Читать книгу Die Missionen 131-140 der Raumflotte von Axarabor: Science Fiction Roman-Paket 21014 - Bernd Teuber - Страница 15

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Dies war also der Wendepunkt. Von nun an ging es im Grunde für Haro nur noch bergab. Die nächste Stufe im Verlauf dieser Entwicklung stellte der Angriff des in diesem Sektor des Reiches beinahe allmächtigen Rohstoffbundes dar, der zum Ziel hatte, Haro die Orbitalstation wieder abzunehmen.

In Shangris Baumgarten fanden sich Teilnehmer für das anstehende pompöse Erste Sonnen-Picknick, das einen der höchsten Feiertage im System markierte, ein. Auf großen Schwebetischen türmten sich die Speisen, dessen verlockende Gerüche bis zu Haro vordrangen, der eine Zigarre rauchend von seinem Balkon aus das Treiben beobachtete.

Immer mehr Gäste strömten in den Park, Curianer, Asmaráe, Ak'tachi, und schon bald stiegen die ersten Papierdrachen zum diesjährigen Flugwettbewerb in den Himmel. Haro hatte das Ereignis, in dem das Antrittsgeld das ausgelobte Preisgeld bei Weitem übertraf, zu einer Attraktion gemacht. Dutzende von Kindern und Erwachsenen starteten ihre Fluggeräte, von pädagogisch wertvoll, mit dem eigenen Hauslehrer gebastelten Rautendrachen mit bunten Schleifen am Schwanz und schlichten Leinenspulen, bis hin zu raffinierten Kasten- und Figurendrachen, die mithilfe von Schwebefeldern und Laserschnüren gesteuert wurden, war alles dabei. Unter zwei Elternpaaren brach ein Disput aus, als sich ein kunstvoller Drache in den Laserschnüren eines Looping fliegenden Raum-Jäger-Modells verfing und abstürzte.

Haro lächelte – und lächelte noch immer, aber melancholischer, als er Roosha zusammen mit zwei livrierten Dienern sich einen Weg durch die Menge bahnen sah, um den Clinch zu schlichten.

Es folgte eine Durchsage bezüglich des Luftrodeos der berühmten Tharandt-Reiter. Später am Abend würde es ein Feuerwerk geben, pompöser noch als jenes der Hauptwelt am Tag der Ersten Sonne.

Sich umdrehend lächelte Haro Dinal zu.

Und genau in diesem Augenblick meldete sich sein Sprechgerät. Es war Kyle Rascer aus der Zentrale.

»Mr. Rascer, wie kann ich behilflich sein?«

Rascers Stimme war alarmiert. »Admin, aus dem Überlichtraum nähert sich uns eine Ansammlung unbekannter Schiffe.«

Gefolgt von Dinal steuerte Haro umgehend den nächsten Lift an. »Ich bin auf dem Weg. Versorgen Sie mich bitte mit den Fakten.«

»Laut Langstreckenabtastungen ein größeres Schiff von der Masse eines Leichten Kreuzers. Ferner zwei kleinere Objekte, vielleicht Kanonenboote.«

Sie betraten kurz darauf die Zentrale. Ein Blick auf den Hauptschirm, und Haro zählte neben den drei größeren Punkten mindestens zwanzig kleinere. »Und das hier ist – falls wir richtig liegen und diese drei Objekte sind Kanonenboote und eine Korvette – nichts anders als eine Sternjägerstaffel, die die größeren Schiffe durch den Überlichtschacht begleitet.« Er richtete sich auf. »Überlichttaugliche Sternjäger.«

»Wer mag das sein, Sir?«, stellte Rascer die offensichtliche Frage.

Die Zugangstür fuhr auf. Roosha erschien atemlos und lief zu Haro. »Ich habe es gerade gehört. Schiffe im Anflug?«

»Ja, Roosha. Wir bekommen Gesellschaft.«

Sie stellte sich neben ihn und warf einen langen Blick auf die Muster der eintreffenden Signale. Außer einem gequälten Aufstöhnen ließ sie nichts vernehmen.

