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Kapitel 10

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Am 18. März 1306 schifften wir uns zusammen mit weiteren drei Galeeren, beladen mit Waren verschiedenster Art und diversen Waffen, mit dem Ziel Zypern ein.

Der ständig schwankende Boden unter meinen Füßen machte mir anfangs etwas zu schaffen. Es war schwierig, festen Tritt zu fassen, doch bald gewöhnte ich mich an diesen Zustand. Von der schrecklichen Seekrankheit blieb ich verschont, und ich beneidete Bruder Wilhelm nicht, der die ersten Tage mehr an der Reling, möglichst mit Rückenwind, verbrachte. Es ging ihm wirklich schlecht. Leider konnte ich ihm nur mit Verabreichung von Kamillentee helfen, den er jedoch selten bei sich behalten konnte. Indes beruhigte sich sein Magen langsam, sich an das ständige Auf und Ab auf dem Meer gewöhnend.

Ich genoss inzwischen die würzige Luft auf See, das Salz auf meinen Lippen schmeckend, während wir durch das Tyrrhenische Meer pflügten, zu unserer Linken dann und wann den Küstensaum Italiens erahnend, zu unserer Rechten manchmal schemenhaft eine Insel, gleich einem Schildkrötenrücken, manchmal mit Zacken der Berge versehen, aus dem Meer auftauchend.

Einige Zeit bevor wir die südliche Spitze Italiens erreichten, leuchtete uns schon von weitem auf der rechten Seite der immer wieder einmal feuerspeiende Vulkan Stromboli entgegen. Seine flammenden Zungen und Auswürfe, die Sternen gleich besonders bei Nacht weithin ihr funkelndes Licht verbreiteten, erinnerten mich an das Höllenfeuer und es lief mir kalt den Rücken herunter.

Danach bestanden wir die gefahrenvolle Passage durch die Straße von Messina. Die Seeleute erklärten uns, dass die Durchfahrt wegen der Nähe Siziliens zum italienischen Festland oft mit gefährlichen Meeresströmungen und gurgelnden Strudeln gespickt war, unsere Schiffe mitsamt ihrer Mannschaft jedoch bestens darauf vorbereitet seien.

Bei der Durchquerung dieser Meerenge fiel mir der griechische Held Odysseus ein, der der Legende nach auf seiner Irrfahrt von Troja nach den heimatlichen Gefilden eine ähnliche, vielleicht sogar dieselbe Passage beschrieben hatte. Wenn natürlich hier auch keine Felsen zusammenprallten, das war wohl auch eher bildlich zu verstehen, so war die Fahrt doch wagehalsig genug.

Unser Schiff wurde hin- und her geworfen, der Steuermann hatte alle Hände voll zu tun, um es auf Kurs zu halten.

Doch schließlich hatten wir diese gefährliche Passage überwunden. Auch die anderen Schiffe, die uns begleiteten, schlossen wieder zu uns auf.

Danach hatte ich Zeit, mich ein wenig eingehender mit unserem Schiff bekannt zu machen.

Unsere Galeere war die größte des Konvois, besaß vier Segel, zwei größere und zwei kleinere, welche von der Mannschaft mit auffallender Geschicklichkeit bedient wurden. Auf der Spitze des oberen Mastes gab es eine Art Korb, in dem ständig ein Ausguck saß, welcher aufmerksam das Meer beobachtete, um vor etwaigen Gefahren zu warnen. Im Mitteldeck waren die Bordkatapulte samt Munition verankert und die Waren verstaut. Im Unterdeck trieben die Rudersklaven, an ihren Bänken fest angekettet, unser Schiff zusätzlich, oder bei Flaute allein, mit ihren Rudern vorwärts. Zwischen den Bankreihen befand sich der Mittelgang, auf dem Aufseher, ihre Peitschen schwingend, auf und ab gingen, um die Sklaven anzutreiben.

Im untersten Deck waren die Hängematten für diejenigen Rudersklaven festgemacht, die ausruhen durften und dort stank es fürchterlich. Es gab keine Nachttöpfe, in die sie ihre Notdurft hätten verrichten können und auch keinen gnädigen Wind, der den Gestank ihrer nur allzu menschlichen Hinterlassenschaften hätte mildern können. Es huschte und trippelte außerdem von Ratten, die sich hier versammelt hatten.

