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Kapitel 2 – Wie alles begann
ОглавлениеEs war ein wunderschöner Frühlingstag im April. Man spürte wie die Natur aus ihrem tristen Kälteschlaf erwacht und neues Leben entstand. Die Bäume bekamen zarte Blätter, das Gras spross in einem hellen Grün und die ersten Blüten gingen auf und dufteten süßlich. Es war lange her das Kikki und Kira das Tageslicht sahen, schließlich hatten sie über drei Monate Winterschlaf gehalten. Beide mussten einige Zeit blinzeln, weil sie das grelle Sonnenlicht blendete. Als sie wieder klar sehen konnten, war der Anblick der neu erwachten Natur überwältigend schön für sie. „Wenn man so lange schläft und im matten Licht der Kerzen lebt, ist es schön wieder draußen in der Natur zu sein“ sprach Kira zu Kikki. Die nickte und sagte nur kurz: „Stimmt“. Sie kletterten auf das Dach ihres Grashügels und genossen die warme Mittagssonne. So nach und nach kamen die anderen Familienmitglieder aus der Höhle. Zuerst kamen die Eltern von Kikki und Kira, Vater Molle und Mutter Dissi, etwas später Oma Sana und Opa Butschi. Zuletzt kamen wie jedes Jahr Onkel Kasim und Tante Schmoll. In diesen Winter hatte sie aber noch drei Wintergäste aufgenommen. Es waren der Professor Stutz, Lehrer Klamm und die Sekretärin Asani. Sie wohnten normalerweise im Schulhügel, welcher aber durch einen Wassereinbruch kurz vor Winteranfang unbewohnbar geworden war. Auch sie waren zwischenzeitlich aus dem Hügel gekommen. Professor Stutz bedankte sich bei Vater Molle und Mutter Dissi für ihre Gastfreundschaft und machte sich gleich auf den Weg zum Schulhügel. Er hatte es eilig, denn in paar Tagen würde die Schule wieder anfangen und bis dahin musste alles wieder repariert sein. Es gab also noch viel zu tun. Der Winterschlaf war vorbei und reges Treiben erfüllte das Grashügeldorf. Es ist seit Jahren Tradition nach dem Winterschlaf ein Frühlingsfest auf der Insel Loma zu feiern. Für dieses Fest musste viel vorbereitet und organisiert werden. So bekamen die Jungschnäbler den Auftrag das Fest vorzubereiten. Unter anderem sollten sie den dortigen Festplatz sauber machen, genügend Tische aufbauen und die Tanzfläche reparieren. Auch für das große Feuer waren sie verantwortlich, welches bei Anbruch der Dämmerung angezündet werden sollte. Kikki und Kira halfen auch kräftig mit, schließlich war es das erste Mal, dass sie bei den Vorbereitungen mithelfen durften. Gegen Abend des zweiten Tages waren die Vorbereitungen fertig und die beiden schlenderten sichtlich gut gelaunt den weißen Sandstrand entlang. Sie alberten unbekümmert herum, als Kira in der Ferne etwas am Strand liegen sah. „So ein Mist! Heute Morgen haben wir den Strand sauber gemacht und jetzt liegt schon wieder etwas hier herum, “ sagte Kira zu Kikki und deutete in die Richtung, in der das Strandgut lag. Kikki sah es jetzt auch. „Was ist das und woher kommt es?“, fragte sie Kira. Beide gingen jetzt etwas schneller. „Komm beeilen wir uns. Vielleicht bekommen wir es noch vor der Dämmerung weg, dann brauchen wir es morgen früh nicht mehr machen.“ sagte Kikki. Als sie am Fundstück ankamen, staunten sie nicht schlecht, über dass was sie da sahen. Es sah aus, wie ein Dach von einem Schiff das verkehrt herum lag. Es sah nicht nur so aus, sondern es war das Kabinendach eines größeren Schiffes, welches komplett abgerissen und kopfüber an Land gespült wurde. Auf der Seite sah man einen Schriftzug. „PANDORA“. „Ob das wohl Name des Schiffes ist?“, fragte Kikki. „Wenn’s da steht, wird es wohl so sein, oder glaubt du die reißen ein Dach ab und malen einen fremden Namen darauf um uns zu ärgern“, erwiderte Kiki. Es war offensichtlich, dass dieses ein Teil von einem verunglückten Schiff war. Kira meinte: „Vorgestern Nacht hatten wir einen heftigen Sturm, vielleicht ist das Schiff dabei gekentert - möchte wissen, was mit der Besatzung des Schiffes passiert ist.