Haro fragte sie wachsam: »Irgendeinen Verdacht?«

»Nein.«

»Bist du sicher? Dein Verhalten spricht eine andere Sprache.«

Sie atmete tief aus. Auf ihren Schultern ruhte eine zentnerschwere Last, als sie ihm gequält in die Augen sah. »Vielleicht die Schergen meines Stiefvaters, ich weiß es nicht.«

»Verbündete von ihm oder Skarmet Datura selbst?«

»Wie gesagt, ich weiß es nicht.«

Er wirbelte zu Dinal herum. »Wer immer da kommt, will sich die Raumstation einverleiben. Aber die Aussicht werden wir ihnen verübeln. Rascer, erteilen Sie unseren Piloten den Befehl zum Alarmstart. Und den Orbitalschild aktivieren. Er wird uns bei einer Invasion zwar nichts nützen, hält aber wenigstens Trommelsalven ab.«

»Die wollen Shangri nicht in Schutt und Asche legen«, sagte Roosha.

Haro sah sie an, sagte dazu aber nichts, jedoch zu Dinal gewandt: »Es könnten ebenso Piraten, freie Besatzungen oder Söldner sein, die es auf unsere Einnahmen abgesehen haben.« Er ließ einen Mikrofonstiel ausfahren und sprach hinein: »An alle Gäste und Bürger, es spricht Admin-Operator Haro Shapton. Unglücklicherweise verdichten sich die Anzeichen eines bevorstehenden Konflikts mit einer unbekannten Flotte. Ich bitte sämtliche Besucher der Ausflugspromenaden, Freizeitdecks und Freiluftmärkte sich zu ihrer eigenen Sicherheit umgehend in ihre Quartiere zu begeben. Das Sicherheitspersonal hat die Situation unter Kontrolle. Es gibt keinen Grund zur Panik oder für eine Evakuierung. Bitte leisten Sie den Anweisungen unseres geschulten Personals Folge. Selbstverständlich halten wir Sie auf dem Laufenden. Shapton Ende.«

»Sir! Rematerialisierung der Schiffe bei eins-eins-sieben.«

Haro lief zu Rascer. »Ich sehe es.«

Eine modifizierte Korvette, die von zwei Kanonenbooten flankiert wurde; zudem etwa zwanzig veraltete Photonenfeldflieger.

Haro ließ pfeifend die Luft zwischen gespitzten Lippen entweichen.

Jetzt wusste er, mit wem sie es zu tun hatten.

»Die Gilde«, sagte er. »Also nicht die Männer deines Stiefvaters.«

»Nein, aber ungleich schlimmer.«

Die Warenhandelsgilde war gekommen, um Haros Unternehmen zu annektieren, ein bereits bekanntes Vorgehen. Den seinerzeit größten Erzförderer hatte es vor drei Jahren erwischt, ohne dass es jemanden interessiert hatte.

Haro befahl Rascer: »Unsere Piloten sollen sie hinhalten und in Scheingefechte fern der Station verwickeln. Roosha, du überwachst die Evakuierung. Keine Alleingänge oder Heldentaten. Jedes Quartier, jeder zentrale Gang und Saal wird magnetisch verriegelt.«

»Ja, Haro.«

»Dinal, die Wachmannschaften auf ihre Posten. Sollte man Invasionstruppen absetzen, will ich sie gebührend in Empfang nehmen lassen.«

Dinal und Roosha verließen die Zentrale.

»Sie, Rascer, stellen mir eine Verbindung zur nächsten axaraborianischen Garnison her.«

»Jawohl, Admin.«

Haro wartete ab, durchdachte währenddessen die Sache.

Die Warenhandelsgilde. Wie seinerzeit die verbrecherische Fiskalkoalition war auch dieses Konglomerat durch feindlich übernommene und ausgeschlachtete Konkurrenzunternehmen gewachsen.

Die Sektor-Regierung hätte diesem Treiben längst Einhalt gebieten sollen, und Haro fragte sich unwillkürlich, weshalb sie es bislang nicht getan hatte.

Rascer meldete sich mit der gewünschten Hyperbildverbindung zum nächsten axaraborianischen Flottenstützpunkt bei Venoshat.

