Читать книгу Ritter und Rosen auf Rhodos - Barbara Nguyen Van - Страница 8
Kapitel 5
ОглавлениеAm nächsten Morgen konnte Florian es kaum erwarten, mehr von Hans von Rittingau zu erfahren.
„Theo, bitte, lass uns gleich weiterlesen. Irgendwie finde ich diesen Hans sehr faszinierend.“
„Florian, meinst du nicht, dass dieser Tag viel zu schön ist, um hier herum zu hocken und ihn lesend zu verbringen?“
Ich hätte den schönen, klaren Morgen mit seinem strahlend blauen Himmel viel lieber für einen ausgiebigen Bummel durch die malerische Altstadt genutzt, die sich im Januar ohne den üblichen Touristenrummel recht beschaulich präsentierte. Sie bot viele Möglichkeiten für wunderbare Aufnahmen mit der Kamera. Normalerweise wäre Florian sofort dabei gewesen.
Außerdem war es im Sonnenschein warm genug, im T-Shirt umher zu flanieren, das war für uns Nordlichter im Januar etwas Besonderes.
Flori antwortete jedoch:
„Ach nein, bitte, ich bin doch zu gespannt zu erfahren, wie es weitergeht. Wenn ich den Text allein lesen könnte, würde ich es ja tun. Theo, bitte?“
Seufzend kam ich der Bitte meines Freundes nach. Immerhin ließ er sich noch zu einem ausgiebigen Frühstück im Garten überreden, bevor wir es uns dann im Sonnenschein bequem machten.
„Also gut, Flori, hör zu:“
Ich erwachte voll der Neugier und des Tatendranges zu meinem ersten Tag in dem ungewohnten Umfeld, welches bald mein neues Zuhause werden sollte.
Ein braungewandeter Bruder des Ordens namens Matthias holte mich ab, um mich mit meinem neuen Zuhause bekannt zu machen. Er führte mich durch die Anlage.
Es fiel auf, wie weitläufig das Gelände des hiesigen Ordenssitzes der Brüder war. Da gab es eine kleine, aber fein und liebevoll geschmückte Kapelle, eine große Krankenstation, einen ordentlich gepflegten Kräutergarten, einen gut gehegten Gemüsegarten, geräumige Stallungen für Pferde und andere Nutztiere, diverse Waffenkammern, eine Kleiderkammer, die Küche mit dem Refektorium, das imposante Hauptgebäude, verschiedenste Gebiete für die unterschiedlichsten Waffenübungen geeignet, und überall sah man braun- oder schwarzgewandete Brüder die, eifrig mit allerlei verschiedenen Aufgaben beschäftigt, umhereilten.
„Bruder Hans, bei uns hier geht normalerweise alles sehr geordnet und pünktlich zu“, erklärte mein Begleiter. „Komtur Wennengut hat jedoch angeordnet, dich heute ausschlafen zu lassen. Ich lasse dir jetzt ein Frühstück im Refektorium servieren. Ab morgen wirst du dich dort rechtzeitig um sechs Uhr früh zum allgemeinen Morgenmahl einfinden.“
„Natürlich, Bruder Matthias.“ Seinem Beispiel folgend schien mir das schien mir die richtige Anrede zu sein.
„Nach dem Frühstück werde ich dich zu Komtur Wennengut führen. In der Zwischenzeit soll ich dir für deine Fragen zur Verfügung stehen und sie dir so weit wie möglich beantworten. Kannst also gerne loslegen.“
„Bruder Matthias, warum tragen manche Brüder hier braune, andere schwarze Gewänder?“, das war die Frage, die mich schon beschäftigte, seit ich Ritter Wennengut und seine Begleiter das erste Mal traf, die ich aber nicht zu stellen wagte, um nicht als beschränkt zu gelten.
„Das ist so: Manche Brüder des Ordens entstammen aus adligen Familien. Sie dürfen die Ritter des Ordens werden, wenn sie auch sonst alle Anforderungen erfüllen. Und nur diese sind schwarzgewandet. Alle anderen nennt man Sergeanten, diese tragen braune Gewänder, so wie ich. Und dann gibt es noch die Kaplane, die sich mit den religiösen Angelegenheiten des Ordens beschäftigen, die Bücher führen und Schriften aller Art kopieren.“
In der Zwischenzeit hatten wir das Refektorium erreicht. Ich erblickte einen Saal, in dem Tische und Bänke ordentlich platziert waren, der Lehmboden mit frischem Stroh bedeckt. An den Wänden hingen Teppiche, die die verschiedensten christlichen Geschichten abbildeten, zwei riesige Kamine versprachen für kalte Tage ein wenig Wärme.
Mein Frühstück bestand aus Getreidebrei und Kräutertee, ziemlich so, wie ich es auch von zu Hause kannte.
