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Café Florian

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Die Schule bietet etliche außerschulische Aktivitäten am Nachmittag oder Wochenende an. Gleich am ersten Schultag geht es nach der Schule in die Galeria dell´Accademia. Ziemlich viele Schüler treffen sich am Eingang, man erkennt sich durch die schwarzen Taschen der Sprachschule. Ich freue mich riesig und bin gespannt, ob ich kunstgeschichtliches Italienisch verstehen werde. Leider ist das Museum am Montagnachmittag geschlossen. Wie bitte? Die Lehrer der venezianischen Sprachschule wollen uns die Accademia zeigen und haben die Schließungszeit am Montagnachmittag nicht auf dem Plan? Che scherzo! Das kann nur ein Scherz sein. Ich muss lachen, das ist ein toller italienischer Moment. Stattdessen traben wir dem Lehrer hinterher, der mit einer Stadtführung improvisiert. Er erzählt uns vom Aufbau einer antiken Stadt und dem heute problematischen Massentourismus, blablabla. Uschi und ich schauen uns tief in die Augen und seilen uns von der Gruppe ab. »Uschi«, sage ich, »führe mich zum Markusplatz ins Café Florian, ich brauche nach diesem vielen spannenden Wissen eine Stärkung.« Aber Uschi ist weder als Sprachassistentin noch als Navigationsgeräteersatz wirklich hilfreich. Alles muss man selber machen.

Als Italienkenner wissen wir, dass der Cappuccino am Tresen eingenommen deutlich weniger kostet als draußen am Tisch. Wir lassen uns auf dem Barhocker nieder, ignorieren erstmal das geschichtsträchtige Interieur und bestellen una cioccolata con panna, dazu ein Macaron. Uschi bevorzugt die Ernährungsgewohnheiten der Queen und bestellt Scones mit Clotted Cream und Orangenmarmelade. In England gibt es für viele Themen zwei Lager, so auch für die Scones. Kommt zuerst die Clotted Cream oder die Marmelade auf den Scone? Jam first? Kaum zu glauben, dass man über sowas diskutieren kann. Uschi hält sich an das Vorbild der Queen Elisabeth: Jam first!

Wir sitzen am Tresen und haben erstmal nur Augen für unser exquisites Mahl. Unser Kellner Leonardo amüsiert sich über uns und fragt uns aus. Wir erzählen ihm von unserer Sprachschule und er beginnt sofort mit dem Unterricht. Er findet das cool. Als wir mit unserem Italienisch nicht mehr weiterkommen, holt er seinen Kollegen Luigi, der im Café San Marco in Bochum gekellnert hat und sehr gut deutsch spricht. Wir müssen im Himmel sein.

Das Café Florian soll das älteste Café Italiens sein. Wenn ich mich so umschaue, finde ich es herzerwärmend, dass ich im unveränderten Café sitze, wie Marcel Proust auch schon.

Nicht nur Venedig ist ein Labyrinth, das Florian auch. Es besteht aus einer Reihe verschachtelter Räume, die von einer ganzen Riege venezianischer Künstler ausgemalt wurden. Neben dem griechischen, persischen, chinesischen und orientalischen Salon gab es auch den Sala degli Specchi, den Spiegelsaal, der vier Frauen als Repräsentantinnen der Jahreszeiten zeigte. Früher durften Frauen keine Cafés besuchen. Der Spiegelsaal war eine Ausnahme, was zur Folge hatte, dass der Geschichte nach Casanova im Florian rege verkehrte. Man kann sich vorstellen, aus welchem Grund der Frauenheld dort Stammgast war. Ganz sicher wegen der Törtchen. Die heutigen Räume sind immer noch prächtig dekoriert, ausgemalt und vergoldet. Ob das wirklich Blattgold ist?

Das Café Florian ist Gegenstand vieler Diskussionen. Es geht immer um die Preise und die Frage, auf welche Art die Touristen in Venedig abgezockt werden.

Ich erlebe ein ehrwürdiges und geschichtsträchtiges Café mit umwerfend freundlichen Kellnern und Köstlichkeiten von hoher Qualität. Natürlich ist es teuer, die Rechnung am Tresen ist jedoch finanzierbar. Als Leonardo seine Schicht beendet und sich von uns verabschiedet, ist es auch Zeit für uns, in unseren Palazzo zurückzukehren.

Tot sein kann ich morgen noch

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