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2. Ein Versprechen – und was es impliziert

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Als Einstieg in die Analyse relativer Pflichten und Rechte wendet sich Reinach dem Phänomen des Versprechens22 zu. Sehen wir uns hierzu folgendes Beispiel an:

Vor einigen Tagen teilte mir C in einem Gespräch mit, er sei daran, einen Aufsatz über Stefan Zweigs Novelle «Angst» zu schreiben; worauf mir einfiel, dass ich ein Buch besitze, welches einen Essay über diese Novelle enthält. Das erwähnte ich C gegenüber, der sofort sein Interesse bekundete, die betreffende Abhandlung kennenzulernen. Darauf sagte ich ihm: (a) «Ich werde morgen Nachmittag das Buch mitbringen und es Ihnen ausleihen.» Als ich jedoch am folgenden Tag in die Schule ging und den auf mich wartenden C erblickte, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich vergessen hatte, das Buch mitzunehmen. Verlegen, konnte ich nur sagen: (b) «Es tut mir leid, ich habe das Buch zu Hause liegen lassen.» C, der eigens gekommen war, um das Buch in Empfang zu nehmen, monierte leicht ungehalten: (c) «Das darf aber nicht wahr sein!»

Ohne von C dazu gedrängt worden zu sein, hatte ich den Satz (a) ausgesprochen und mich dadurch verpflichtet, das in Aussicht Gestellte zu erfüllen. C nahm meine Worte als ernst gemeintes Versprechen auf, und hat daraus den Anspruch hergeleitet, am darauf folgenden Tag das Buch entleihen zu können.

Wie das Beispiel illustriert, entstehen bei einem Versprechen Anspruch und Verbindlichkeit. Daher war es mir selbst peinlich, dass ich das Versprochene vergessen hatte, ein Versehen, welches ich mit dem diffusen: «Es tut mir leid …» zugab. Und deswegen ist es auch verständlich, dass C verärgert reagierte, hatte er doch zu Recht erwarten dürfen, das Buch in Empfang nehmen zu können.

Existenzielle Gewissheit und individuelle Beständigkeit

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