„Bruder Matthias, warum trägst du ein braunes Gewand?“
Vielleicht war diese Frage ein wenig unverschämt, aber ich wollte doch noch mehr über diese Angelegenheit wissen.
„Na, erstens bin ich nicht von Adel. Zweitens kann ich weder lesen noch schreiben, aber einem Feind den Schädel eindreschen kann ich schon. Ich kann auch ziemlich gut mit dem Schwert und dem Bogen umgehen. Mein Orden gibt mir ein gutes Leben, ein Dach über dem Kopf und immer gut zu essen. Das können wenige von sich sagen. Viele Leute führen ein ärmliches Leben, wissen oft nicht, wo die nächste Mahlzeit herkommen soll. Mein Orden gibt mir das alles. Dafür verteidige ich meine Herren Ritter mit meinem Leben, wenn es dann sein muss. Aber nun ist es Zeit. Ich bringe dich jetzt zum Komtur.“
Seit ich mein Zuhause in Rittingau verlassen hatte, war mir schon aufgefallen, in welch ärmlichen Umständen manche Menschen ihr Leben fristeten, daher konnte ich die Ausführungen von Bruder Matthias nachvollziehen. Und ich machte mir Gedanken, warum wohl so viele Menschen ein armdeliges Leben fristen mussten.
Ich verstand schon, dass manche Menschen mehr als andere ihr Eigentum nennen dürften, doch dass manche Menschen hungern sollten, empörte mich geradezu. Das hatte ich in Rittingau niemals beobachten müssen. Meine Frau Mutter war immer zur Stelle, wenn jemand Not litt.
‚Liebe deinen Nächsten‘, so lautete ein Ausschnitt aus Gottes Geboten.
Da gab es wohl viele Leute, insbesondere viele Wohlhabende, die diesem Gebot nicht besonders nachzueifern schienen.
Dann konzentrierte ich meine Gedanken wieder auf mein gerade begonnenes Ordensleben.
„Bruder Matthias, eine Frage noch. Wann sagt man Bruder, wann Ritter?“
„Brüder des Ordens sind wir alle. Wir Sergeanten sind Brüder, wir reden uns untereinander auch so an. Die Schwarzgewandeten sind jedoch Ritter, die reden wir mit Herr Ritter an. Die Ritter nennen sich untereinander auch Bruder. Nur der Komtur ist hier niemals ein Bruder, er ist der Komtur. In Limassol jedoch wäre er unter Gleichgestellten auch ein Bruder.“
„Limassol? Wo ist das denn?“
„Das ist der Hauptsitz unseres Ritterordens, auf der Insel Zypern. Aber hör mal, für einen Adligen bist du aber schon ziemlich ungebildet, oder?“
Kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg, um mich zu Komtur Wennengut zu geleiten. Ich folgte ihm gesenkten Hauptes, denn nicht nur hatte ich scheinbar eklatante Lücken in meiner Ausbildung erkennen lassen, sondern mir wurde schlagartig wieder einmal klar, wie viel ich noch zu lernen hatte. Beschämt nahm ich zur Kenntnis, dass ich auf unserer Reise durch die Ballei den Komtur immer Herr Ritter genannt hatte, statt ihn korrekt anzureden. Er schien mir das aber nie übel genommen zu haben und hatte mich auch niemals berichtigt.
Bruder Matthias geleitete mich zum Hauptgebäude, hinauf in die Schreibstube des Komturs. Dort klopfte er an und auf das leise zu vernehmende: „Herein!“, schob er mich durch die Tür und schloss sie fast lautlos hinter mir.
Da ich auf den ersten Blick niemanden erkennen konnte, schaute ich mich um. Auch hier gab es Wandteppiche, die jedoch Kampfessituationen und Gebäude darstellten. Ebenso gab es einen Kamin, der groß genug war, behagliche Wärme in den kalten Monaten zu spenden. Ein riesiger Schreibtisch war vor einer recht großen Maueröffnung platziert, genau gegenüber der Eingangstür zu diesem Raum. Diese Öffnung war mit doppelten Holzflügeln gegen die Kälte versehen, welche aber weit geöffnet waren, um die Morgensonne herein zu lassen. Eine weitere, südliche Maueröffnung, ebenso ausgestattet wie die erste, befand sich zu meiner rechten Seite. Der Raum wurde durch diese Öffnungen mit Tageslicht erhellt.
Der Schreibtisch war übersät von Utensilien, die von angestrengter Arbeit zeugten: Pergamentrollen, Tintenfass, verschiedene Federn und Siegel. Große Kerzen spendeten für die dunklen Stunden des Tages ausreichend Licht. Dennoch schien der Tisch einer gewissen Ordnung nicht zu entbehren.
