass ich noch viel zu lernen hatte, und die ersten Eindrücke hier im Sitz des Ordens in unserer Ballei sagten mir das gleiche.

Schließlich fiel ich völlig erschöpft in einen tiefen Schlaf.


Ritter und Rosen auf Rhodos

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