Ein holografisches Bild baute sich über dem Projektor auf. Atemlos lauschte Haro der wenig melodiösen Stimme des weiblichen Flottenoffiziers: » Hier Lieutenant Farc vom Büro Admiral Shion Bakuers.« Ein kurzer, abschätzender Blick. »Sie sind Admin-Operator Shapton von Shangri?«

»Ganz recht, Lieutenant.«

»Ihre Kommunikationsordonanz berichtet uns von einem bevorstehenden Angriff der Warenhandelsgilde auf Ihre Einrichtung. Entspricht das den Tatsachen?«

»Ja, Lieutenant.« An Rascer gewandt: »Der Basis eine Kopie der Gefechtstaktik übermitteln.«

»Sofort, Sir. Erledigt.«

»Nun, Lieutenant Farc, Ma´am. Wie Sie anhand der Daten sehen können ...«

»Sparen Sie sich die Ansprache, Shapton.«

»Dann glauben Sie mir und schicken uns Hilfe?«

»Ich glaube Ihnen, weil Ihre Aufklärung uns die entsprechenden Bilder liefert. Und wir werden Ihnen mitnichten zu Hilfe kommen.«

»Aber hier geht es um die Abwehr eines gesetzeswidrigen Angriffs auf ein ziviles Unternehmen.«

»Die Warenhandelsgilde wird die Verluste auf Ihrer Seite so gering wie möglich halten.«

»Das garantiert Ihnen wer?«

Er atmete tief durch, strich sich abwesend über den Stoff seiner Montur und die Haare aus dem Gesicht. Die Gilde muss sich vorab die Autorisierung des Reiches eingeholt haben, um derart unverfroren vorgehen zu können.

Irgendein hohes axaraborianisches Tier war also im Vorfeld von Mittelsmännern des Bundes geschmiert worden, um diese ›Übernahme‹ abzusegnen.

»Hören Sie, Lieutenant. Ihre moralische Verpflichtung, einer unterlegenen Partei bei einem aggressiven Akt beizustehen, zählt anscheinend nicht. Darüber hinaus stelle ich Ihnen eine entsprechend beträchtliche Würdigung jedweder Hilfe in Aussicht.«

»Vergessen Sie es, Shapton.«

»Aber ich missbillige Ihr Vorgehen auf das Schärfste!«

»In Ordnung. Ich kann mir Ihre Missbilligung leisten. Die Politik der Konzerne ist nicht unsere Sorge, sofern sie nicht die Belange des Sternenbundes betrifft.«

»Das ist erschreckend kurzsichtig gedacht.«

»Ferner gilt die Pflicht, unsere Leute aus unnötigen Streitigkeiten herauszuhalten.«

»Bei allem Respekt, ich denke nicht, dass es Ihnen zusteht, im Namen Ihres Vorgesetzten eine solche Entscheidung zu treffen und mein Beistandsgesuch kategorisch abzulehnen.«

»Sie möchten mit Bakuer sprechen, um ihm Bestechungsgelder zu offerieren?«

»Nun ...«

»Das können Sie mit mir ebenso ausbaldowern.«

»Also schön.«

»Ihr Angebot lautet?«

Er atmete geräuschvoll aus. »An'rum. Fünfhundert Barren.« Dann seufzte er. Das An'rum war sein gesamtes Erspartes, sein komplettes Privatvermögen. Aber hatte er eine andere Wahl? »Werden Sie uns nun helfen, oder ist es noch immer nicht genug?«

Farc fixierte ihn. Ihr Blick war weiterhin undurchdringlich.

»Bei allen Sonnen, Lieutenant, wir werden angegriffen!«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Dann erschien ein teigiges, aschgraues Gesicht mit leuchtenden grünen Augen und einem roten, militärisch akkurat gestutzten Schopf: Shion Bakuer.

»Admiral«, begann Haro hoffnungsvoll.

»Keine weiteren Ausführungen oder Debatten, ich habe alles mitgehört. So leid es mir tut, Mister Shapton, Ihre Station ist schlicht zu weit weg, um eingreifen zu können.«

»Sie gehen fehl in der Annahme, Admiral, wir könnten die Invasoren nicht lange genug hinhalten, bis Sie mit Ihren Kriegsschiffen da sind.«

»Das sehe ich allerdings anders.«

»Sie lassen uns im Stich, weil Ihnen der Weg zu weit erscheint?«

»Eine nüchterne Analyse der Situation, Shapton. Wir können nichts unternehmen, da wir nicht vor Ort sind. Wir wollen auch gar nichts unternehmen, da Ihr Problem für uns keine Rolle spielt.«