“ Kikki schüttelte immer noch ungläubig ihren Kopf. Sie gingen um das Schiffsteil herum. Erst jetzt sahen sie, dass die Spuren weg vom Schiff in Richtung Festplatz führten. Vorsichtig folgten sie ihr. Ganz wohl war ihnen bei der Sache nicht. Was, wenn es ein Mensch ist der hier gestrandet war, sowie vor ein paar Jahren mit den Jägern? Als sie ihre Eier geraubt und alle Freunde, mitsamt ihren Bruder Philippe mitgenommen hatten, fragten sie sich. „Vielleicht ist es aber auch nur ein Tier das erschöpft ist oder Hunger hat?“, hauchte Kikki. Bei dem Wort Hunger, drehte sich Kira ganz schnell um und sah Kikki entsetzt an. „Du meinst doch nicht etwa einen Fleischfresser“, flüsterte Kira ängstlich. Dazu müsst ihr wissen, dass Schnabelvögel reine Vegetarier sind, sie essen also kein Fleisch. Kira nickte nur stumm und deutete auf einen der hinteren Tische, welche sie mittags noch aufgestellt hatten. „Sieh nur, da liegt doch etwas auf dem Tisch“, flüsterte Kikki wieder. Ganz vorsichtig schlichen sich die beiden immer näher, aber immer in Deckung bleibend, denn man wusste ja nicht was oder wer dort liegt. „Ich, ich hab Angst“, stammelte Kira und legte dabei einen Flügel auf Kikkis Schulter. „Ich kann’s hören, dein Schnabel klappert und deine Kopf- und Schwanzfedern zittern wie Körnerkraut“, sagte Kikki und schüttelte nebenbei Kiras Flügel von ihrer Schulter. Die beiden merkten gar nicht, dass es inzwischen Dunkel wurde. Normalerweise wären sie schon längst zu Hause und Hunger hatten die zwei Schwestern auch, aber jetzt abbrechen wo man doch so nah daran war? Nein jetzt wollten sie es wissen und nahmen ihren ganzen Mut zusammen und schlichen sich vorsichtig an den Tisch, auf dem etwas lebloses lag. Es war ganz still, nur die Wellen vom Strand waren zu hören. Kikki ging noch näher hin, was sie besser nicht getan hätte. Es wurde auf einmal ganz hell und ein fürchterlicher lauter und schriller Schrei zerriss die Stille. „Iiiiaaahhaa Iiiaaahaa“, hallte es durch die Nacht. Die Gestalt stand plötzlich auf dem Tisch und im Schein einer brennenden Fackel, welche er vor seinem Körper hielt, ließ ihn immer größer werden. Jetzt begannen auch Kikki und Kira laut zu schreien. „Iiiaahhaa Iiiiaahhaa“ und die fremde Gestalt schrie wie in einem Chor mit. Dann war es totenstill. Das Feuer auf der Fackel tanzte hin und her, genauso wie der Schatten der Gestalt, obwohl er ganz ruhig auf dem Tisch stand. Jetzt erst erkannten die beiden Schwestern, dass es ein Schnabelvogel war, welcher sie so erschreckt hatte. Man musste schon genauer hinsehen um dies zu erkennen, er sah irgendwie merkwürdig, ja anders aus, als andere Schnabelvögel. Der Fremde wollte ganz lässig vom Tisch springen, blieb aber dabei mit seinem Umhang an der Tischkante hängen und lag der Nase nach vor Kikki und Kira. Die beiden konnten sich nicht mehr halten und fingen an ganz laut zu lachen, was der Fremde gar nicht so lustig fand. „Ach ja, jetzt könne ihr auf einmale lachen, aber vorhin ware es nicht so lustig, als ihr euch gemacht habt vor Angst in Hose. Ihr denken Klabautermann hole euch ab, habe ich rechte oder wase?