Читать книгу Die Missionen 131-140 der Raumflotte von Axarabor: Science Fiction Roman-Paket 21014 - Bernd Teuber - Страница 9

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»Wenn du das siehst, Haro, bin ich nicht mehr am Leben. Natürlich weiß ich nicht, wie mich der Tod ereilt hat. Ich male mir oft aus, wie ich wacker und ehrenhaft im Gefecht fallen werde.«

Unbehagen ergriff von Haro Besitz.

»Diese Sache«, sagte das virtuelle Abbild, »hat irgendwie auch mit Poss und Ivén zu tun. Und mit Luray, aber was interessieren dich schon die alten Geschichten, Haro?«

»Meine Rede, Sal.« Haro hob den Cognacschwenker dem mitten in seiner Suite stehenden, lebensgroßen smaragdgrünen Hologramm zu. »Weiter im Text.«

Saline Odeste, Muse, Diva, führender Kopf der Nachtdolche, Waffenschwester, Gespielin und seid zehn Standardstunden mausetot. Sie war schon zu Lebzeiten eine unbequeme Natur gewesen. Aus gutem Grund hatte Haro die Liaison zu ihr abgebrochen und war zu den Sternen geflohen. Ein Leben im Kielwasser einer solchen Frau verhieß eine Existenz in permanenter Sorge um das eigene Überleben.

Saline sprach weiter. »Die arme Luray. Luray Karid, Haro. Erinnerst du dich an sie?«

»Ich denke, wir sollten die Vergangenheit ruhen lassen.« Er musterte sein fast leeres Glas.

»Es ist alles so lange her«, sagte das Hologramm. »Aber wenn etwas so schrecklich ist, vergisst man es niemals wieder ganz.«

Haro stand auf, um sich nachzuschenken. »Selbst über den Tod hinaus mimst du die Unbeugsame.«

»Man hat Alpträume, Haro. Zuweilen überfällt einen die Erinnerung sogar am Tage, im Licht gleich mehrerer Sonnen.«

Er nahm wieder Platz. Sein Blick ruhte auf Sals hübschem Gesicht.

»Manchmal gibt es einen Erklärungsansatz dafür, etwa, wenn man etwas Vergleichbares auf einem Unterhaltungssender sieht, irgendeinen geschminkten Actionhelden, der über einem Abgrund hängt, unter sich nur die Bodenlosigkeit.«

»Phantasievoll, Sal. Und was bezweckst du damit ?«

Sie hörte auf zu sprechen, senkte den Blick. Als sie erneut anhob zu Sprechen, klang ihre Stimme noch schmerzerfüllter.

»Meistens werden die Guten gerettet, im letzten Moment und unter Darbringung aller Opfer, aber doch gerettet.«

Haro nahm einen Schluck. »Nur die Sterne wissen, woher du deine Illusionen nimmst.«

»Und manchmal ereilt einen das Ende wie aus dem Hinterhalt«, fuhr Sal fort. »Ich denke oft daran. Ich tue etwas ganz Alltägliches ...«

»Wie Regierungstruppen in ihren Kampfrüstungen über den Haufen schießen? Ein Tresorschiff aus seiner Hangarbucht kapern?«

»... etwas ohne Bezug zu Lurays Tod, und plötzlich bin ich wieder mit dir, Poss und Ivén und Luray im Innern dieses Gebäudes.«

Er lehnte sich zurück. »Lass doch die alten Geschichten ruhen.«

»Das Nachschubdepot auf H'skell. Mir passiert es noch immer wieder, trotz all der Jahre. Plötzlich bin ich dort.«

Dann weinte sie stumm, er sah es so deutlich in ihrem Gesicht, wie man einen Meteoritenschauer am Nachthimmel erkennt.

Sals Worte klangen sarkastisch: »Die Zeit heilt alle Wunden und so weiter.« Kopfschütteln.