»So nennen Sie das? Der Bund gehört zwingend in seine Schranken verwiesen!«

»Ganz falscher Ansatz. Sie haben zu viel auf dem Kerbholz für solche Forderungen.«

Haro ließ die Atemluft langsam entweichen. »Ich bin ein Bürger des Sternenreiches.«

»Ihre Überfälle auf Luxusliner und Touristeneinrichtungen bei Arson und Meliwar. Ihr jahrelanges Katz- und Mausspiel mit den Zollfahndern. Ihre alte Verbindung zu diesem steckbrieflich gesuchten Renegaten, Toryn Fendt. Ferner dieses Scharmützel mit einer Wachmannschaft auf H'skell. Soll ich weiter fortfahren?«

»H'skell war ein schwerer Fehler, Admiral.« Er sollte besser schweigen, aber die Ausweglosigkeit seiner Situation belehrte ihn eines Schlechteren und ließ seine Verzweiflung wie Luftblasen an die Oberfläche steigen. »Weshalb, wenn all dies so schwer wiegt, wurde ich dann nicht wie ein Krimineller zur Rechenschaft gezogen?«

Bakuers Schweigen, gepaart mit dessen allwissendem Blick, war fast mehr, als Haro ertragen konnte. Es erschuf in ihm das Gefühl von Machtlosigkeit.

»Nun, Admiral?«

»Die Aufhebung Ihres Haftbefehls erfolgte damals von höchster Stelle. Wir alle sind kleine Rädchen in einem unendlichen Räderwerk, das sich immer weiter dreht. Sie werden sich auch zu drehen haben, wenn es von Ihnen verlangt wird. So ergeht es uns allen.«

Haro zischte ausgebracht: »Zurück zu meinem Hilfegesuch.«

»Es ist hiermit abgelehnt, Shapton. Weshalb sollte ich Ressourcen aufs Spiel setzen, um zu verhindern, dass eine abgelegene Raumstation den Besitzer wechselt? Und wissen Sie noch etwas? Kurz nachdem Sie damals diesen Außenposten von Skarmet Datura übernommen haben, hat sich eben jener auch bei uns gemeldet. Datura wollte, dass wir Ihnen die Anlage wieder abnehmen. Ich habe ihm geantwortet, was ich Ihnen nun sage: dass es uns gleichgültig ist, wer dort das Zepter schwingt. Hauptsache, die Raffinerien sind langfristig sichergestellt.«

Haro fühlte sich wie ein Tölpel, ertappt und bloßgestellt von den herrschenden Gesetzen einer verlotterten Galaxis.

»Dies ist meine Niederlassung! Ich verlange Ihre Unterstützung bei der Durchsetzung meiner gesetzlich garantierten Ansprüche!«

»Negativ. Ihre Ansprüche interessieren mich ebenso wenig wie Daturas Ansprüche damals.«

»Falls Sie meinem Ansinnen nicht nachkommen, würde dies ein schlechtes Licht darauf werfen, wie die Raumflotte mit sich anbahnenden Konflikten verfährt. Gerade jetzt eine zweifelhafte Vorgehensweise, wo diese praetorianischen Freischärlereinheiten unentschlossene Sternensysteme im Quadranten für ihren Aufstand begeistern möchten.«

»Das sagen ausgerechnet Sie, als ehemaliger Renegat?«

Haro fixierte Bakuer. »Die axaraborianische Elite, wie ich sie kenne, hätte nicht erst überlegt, sondern zugegriffen. Sie aber interessiert das An'rum nicht. Was steckt wirklich hinter Ihrer ablehnenden Haltung?«

Bakuers eisiger Blick. »Sie und Ihr Unternehmen sind zu unbedeutend, um auch nur einen Jäger zu verlieren. Bakuer Ende.«

Die Hände in die Hüften gestemmt, stand Haro noch eine Sekunde lang vor der abgeschalteten Projektorlinse, ehe er laut befahl: »Gefechtstaktik auf den Hauptschirm!«

Sämtliche Raumbootstaffeln waren gestartet, insgesamt über vier Dutzend. Die knapp zwanzig Photonenjäger sollten ihre Mühe mit ihnen haben. Aber die Korvette und die Kanonenboote waren eine andere Sache.

Haro hegte bereits eine Idee. »Madame Cowl?«

»Ja, Admin?«

»Den Orbitalschild auf Maximum ausdehnen.«

Seine Verteidigungs-Wachhabende zögerte.

