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Murano, Burano und Torcello

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Es ist Sonntag und perfekt wäre jetzt ein Kaffee im Bett. Das ist aber schon das einzige Luxusproblem, das sich stellt. Da habe ich aber nicht mit Uschi gerechnet. Sie hat tatsächlich einen Kaffee organisiert und mein Sonntag beginnt perfekt. Und dann auch noch in Venedig. In einem Palazzo.

Wir sind früh dran, denn wir wollen heute ausgiebige Bootstouren unternehmen. Auf dem Plan stehen Murano, die Glasinsel und Burano, die Fischerinsel. Fröhlich erzählen wir Mauro von unseren Plänen und er empfiehlt uns, unbedingt auch Torcello anzusteuern. Geheimtipp quasi. Was wir denn in Burano wollen? Es wäre voll und nicht viel zu sehen. Er schwärmt von Torcello, der Basilica Santa Maria Assunta und natürlich dem Restaurant Cipriani. Er würde am liebsten mitkommen und unseren Privatführer machen.

Wir schlendern in Richtung Bahnhof los, finden den von Mauro beschriebenen Fahrkartenschalter und auch das Boot nach Murano. Blauer Himmel, Sonne satt und in der Ferne sehen wir die schneebedeckten Gipfel der Südtiroler Berge. Das Boot fährt an der Friedhofsinsel vorbei und legt schon bald in Murano an. Ich genieße den Fahrtwind in meinen neu sprießenden Haaren. Dankbarkeit stellt sich ein, dass ich mich nicht mehr sorgen muss, ob die Perücke hält oder verrutscht. Ich habe wieder Haare auf dem Kopf, fast schon wieder eine Frisur.

In Murano reiht sich ein Geschäft an das nächste und sie sind alle vollgestopft mit Venedig-Murano-Kitsch. Ich besinne mich und kaufe nichts, ich möchte keinen Kram mehr ins Haus tragen. Im Glasmuseum, im Museo del Vetro, geht es schon künstlerischer zu. Ich schwelge in den Kunstobjekten und die Leuchter, diese prächtigen Lüster, haben es mir angetan. Gut, dass die so unglaublich teuer sind, da komme ich auf keine dummen Ideen. Sie würden auch nicht zu unserer Einrichtung passen. Man kennt das ja. Voller Euphorie trägt man Reiseschätze heim, um dann festzustellen, dass sie überhaupt nicht in die Umgebung passen. Den Sombrero aus Mexiko trägt man höchstens noch zu Fasching.

Murano füllt sich, es ist Sonntag und viele Ausflügler sind unterwegs. Wir steigen ins Boot nach Torcello und es ist so, wie wenn man sich einige Schritte vom Markusplatz entfernt. Stille, Langsamkeit, Schönheit und Einsamkeit.

Torcello verzeichnet 30 Einwohner. Die Insel war schon früh besiedelt und zählte zu Höchstzeiten 20 000 Einwohner. Wir genießen die Frühlingsstimmung, Blumen treiben aus dem Boden und Santa Maria Assunta, das älteste Bauwerk in der Lagune in venezianisch-byzantinischem Stil, ist mit seiner Einfachheit ein Gegenpol zur übrigen Architektur.

Wir haben schon lange nichts mehr gegessen und steuern zielsicher die Locanda Cipriani an. Hier wollen wir unser eingespartes Gondelbudget investieren, haben wir doch beschlossen, auf so eine überteuerte Gondel-Touristen-Tour zu verzichten. Wir haben keine Reservierung, sind auch nicht Hemingway oder Lady Di, wir spazieren in unserem Touristenoutfit in die Locanda und werden sehr nett begrüßt. Hier wurde angeblich das Carpaccio für einen adligen weiblichen Stammgast erfunden und das macht Uschi unglaublich glücklich. Mich machen die gefüllten Zucchiniblüten glücklich. Uschi genießt selig ihr hauchdünnes rohes Rindfleisch, das noch immer mit der weißen Sauce nach Rezept von Gründer Guiseppe Cipriani zubereitet wird. Vittore Carpaccio war ein venezianischer Renaissancemaler, seine Lieblingsfarbe entspricht der erfundenen weißen Sauce. Wir sitzen in dem wunderschönen Garten, der schon im März duftet und grünt. Der Nachmittag plätschert so dahin, wir sind satt und treffen in diesem Wohlgefühl als fleißige Touristen die Entscheidung, noch nach Burano zu schippern.

Die Boote sind völlig überladen, wir müssen uns quetschen und anstehen, dass wir noch mitfahren können. Der Gegensatz zu Torcello könnte nicht größer sein. Die Fischerhäuser von Burano sind so bunt gestrichen, dass die Fischer auch im Nebel wieder heimfinden. Man könnte meinen, heute ist der Anstrich für die Menschenmassen gemacht. Wir bummeln durch die Straßen und Geschäfte und trinken wieder mal einen Espresso Macchiato, denn es macht sich Erschöpfung breit. Burano ist bekannt für seine ausgesprochen schöne Spitze, sie wird mit einer Technik, dem »punto in aria«, dem Luftstich, hergestellt und soll den Fischernetzen abgeschaut worden sein.

Wir entscheiden heimzufahren und müssen viele Espressi lang anstehen, bis wir Platz auf einem Boot finden. Beim langen Anstehen sind wir nicht sicher, überhaupt noch von der Insel zu kommen, denn es ist schon spät.

Nach einer anstrengenden Überfahrt im Stehen kommen wir schließlich am Fondamente Nuove an und würden zu gern ein Taxi ins Hotel nehmen. Aber Taxi ist nicht in Venedig. Wir flüchten uns erstmal in ein Bacaro und sammeln Kraft für den Heimweg. Einige Gemüsehäppchen verscheuchen die Bootsfahrt und polieren die Laune auf Italienisch auf. Vielleicht noch ein Gelato auf die Hand? Ich bin schon den dritten Tag in Italien und habe noch kein Gelato gegessen. Mamma Mia.

Mauro hat natürlich schon Feierabend, wir müssen ihm morgen unbedingt für seinen Geheimtipp Torcello danken.

Heute ist nix mehr mit einem Giro di Bacari, wir können nicht mehr von Bar zu Bar ziehen, ich bin platt. Selig schlummere ich in sicherem Abstand zu meinem Murano-Lüster ein. Ich finde, wir haben uns bestmöglich auf den Eingangstest vorbereitet. Wenn morgen meine Kenntnisse über die italienische Küche oder italienische Designerhandtaschen abgefragt werden, laufe ich mit dem Cambridge-Zertifikat raus, auf Italienisch natürlich.

Tot sein kann ich morgen noch

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