Wenn ich an die Sklaven denke, wird mir immer noch schwer ums Herz. Natürlich war ich mir darüber klar, dass es Sklaven gibt, bis dahin wusste ich jedoch nicht, was es bedeutete, ein Sklave zu sein. Rechtlos, der Freiheit beraubt, wie Ware behandelt, wie Tiere gehalten, mit Abfällen ernährt, ihre Wunden von den Fesseln und den Peitschenhieben unbehandelt vor sich hin schwärend, im Todesfall ohne Federlesens einfach über Bord entsorgt. Diese Beobachtungen machten mir sehr zu schaffen. Diese Geschöpfe



waren doch auch Menschen! Lehrte uns der christliche Glaube nicht, dass alle Menschen vor Gott gleich sind? Diese hier waren aber nicht gleich. Nutztiere wurden weit besser behandelt als diese bedauernswerten menschlichen Wesen.

Dachte niemand darüber nach, dass jeder zum Sklaven werden konnte, besonders auf See, wo die Piraten die Mannschaften der gekaperten Schiffe als Sklaven verkauften? Das wenigstens hatte uns der Stellvertreter des Signore di Vignoli so geschildert.

Bruder Wilhelm, der sich inzwischen erholt hatte, schien von derartigen Zweifeln nicht geplagt zu werden, und so behielt ich meine Gedanken für mich. Was wusste ich schon, welche Erfahrungen hatte ich bisher gesammelt, die mich befähigten, ein Urteil abzugeben? Vielleicht hatte das Dulden der Sklaverei etwas mit der Ordenspolitik zu tun, die Komtur Wennengut einmal erwähnt hatte und unter der ich mir immer noch nicht viel vorstellen konnte. Das sollte sich aber bald ändern…

Bis heute aber bedrückt mich die Tatsache, dass sogar mein Orden sich eifrig an diesem Sklavenhandel beteiligt und sich daran auch bereichert.

Eines Tages, wir hatten gerade die südliche Spitze Italiens umrundet und der Seegang wurde zunehmend schwerer, ließ der Stellvertreter des Signore di Vignoli Bruder Wilhelm und mich zu sich rufen.

„Werte Herren Ritter, die Zeit ist gekommen, euch über den Grund dieser Reise zu unterrichten. Wie ihr vielleicht wisst, ist die Insel Rhodos zurzeit ein recht umstrittenes Gebiet.“

Diese Information war uns neu.

„Sie ist strategisch günstig gelegen und durch ihre Größe und Fruchtbarkeit ein lohnendes Ziel. Sie gehört zwar zum byzantinischen Reich unter Kaiser Andronikus II, der jedoch aus den verschiedensten Gründen seinen Einfluss dort auf Rhodos verloren hat. Durch die Nähe zum Osmanischen Reich und auch durch die Venezianer droht sie überfallen und eingenommen zu werden. In diesem Fall würde mein Herr Vignolo di Vignoli seine rhodischen, recht lukrativen Besitzungen verlieren.“ Er unterbrach seinen Vortrag und dachte nach. Dann fuhr er fort:

„Es trifft sich daher gut, dass euer Großmeister, Fulco de Villaret, seinerseits einen neuen Hauptsitz für euren Orden sucht. Er konnte Papst Clemens V davon überzeugen, dass Rhodos keinesfalls in die Hände der Osmanen fallen dürfe. Da ein neuer Kreuzzug geplant ist, um das Heilige Land von den Muselmanen zu befreien, böte sich Rhodos wegen seiner Nähe zum osmanischen Festland als ein guter Stützpunkt an, das Vorhaben eines neuen Kreuzzuges zu fördern. Damit wäre auch dem byzantinischen Reich gedient. Dem Irrglauben der christlich-orthodoxen Griechen auf Rhodos könnte ein Ende gesetzt werden, um sie dem Schoß unserer katholischen Mutter Kirche zu zuführen. Das sind jedenfalls die Argumente eures Großmeisters. Der Papst stimmte dem Großmeister zu. Die Insel Rhodos darf also offiziell von eurem Orden besetzt und eingenommen werden. Habt ihr soweit Fragen?“

Bruder Wilhelm und ich schauten uns ratlos an.

„Herr Statthalter, was hat das aber genau mit Signore di Vignoli zu tun?“, erkundigte ich mich.

„Wie ich schon sagte, mein Herr hat auf Rhodos ausgedehnte Besitzungen, die er zu schützen wünscht. Dafür fehlt ihm


aber eine gut ausgebildete Armee, über die euer Orden jedoch verfügt. Mit seinen Kenntnissen der Insel und seiner finanziellen Unterstützung könnte eine Inbesitznahme der Insel gelingen.“

Langsam dämmerte mir, was Komtur Wennengut mit dem Begriff Ordenspolitik gemeint hatte. Um einen neuen Hauptsitz für den Orden am Mittelmeer einzurichten, musste man sich manchmal mit Geschäftsleuten gemein machen, selbst wenn diese ihrerseits auch schon fast Piraten waren.