»Meinen Befehl ausführen, Cowl, aber im Eiltempo!«

»Tut mir leid, Sir. Verstanden.«

»Ausdehnungsrate fünfzehn Prozent.« Er wirbelte herum. »Rascer! Unsere Piloten sollen sich ausschließlich innerhalb des Schildes bewegen.«

Rascers Staunen in seinem Gesicht übertraf das von Cowl. Aber er folgte der Order.

Haro schritt näher an die gewölbte Fensterscheibe. »Der Schild wird durchlässiger für deren Geschütze, aber nicht weitgehend genug, um ernste Schäden zuzulassen. Unser Vorteil ist, dass die Jäger des Rohstoffbundes erst kommen und sich ihre Beute holen müssen. Unsere Piloten kennen die Typographie der Station weitaus besser. Und ich habe aus dem Grund den Schildradius erhöhen lassen, da es den Kampfschiffen so verwehrt bleibt, sich aktiv an den Kämpfen zu beteiligen, weil ihnen unterhalb der Schildkuppel der Platz zum Manövrieren fehlt. Der Nachteil wird jedoch sein, dass jeder abgeschossene Jäger in der Station aufschlagen wird.« Sein Blick war entschlossen. Aber falls es funktioniert wird es meine Station bleiben.

Haro wandte sich dem Funkchef zu. Der bärtige Boko Tav wies einen angeborenen Sprachfehler auf, der ihm den Spitznamen ›Tatze‹ einbrachte.

»Mr. Tav, unterrichten Sie unsere Piloten und auch Dinal von dem Plan.«

»Jawohl, Miszer Shapton. Also Pilozen, hier Zenzrale. Boko Zav sprichz. Wir haben einen Plan. Hier kommen eure Anweisungen.«

Haro hörte, was Tav mit dem Kommandanten besprach. Der Plan war, obwohl spontan ersonnen, in der Tat vielversprechend.

»Dann los, Piloten«, funkte ihnen Haro. »Zeigt es diesen Anfängern!«

»Verstanden, Admin.« Nax Imbodden hörte man die Vorfreude deutlich an.

Haro begab sich an den Schlachtenanalyseschirm und wartete ab.

Die Photonenjäger der Gilde formierten sich um mehrere bestimmte Punkte außerhalb des Schutzschildes, um auf Befehl durchzustoßen und die Verteidiger in Kämpfe zu verwickeln.

»Eingehende Nachricht, Sir. Das Signal stammt von der Korvette«, sagte Rascer.

»Entgegennehmen.«

Das holografische Bild entstand vor ihnen.

Haro verzog angewidert das Gesicht und stand auf. »Dies nenne ich mal ein gutes Beispiel für den alten Ausspruch, innere Verderbtheit pflanzt sich irgendwann auch nach außen fort.« Haro hob das Kinn. »Ich nahm an, man setzt mir einen ausgemachten Führer jenes verbrecherischen Syndikats, das Ihr als Gilde bezeichnet, vor – nicht einen drittklassigen Unterhändler.«

Der dreiäugige Ra'an mit dem ziegenähnlichen Kopf starrte Haro mit seinen schwarzen Iriden an und bleckte kaum merklich die Zähne. »Ich bin Zirid Thot vom Clan der Kell´ingi und Oberster Sprecher der Warenhandelsgilde in dieser Angelegenheit.«

Die Ra'an – geldgierig, egozentrisch und unethisch bis ins Mark, schlimmer noch als jeder Mensch.

»Ich bin Admin-Operator Haro Shapton. Von welcher Angelegenheit sprechen Sie, Oberster? Davon, mir unlauter meine Station wegzunehmen?«

»Admin-Operator. So nennen Sie sich?«

»Ob Sie es gutheißen oder nicht: Ich habe hier das Sagen.«

»Ein Umstand, den es zu korrigieren gilt.«

»Nur über meine Leiche.«

Thot zögerte. »Ich halte es dennoch für möglich, gemeinsam mit Ihnen eine dauerhafte Regulation zwischen Shangri und der Gilde zu installieren.«

Dies wäre dann kein Angebot, sondern ein Diktat. »Ich höre, Thot«, sagte Haro trotzdem, um Zeit zu schinden.

