Читать книгу Diversität in der Sozialen Arbeit - Beate Aschenbrenner-Wellmann - Страница 15
2.1.2 Diversitäts-Mainstreaming im deutschsprachigen Raum
ОглавлениеIm deutschsprachigen Raum hat in den 1990er Jahren in Anlehnung an die Entwicklungen im anglo-amerikanischen Kontext eine Auseinandersetzung mit Diversität im Bereich von Organisationen im Profit- und Non-Profit-Bereich begonnen. Diskurslinien haben sich insbesondere seit den späten 1990er Jahren weiterentwickelt und ausdifferenziert. So bestehen eine ganze Reihe unterschiedlicher, teilweise konkurrierender Diversitätsverständnisse und Managementansätze. Auf diese Ansätze wird in Teil III im Zusammenhang mit der Entwicklung eines neuen Modells für Diversität in NPOs eingegangen ( Teil III). Daher erfolgt an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit Diversitäts-Mainstreaming, das für ein reflexives Verständnis von Diversität in der Sozialen Arbeit besonders bedeutsam ist.
In Anlehnung an Gender Mainstreaming geht es bei Diversitäts-Mainstreaming um eine Strategie, alle Strukturen, Ablaufprozesse und Entscheidungsprozeduren in Politik und Verwaltung so zu gestalten, dass unterschiedlichste Lebensentwürfe und die Interessen aller Beteiligten – unabhängig von einzelnen Diversitätsdimensionen – berücksichtigt werden. Damit zielt Diversitäts-Mainstreaming auf die Veränderung von Organisationskulturen und Entscheidungsprozessen und trägt damit zu Chancengleichheit bei (Dreas 2019: 36). Diversitäts-Mainstreaming legt im Gegensatz zu den weitverbreiteten DiM Ansätzen den Fokus auf soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Chancengleichheit.
Ausgehend von der Frage, ob DiM-Ansätze in der Lage sind, neue sozial- und gesellschaftswissenschaftliche Forschungsergebnisse zu reflektieren oder ob es ihnen nicht eher um betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnungen geht, die Differenzkategorien von gesellschaftlichen Machtfragen abkoppeln (Amstutz 2010: 16), steht im Mittelpunkt des Diversitäts-Mainstreamings ein analytisches Verständnis der Diversitätsdimensionen. Somit geht es vor allem darum, »Kategorien als analytische Kategorien zu verstehen und dadurch ihre Konstruktions- und Funktionsweise in Ordnungen, Diskursen und Machtverhältnissen offen zu lesen« (ebd.). Daher fordert Amstutz eine vergleichbare Rigorosität im Verständnis der Kategorien als Analyseinstrument, wie es bereits für die Kategorie ›Gender‹ erfolgt ist. Vor allem im Bereich ›Kultur‹, ›Behinderung‹ und ›sexueller Orientierung‹ sieht sie Handlungsbedarf (ebd.).
Gertrude Krell ist mit ihren »Diversity Studies« (Krell u. a. 2007) eine Grenzgängerin, die sowohl im Unternehmensbereich als auch bei sozialen Organisationen oder Bildungsträgern wie bspw. Hochschulen mit ihren Aussagen Gehör findet. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen zum Diversitätsansatz und zu seiner interdisziplinären Verortung sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Konzept des Gender Mainstreamings. Da der Autorin zufolge ein einheitliches Verständnis von Diversität in Deutschland fehlt, schlägt sie zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen vor. Zum einen geht es um eine Betrachtung von Vielfalt als Unterschiedlichkeit, zum anderen sollen unter dem Begriff »Diversität« Gemeinsamkeiten und Unterschiede verstanden werden. Vielfalt als Unterschiedlichkeit verweist dabei auf die Tatsache, dass es keine zwei identischen Individuen gibt, wobei es Krell nicht um die Betonung der Unterschiede an sich geht, sondern um die Beantwortung der Frage wie diese Unterschiede gemacht werden. Der Ansatz Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu betrachten schützt nach Krell (2003) eher vor Stereotypen und Schubladendenken, da hierin darauf verwiesen wird, dass Menschen immer gleichzeitig Angehörige mehrere Gruppen sind (Frauen, Migrantinnen, Mütter etc.). Ein besonderes Verdienst von Gertraude Krell ist die Herausgabe des Sammelbandes »Diversity Studies« (2007), in dem Forschungs- und Theorieansätze aus unterschiedlichen Disziplinen wie z. B. Soziologie, Betriebswirtschaft, Ethnologie, Politik- und Rechtswissenschaft und Medizin vorgestellt werden und durch den eine integrierende Forschungssicht auf das Phänomen Diversität im deutschsprachigen Raum ermöglicht werden sollte. Hierdurch sollte nicht nur ein Zugewinn an Wissen erfolgen, sondern auch Synergieeffekte entstehen. Die Autor_innen des Sammelbandes positionieren sich mit folgendem Resümee:
»Schlussendlich zielen Diversity Studies darauf ab, Ausgrenzungen und Diskriminierungen entgegenzusteuern, die Qualifikationen und Potentiale der vielfältigen Menschen zu maximieren und ihre Zusammenarbeit und ihr Zusammenleben reibungsloser zu gestalten« (Krell u. a. 2007: 14).