“ Feigste er und warf die Fackel im hohen Bogen weg. Die beiden Schwestern staunten nicht schlecht über seine komische Aussprache. „Oh habe miche noch gar nicht vorgestellte. Iche bin Philippe von die große Meere. Bezwinger von alle Menschen und Stürme“, sagte er stolz und bemerkte nebenbei, dass man einfach nur Philippe zu ihm sagen sollte, er würde keinen Wert auf Titel legen. Kikki und Kira stellten sich ebenfalls vor und man wollte gerade miteinander ins Gespräch kommen, als die Drei bemerkten dass es immer heller wurde. Kikki drehte sich um und sah, dass die weggeworfene Fackel, den errichteten Holzstapel fürs Frühlingsfest entzündet hatte. Blankes Entsetzen sah man in Kikkis und Kiras Gesicht. Das Feuer wurde immer größer und größer bis man es auf der ganzen Insel und dann auf dem Festland sah. Vater Molle und Mutter Dissi machten sich langsam sorgen weil Kikki und Kira noch nicht zu Hause waren. „Hoffentlich ist ihnen nichts passiert“, sprach Mutter Dissi zu ihrem Mann Molle. „Wenn sie in einer halben Stunde nicht da sind werde ich auf die Insel gehen und nachsehen wo die zwei bleiben. Die haben sich bestimmt wieder verquatscht und nicht bemerkt, dass es schon dunkel ist“, sagte Molle und ging mit Dissi vor den Hügel. Sie schauten sich um, aber nichts war von den beiden zu sehen. „Lass uns ihnen entgegen gehen, bevor sie sich noch verlaufen,“ sprach Dissi zu Molle. Der nicke ihr zu und beide liefen in Richtung Loma. Nach ein paar Minuten kamen sie auf eine Anhöhe von der man die Insel gut sehen konnte. Wie versteinert standen sie da, als sie das Feuer auf der Insel sahen. Es musste was passiert sein, soviel stand fest, aber was? Beide schauten sich entsetzt an und fingen an zu laufen, so schnell sie konnten. „Nicht schon wieder“, rief Dissi zu Molle. „Warte erst einmal ab, du musst nicht immer gleich von Schlimmsten ausgehen“ entgegnete er ihr. Das Feuer wurde immer größer und höher je näher sie kamen. Nach etwa zehn Minuten erreichten sie die Lagune der Insel. Jetzt waren es noch ungefähr hundert Meter bis zum Festplatz. Sie gingen jetzt langsamer und sahen was sich auf der Tanzfläche des Festplatzes abspielte. Da waren Kikki und Kira und ein dritter fremder Schnabelvogel die ausgelassen tanzten. „Das gibt’s doch gar nicht“, sagte Molle. Und Dissi kam jetzt so richtig in Fahrt. „Na wartet ihr zwei Hübschen, wir sitzen zu Hause und machen uns die größten Sorgen und sie feiern hier ein rauschendes Fest. Hab ich euch oder euer Vater das gelehrt? Ihr wisst doch genau was los war vor 11 Jahren! Warum macht ihr so was? Kommt ihr mir nur...“ sprach sie und verstummte plötzlich. Sie wollte ihren Augen nicht trauen. War das nicht, nein das kann nicht sein, aber er sieht doch genauso aus – der dreieckige Fleck auf der Stirn, die Streifen auf dem Flügel. Es war ganz still auf einmal. Philippe ging auf Mutter Dissi zu und blieb kurz vor ihr stehen. Sie schauten sich ganz vertraut an, als würden sie sich schon Jahre kennen. Beiden liefen Tränen über das Gefieder. Jetzt erst begriff Vater Molle wer da vor ihm stand. Es war ihr Sohn Philippe, der vor genau elf Jahren an der gleichen Stelle von Jägern geraubt wurde. „Mutter“, stammelte Philippe und beide fielen sich in die Arme. „Kind bist du groß geworden, schon ein richtiger junger Schnäbler“, schluchzte Dissi und drückte ihn noch einmal an ihre Brust. Selbst Vater Molle, den sonst nichts so leicht aus der Ruhe brachte hatte feuchte Augen, die er aber mit „Ich hab was im Auge“ begründete. Kira und Kikki wollten sich bei den Eltern für das Feuer und allem Ärger den sie jetzt angerichtet hatten entschuldigen. Sie sahen, dass von der Lagune her, unzählige Fackeln aus der Dunkelheit heraus, auf die Inseln kamen. Allen voran Opa Butschi, dahinter Oma Sana, Onkel Kasim, Tante Schmoll und – es war wohl das ganze Hügeldorf was vor ihnen stand. Die älteren unter ihnen erkannten Philippe sofort. Sie alle konnten es kaum glauben, was da soeben passiert war. Ein geraubtes Kind findet nach elf Jahren seine Heimat wieder. Zufall oder Schicksal? Das war allen Beteiligten egal, Hauptsache der „Bub“, wie Opa Butschi immer sagte, ist gesund und munter.