»Wir verzichten auf den Angriff. Im Gegenzug dafür treten Sie den Großteil Ihrer Ermächtigungen an unser Prokurat ab.«

»Ermächtigungen welcher Art?«

»Wir möchten eine Ausschließlichkeitsklausel in unser Handelsabkommen mit Shangri einbringen. Die Gilde erklärt sich bereit, Ihnen Ihre Mevranium-Jahresproduktion abzunehmen. Sie wiederum verpflichten sich, weder Ihre Produktion zu erhöhen, noch an andere Abnehmer zu verkaufen. Die Vorteile einer solchen Regelung sind offensichtlich: Sie werden vom wirtschaftlichen Zyklus aus Angebot und Nachfrage befreit und brauchen Ihre schwer verdienten Gewinne nicht in Werbemaßnahmen oder Bestechungsgelder zu stecken.«

Fast schon ein eigener Staat im Staat, der autonom funktioniert und sich seine eigenen Gesetze schafft. Wieder fragte sich Haro, weshalb die axaraborianische Zentralgewalt dies zuließ. Wussten womöglich die relevanten Stellen gar nicht, was hier vorging?

»Und die Vorteile für die Gilde?«

Thots Augen wackelten. »Wir werden der ansehnlichen Liste an Erzeugnissen, die wir bereits vermarkten, Ihre Erzeugnisse hinzufügen. Das stärkt zwangsläufig unsere Wettbewerbsposition.«

»Was wird aus meinen gegenwärtigen Kunden?«

»Sie werden zu unseren Kunden. Wir werden alle bestehenden Verträge erfüllen und neue aushandeln.«

»Inklusive saftigen Preisaufschlägen.«

»Allerdings.«

»Wie werden Sie mich für die gelieferten Kontingente bezahlen?«, fragte Haro .

»Eine Hälfte in Geld, die andere in Waren. Die Gilde stellt praktisch alles her, was diese Station benötigt. Und da ständig weitere Konzernaggregationen zu uns stoßen, können wir Ihnen ein immer umfangreicheres Warensortiment anbieten.« Er lächelte. »Sie erzeugen die Rohstoffe, und wir vertreiben sie. Eine natürliche Arbeitsteilung. Ihre Supercargos liefern die Fördermengen an die Gilde, und wir werden die Weiterleitung zu den Endabnehmern übernehmen.«

»Und den Endpreis festlegen.« Er blickte Thot starr entgegen. »Der ein Vielfaches über dem Üblichen liegen dürfte. Ich trage das Risiko, den Aufwand und die Kosten für die Förderung – und die Gilde streicht die Profite ein. Ich überlasse Ihnen die Preisverhandlungen mit Großkunden wie dem Sternenbund – und das in Kriegszeiten, wo der Marktpreis für alles in diesem Sektor des Reiches sich täglich nach oben korrigiert. Der lukrative Hauptaspekt dieses Geschäftes ist mir hinreichend bekannt, und Sie kommen mir mit aufgezwungenen Handelskonzessionen? Es geht darum, den Rohstoffmarkt des ganzen Quadranten im Ihrem Sinn zu monopolisieren. Für wie töricht halten Sie mich, Thot?«

»Es ist keine Frage von töricht oder listenreich. Eher von Verantwortungsbewusstsein und überlebenswichtiger Vernunft.«

Haro überging die Drohung. Die Gilde und die Raumflotte müssen eine Vereinbarung getroffen haben, einen Deal zwischen korrupten Managern und Beamten. Die Raumflotte könnte dieses Treiben unterbinden. Irgendwer muss außerordentlich gut daran verdienen.

Und genau darum greift auch niemand ein, um mich vor der Gilde zu schützen.

Der Ra'an musterte Haro, dann schob er nach: »Im Grunde sind Sie selbst schuld, Shapton. Sie hätten mit dieser Anlage insolvent gehen sollen, damit wir günstig die Reste hätten aufkaufen können.«

»Nur dass ich mich bewährt habe. Langsam wird mir so einiges klar.«

Eine nicht unübliche Praxis unter konkurrierenden Großkonzernen: Ein eigentlich florierendes Unternehmen wird, auf welchem Weg auch immer, ruiniert. Dann kommt ein Konsortium aneinander teilhabender Unternehmen daher – ein Syndikat, ein Kartell, es kann viele Namen tragen –, kauft das in Schieflage geratene Konkurrenzunternehmen und platziert es neu ausgerichtet am Markt. Ergo ist das Unternehmen wirtschaftlich im Kern durchgehend gesund. Ein Leichtes, es wieder auf die Beine zu stellen.