In einem Vortrag zum Thema »Vielfältige Hochschulen – einfältige Hochschulpolitik« am 5. Dezember 2012 (Tagung Vielfalt als Gewinn CEDIN Consult, Düsseldorf) fasste Krell gängige Vorurteile gegen Diversitätskonzepte zusammen, formulierte grundlegende theoretische und organisationale Zugänge und verwies in diesem Zusammenhang auf die »Fabrikation von Diversity als Konstrukt«. Zu häufig vorgebrachten Vorbehalten gegen Diversitätskonzepte zählen demnach Argumente wie: Diversität sei nur von und für Unternehmen gemacht, nur ökonomisch begründet, es bestehe kein Unterschied zum Gender Mainstreaming und zur Antidiskriminierungs- und Gleichstellungspolitik, Menschen würden aufgrund von Zugehörigkeiten in Schablonen gesteckt, Diversitätskonzepte seien essentialisierend und naturalisierend ausgerichtet. Dieser Gefahrenliste stellt Krell einen Katalog an Anforderungen entgegen, die bei einer theoriebasierten Auseinandersetzung mit dem Konzept Berücksichtigung finden müssen. Zunächst einmal dürfen Diversitätskonzepte nicht als fertig vorhanden, sondern müsste als diskursiv erzeugt betrachtet werden. Das bedeutet, dass unterschiedliches und widersprüchliches Wissen über Vielfalt durch Vorträge und Fachpublikationen von Expert_innen aus Wissenschaft und Praxis vermittelt wird. Es gibt also immer auch eine interessensgeleitete Wahrnehmung, Interpretation und Anpassung von Diversitätskonzepten, je nach Standort der Betrachter_innen. Diversität im Sinne von Konzepten, Politik und Strategien ist nach Krell (2012) für jede Organisation geeignet, denn mit der Grundidee, Probleme, die mit Vielfalt verbunden sind, zu reduzieren und Chancen zu realisieren, geht die Schaffung einer Organisationskultur einher, von der letztendlich alle profitieren. Merkmale dieser Organisationskultur sind in Anlehnung an Cox (2001) Pluralismus und Wertschätzung von Vielfalt, strukturelle und informelle Integration und zwar unabhängig von Zugehörigkeiten/Zuschreibungen, der gelungene Abbau von Vorurteilen und Diskriminierungen sowie das Vorhandensein von wenigen Intergruppenkonflikten.
Betrachten wir Diversität als Konstruktion, kann nach Krell (2012) einerseits auf gruppenbildende Kategorisierungen (wie Geschlecht, Alter, Nationalität, Ethnie etc.), andererseits auf individuelle Attribute oder Zuschreibungen wie Werte, Einstellungen, Interessen und Verhaltensweisen rekurriert werden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch noch einmal die Frage nach der Berücksichtigung nur der Unterschiede oder der Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie ihrer Betrachtung als quasi naturgegebene Eigenschaften oder als konstruierte Unterscheidungen und Zuschreibungen. Betrachten wir Vielfalt nur als Identitätskategorie oder auch als ungleichheitsrelevante Strukturkategorie? Gerade letztere Frage und die notwendige Positionierung ist entscheidend. Hier sollen nicht nur Diversitätsmerkmale als Beschreibungsfaktoren einzelner Menschen betrachtet werden, sondern gleichermaßen alle Strukturkategorien, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt beeinflussen.