Und ich erkannte auch, warum er so ein Geheimnis um den Grund unserer Reise gemacht hatte. Diese Pläne, eine Eroberung der Insel Rhodos und deren Vereinnahmung durch unseren Orden, durften natürlich nicht vorzeitig bekannt werden und je weniger Leute davon wussten, umso besser. Was man nicht weiß, kann man auch unter der Folter nicht verraten.

„Signore, vergebt meine Neugierde, aber wie und wann soll die Eroberung stattfinden?“

„Das hängt davon ab, wie schnell mein Herr sich mit dem Großmeister eures Ordens über die letzten Feinheiten des abzuschließenden Vertrages einigt. Wir werden Anfang Mai auf Zypern ankommen, vorausgesetzt, es kommt nichts dazwischen. Vor Piraten dürften wir angesichts unseres großen Konvois wohl einigermaßen sicher sein und die schwersten Stürme sind auch vorbei.“

Bruder Wilhelm atmete erleichtert auf. Zum ersten Mal meldete er sich zu Wort:

„Dann sind die Waren und Waffen, die der Konvoi mit sich führt, wohl für den Feldzug gedacht?“

Der Stellvertreter des Signore Di Vignoli lächelte fein.

„Nicht ganz, schließlich müssen wir an dem Unternehmen ja auch noch was verdienen. Zum großen Teil aber schon, ja. Das ist, abgesehen von seinen Kenntnissen der Insel, die er mit dem Großmeister schon geteilt hat, der Beitrag meines Herrn zum Feldzug, außerdem wird er dem Orden noch das kleinste Schiff aus unserem Konvoi übergeben.

Es versteht sich, dass ihr über diese Informationen schweigen müsst. Wichtige Nachrichten finden auf dem Mittelmeer die merkwürdigsten Wege, sich in Windeseile zu verbreiten.“

Bruder Wilhelm und ich hatten nun eine Menge, worüber wir nachdenken konnten. Wir versuchten uns noch einmal klar zu machen, wie es dazu kam, dass unser Orden sich bald auf einen Eroberungsfeldzug begeben würde und wir merkten schnell, dass uns der Stellvertreter des Signore di Vignoli zwar die wichtigsten Eckpunkte des Planes mitgeteilt hatte, die Vorgänge in Wahrheit aber wesentlich komplizierter sein mussten. Entweder wusste er selber nicht mehr, oder aber er wollte uns nicht mehr sagen. Dass man eine strategisch offensichtlich wichtige Insel wie Rhodos nicht den Osmanen, den muselmanischen Feinden, überlassen wollte, leuchtete indes sogar uns ein.

Es fiel mir auf, dass mit zunehmender Dauer unserer Reise zu Schiff die Verpflegung auf getrocknetes Fleisch und Fisch umgestellt wurde. Frische Speisen waren nicht lange genug haltbar und bald gab es auch kein Brot mehr. Das gebunkerte Wasser begann schal zu schmecken.

In meinen Gliedern machte sich eine unbestimmte Müdigkeit breit, und mein Zahnfleisch begann zu bluten. Zuerst dachte ich, dass ich mir eine unbekannte Krankheit zugezogen hätte, doch dann bemerkte ich, dass es allen anderen ebenso erging.

Ein Seemann erklärte mir, dass man auf langen Fahrten zur See immer wieder diese Phänomene erlebte, ging man aber an Land und nahm frisches Gemüse und Obst zu sich,lösten sich diese Anzeichen einer Krankheit alsbald wieder in Luft auf.

Diese Information interessierte mich als Heilkundigen besonders und ich zog daraus den Schluss, dass frisches Obst und Gemüse für das Wohlbefinden des menschlichen Körpers unabdingbar sind. Man kann nur eine begrenzte Zeit darauf verzichten, ohne krank zu werden.

Mit dergleichen Gedanken beschäftigt, Politik, Eroberung von Rhodos und Ernährung verging Bruder Wilhelm und mir die Zeit wie im Fluge. Wir waren schon sehr gespannt, was uns in Limassol erwartete.

Wie geplant landeten wir Anfang Mai auf der Insel Zypern.


Ritter und Rosen auf Rhodos

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