Vor dem Schreibtisch sah ich zwei einfache Holzstühle, hinter ihm ein ebensolcher, jedoch war dieser mit rotem Samte überzogen und weich gepolstert, ebenso hatte er wunderschön geschnitzte, blitzblanke Armlehnen.
In einer Ecke befand sich ein hohes Regal, vollgefüllt mit Schriften. So viele Bücher hatte ich noch nie in meinem Leben an einer einzigen Stelle gesehen. Neugierig machte ich mich daran, sie näher zu inspizieren. Da gab es Bücher in Deutsch, Latein und Griechisch, aber noch bevor ich mich näher damit beschäftigen konnte, hörte ich hinter mir ein deutliches Räuspern. Ich schnellte herum und erkannte Komtur Wennengut, der gerade aus einer Gebetsnische, die sich rechts neben der Tür befand, hervortrat und mich freundlich anlächelte.
„Nun, Hans, hast du dich aufmerksam umgeschaut?“
„Herr Ritter, Herr Komtur, ich wollte nicht, wollte nicht neugierig sein“, stammelte ich und spürte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg. Wieder einmal war ich zutiefst beschämt, denn ich fühlte mich wegen meines naseweisen Umherstreifens in seinem Raume ertappt.
„Hans, du kannst gar nicht neugierig genug sein! Im Gegenteil, ich freue mich über dein Interesse an diesen Büchern. Und wie ich sehe, hat Bruder Matthias dich schon einiges gelehrt. Herr Komtur, nicht mehr Herr Ritter, nicht wahr?“
Ich senkte mein Haupt und war über mich selbst erbost ob meiner bis dahin falschen Titulierung des Oberhauptes dieser Ballei. Begütigend legte er seine Hand auf meine Schulter.
„Mach dir nichts daraus! Es gibt schlimmeres für einen Ritter, als eine unwissentlich falsche Anrede. Hans, ich habe hier einige Kleidungsstücke für dich.“
Und er präsentierte mir ein braunes Gewand. Fragend schaute ich ihn an.
„Ah, ich sehe schon, Bruder Matthias hat dich mit unserer Kleiderordnung ein wenig bekannt gemacht. Hans, mach dir eines klar: In dem Moment, wo du diese Kleidung anlegst, wirst du ein Bruder des Ordens sein. Bis du das schwarze Gewand bekommst, wirst du noch viel lernen müssen. Außerdem bist du noch nicht alt genug, um Ritter zu werden. Das wird etwa zwei Jahre dauern. Wenn du alles gut machst, wird man dich zum Ritter des Ordens des heiligen Johannes schlagen. Ist es immer noch das, was du willst?“
„Ich könnte mir keine größere Ehre und Freude vorstellen, Herr Komtur.“
„Nun, dann lege das Gewand jetzt an.“
Ich tat, wie mir geheißen. Dann nahm Komtur Wennengut mich in seine Arme und sagte: „Willkommen, Bruder Hans, in unserem Orden.“
Niemand kann sich vorstellen, wie stolz ich in diesem Moment war und wie sehr ich danach strebte, für würdig befunden zu werden, das schwarze Gewand zu tragen.
„Bruder Hans, es ist mir eine Freude dir mitzuteilen, dass die Ritter, die du nach dem Angriff der Wegelagerer so vortrefflich behandelt hast, mich gebeten haben, dir ihren Dank für deine Versorgung ihrer Wunden auszudrücken.“
Er beobachtete mich intensiv. Eingedenk des Schwures der Demut, den ein Ritter des Ordens abzuleisten hatte, hielt ich es für angebracht zu erwidern:
„Das ist meine Aufgabe. Ich versuchte, dem Orden zu dienen, so gut ich konnte.“
Der Komtur nickte beifällig.
Dann führte er mich an seinen Schreibtisch und bedeutete mir, auf einem der einfachen Stühle Platz zu nehmen. Er selbst ließ sich mir gegenüber nieder. Geschäftig teilte er mir mit:
„Bruder Hans, du besitzt schon eine fast perfekte Ausbildung. Deine Fertigkeiten im Kampf müssen ständig geübt und erweitert werden. Deine Kenntnisse in der Heilkunde müssen unbedingt noch vervollkommnet werden. Du wirst dich weiter in den Fremdsprachen bilden, besonders im Griechischen. Für diese Aufgaben wirst du einen strengen Stundenplan bekommen, an den du dich strikt zu halten hast.“
Er warf mir einen ernsten Blick zu. „Bruder Hans, du wirst einmal eine ganz besondere Aufgabe im Orden erfüllen, wenn du dich würdig erweist.“
Dann fuhr er fort:
„Aber wichtiger ist es im Moment, dass du etwas über die Geschichte unseres Ordens erfährst.“
Mit diesen Worten nahm er mich mit auf die bis dahin abenteuerlichste Reise meines Lebens.