Im Fall der Raffinerien war ich der Lockvogel, um Datura sein Eigentum wegzunehmen. Offensichtlich war es ein getürktes Spiel. Man hat angenommen, ich könnte die Mine nicht auf rentablem Kurs halten oder auch nur seriös betreiben. In dem Fall wäre die Gilde mit einer unverschämt niedrigen Kaufofferte erschienen, um mich von all meinen Sorgen zu befreien. Vermutlich hätte ich eingewilligt.

Ein einträgliches Geschäft, ein gerissener Plan: Die Warenhandelsgilde hätte sich eines weiteren Konkurrenten auf dem umkämpften Rohstoffmarkt entledigt, gerade in Zeiten, wo die Nachfrage explodiert.

Er lächelte. »Ihr miesen Kerle wolltet in Seelenruhe abwarten, bis der Wert dieser Anlage ins Bodenlose gerutscht wäre – um dann zuzuschlagen und die Station zu einem Ramschpreis zu erwerben.«

Zirid Thot sagte mit zuckenden Augen: »Ein letztes Angebot, Shapton: Deaktivieren Sie den Energieschild, und übergeben Sie uns die protokollarische Kontrolle über die Station, und Ihre Besucher haben das Wort der Gilde, unbehelligt diesen Ort verlassen zu können.«

»Meine Gäste können Shangri jederzeit verlassen. Falls Ihre Leute sich entschließen, sie abzuschießen, wird das eine lange Kette unbequemer Prozessangelegenheiten nach sich ziehen. Es wird unleugbare Beweise für die Gräueltaten an Zivilisten geben, Thot, Hyperbildaufnahmen, Augenzeugenberichte, Funkbotschaften in alle Teile des Weltalls.«

Thot erwiderte bedrohlich: »Senken Sie den Schutzschild, beordern Sie Ihre Jäger zurück, und übertragen Sie uns die Kontrolle über die Station!«

Haros Kiefermuskeln spannten und entspannten sich, sein Mund war ein schmaler Strich. Er kappte die Verbindung zu Thot und funkte an seine Piloten: »Hier Shapton: Die Verhandlungen sind ergebnislos geblieben. Staffelführer Imbodden und Krisher?«

Die Piloten meldeten sich. Haro sagte: »Einsatzbefehl übermittelt. Bleiben Sie unter allen Umständen innerhalb des Orbitalschildes und halten Sie uns die Jäger vom Leib, bis wir eine Lösung des Problems erarbeitet haben.«

»Verstanden, Sir«, kam es synchron aus dem Lautsprecher.

Haro, durchatmend, sah die Raumbootformation über die Stadt rasen und rasch aufsteigen. Elegant umkurvten sie die Türme und Aufbauten. Weiter oben glühten unscheinbar die miteinander reagierenden Interferenzeffekte des Energieschildes.

»Feindformation!«, meldete Rascer.

Schicksalhafte Ruhe überkam Haro. »Ein Sprichwort von meiner Geburtswelt: Drücke nicht vorschnell ab, aber warte auch nicht, bis der andere dich erschießt. – Wir müssen Köpfchen beweisen, wenn wir das hier überstehen wollen.«

»Ja, Sir«, sagte Rascer.

Haro nickte. »Sehen wir, was geschieht.«

Die Photonenflieger durchstießen den Schild. Diffuse Wellenmuster bildeten sich, dann folgten Entladungen wie von überdimensionierten Blitzen. Im Generatorraum der Schildanlage gab es einen Funkenregen, als das Energielevel des Schildes durch die kurzzeitige Perforation ins Bodenlose sackte und von den Niveaumodulatoren wieder hochgefahren wurde.

Die Staffeln unter Imbodden und Krisher trafen auf erste Photonenflieger. Imboddens Flieger, flankiert von Krishers Booten, die sich zurückfallen ließen, um ihnen den Rücken freizuhalten, hefteten sich an einen Feindjäger, der nach einem ersten ungestümen Anflug auf den früheren Militärpiloten dessen fliegerische Überlegenheit zu spüren bekommen und Reißaus genommen hatte. Sie konnten den Abstand nicht reduzieren, aber bestrichen ihren Gegner mit kurzen präzisen Feuerstößen. Schließlich erreichte ein Gildenflieger den Energieschild, stieß hindurch, und die Verteidiger drehten ab. Der Gildenpilot indes, als er gewahrte, dass man ihm nicht folgte, umkurvte den Orbitalschild, stieß an anderer Stelle wieder hindurch und feuerte auf einen überraschten Verteidiger, dessen Raumboot Feuer fing und einen Rauchschweif nachziehend jenseits der Crabtree-Habitate verschwand.

Haro kaute auf seiner Unterlippe, als ein weiterer Flieger in die Außenanlagen der Station krachten. Es würde empfindliche Schäden geben, falls es nicht gelang, den Übernahmeversuch rasch abzuwehren.

Lasergeschütze schleuderten den Angreifern Energiesalven entgegen, wenn diese den Schild mit einem Lichtphänomen durchbrachen, zumeist aber ohne durchschlagenden Erfolg. Binnen der nächsten zwanzig Standardminuten zerstörten anfliegende Gildenkräfte den Großteil der Geschützstellungen und zudem wichtige Teilsegmente der auf den höchsten Türmen installierten Sensorenphalanx. Von nun wurde es schwierig, näher kommende Schiffe zu identifizieren.

Haro musste reagieren. »Madame Cowl: Alles für die Evakuierungsanordnung vorbereiten.«

Die Zivilschutz-Wachhabende entgegnete: »Ja, Admin.«

Die ionisierten Leuchtspuren der Auslass-Schweife der Raumboote und deren Verfolger zeichneten elegante Bahnen an den Himmel. Energielanzen zischten von überall. Eigentlich ein prächtiges Farbenspiel.

Haro schluckte. Seine Stimme aber war ruhig und gefasst.

»Wie viele Piloten noch, Cowl?«

»Imbodden und Krisher, Sir, beide unversehrt. Ferner Vvordon Vvoh und Horax P´Rasant, außerdem Ceiro Nimas und Nint Turbp.«

»Wer noch?«, fragte Haro.

»Niemand mehr, Sir.«

Der Hauptzugang fuhr auf, Roosha betrat die Zentrale. »Die Feiglinge locken unsere Flieger an den Schildrand, um sie dann aus einer anderen Richtung abzuschießen. Unsere Luftverteidigung ist praktisch ausgeschaltet. Bald wird es erste Landungen auf den peripheren Plattformen geben. Aber wir wissen nicht, wo sie landen werden«, sagte sie. »Wir können den Kurs ihrer Enterschiffe verfolgen und daraus unsere Schlüsse ziehen, aber bis dahin können wir nur abwarten.«

»Legt ein Kreuzfeuer, opfert ein paar Türme, um sie aufzuhalten und zurückzuschlagen.«

Sie sah ihm offen ins Gesicht. »Wir verschaffen uns Zeit, um was zu tun?«

Haro sagte nichts, er stand da wie aus Stein. Cowls Stimme brach durch seine Gedanken, aber er hörte gar nicht richtig zu. Gemeinsam mit Roosha schritt er schließlich zu einem der Panoramafenster.

Eben noch jagten die Kräfte des Bundes die Verteidiger zwischen den Türmen; Ceiro Nimas und Nint Turbp erwischte es in einer scharfen Kehre. Ihr Fluggerät fing am Heck Feuer, brach auseinander und rasierte einen Turm der Mangor-Residenz.

Haro schluckte hart, sein Körper verkrampfte sich beim Anblick der aufsteigenden Pilzwolke ... und sah dann erst einen, dann einen zweiten Photonenflieger feuerspeiend auseinanderbrechen und über den Rand der Station in die Tiefe wirbeln, verfolgt von einsitzigen Jagdmaschinen.

»Hast du das gesehen, Haro?«, fragte Roosha ihn aufgeregt.

Haro versuchte einen zweiten Blick zu erhaschen. Zu schnell, um sie identifizieren zu können, waren die unbekannten Maschinen aber bereits wieder außer Sicht. Von woanders rasten weitere von ihnen heran, lenkten mit wahnwitzigem Tempo zwischen die Aufbauten der bedrängten Raumstation und verschwanden.

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