Haro biss die Zähne zusammen. Lurays Tod war ein Desaster gewesen.

Darum ging es Sal mit ihrer Ansprache an Lurays siebtem Todestag.

Er knallte das Glas auf die Kristallplatte.

Sal war noch nicht am Ende. Haro stockte der Atem, als sie weitersprach.

»Was geschehen ist, ist unentschuldbar, Haro, und ich habe die Absicht, dich dafür zu töten. Oder ich hatte die Absicht. Noch einmal: Wenn du dir das ansiehst, bin ich längst tot, und du hast überlebt. Allerdings bin ich fest entschlossen, dich noch aus dem Grab heraus zu verfolgen. Ich habe einen Plan. Menschen wie wir brauchen Notfallpläne. Ich habe Netzwerke geknüpft, mir Verbündete gesucht, von denen du nichts ahnst. Bin Risiken eingegangen, nur um eines fernen Tages mächtig genug zu sein, es mit einem gewissenlosen Mann aufzunehmen.«

Sie lachte, glockenhell und abgrundtief böse. »Inzwischen gehört dir diese Anlage. Du fragst dich jetzt sicher, was geschehen wird?«

»Das tue ich in der Tat. Darum geht es dir doch.«

Sals Gesicht näherte sich der Aufnahmelinse. Haro wich zurück. Im selben Moment schalt er sich einen Narren.

»Ich habe es nicht mehr geschafft, dich persönlich in den Abgrund zu reißen. Aber ich schwöre dir, ich komme in Form eines anderen und hole dich. Und nicht nur wegen Luray. Du hast auf H'skell nicht nur Luray, sondern uns alle verraten.«

Sie wartete ab. Haro saß da und wartete auch.

»Du warst auf einem guten Weg, einer von uns zu werden, aber letztlich hast du dich selbst verraten.«

Das Bild erstarrte, verschwand aber nicht. Stille, die ihm innere Stimmen gebar.

Haro drehte sich den Stadttürmen zu. Ansehnliche, beruhigende Formen. Von dieser Warte schien alles geordnet, im rechten Lauf der Dinge. Ein trügerisches, vordergründiges Gefühl von Kontrolle. Denn hinter all diesen erfolgversprechenden Perspektiven aus Unternehmerfleiß und Reichtum formte sich ein Vortex aus Schatten.

Saline Odeste. Sie hatte ihn geliebt, und er hatte ihre Zuneigung erwidert. Er hatte sie verlassen; er vermutete, dies sei ihre erste und letzte Erinnerung an ihn gewesen. Sie hatte ihn geliebt, und er war verschwunden.

Luray Karid. Saline schrieb ihm ihren Tod zu. Es war die normalste Sache der Galaxis. Aber es war Unsinn.

Er schloss die Augen, dachte zurück. Erinnerungen sind Geschenke der Vergangenheit, lautete ein Sprichwort.

Die H'skell-Operation. Manche behaupteten, es sei ein Raubüberfall gewesen. Andere sprachen von einer terroristischen Attacke. Die Übrigen nannten es Kommandounternehmen.

Sicherlich war die Mission gehörig schiefgegangen.

Auf H'skell, wie auf den meisten relevanten bewohnbaren Himmelskörpern, unterhielt das axaraborianische Sternenreich eine Garnison, mit dem Unterschied, dass sich dort noch ein Depot für militärische Nachschubgüter befand. Unzählige Waffen, vom Nadlergewehr bis zum Schwebepanzer, ein Ersatzteillager für Raumjäger und Schiffe bis zur Größe eines Kreuzers.

Für Sals Nachtdolche die Gelegenheit.

Haro lehnte sich zurück.

Es war eine autarke Aktion gewesen, bei der mitzuwirken er sich hatte breitschlagen lassen. Ein schwerer Fehler. Damals, irgendwie, ergab es einen Sinn.

Sals Leute waren nicht in das Depot der Axaraborianer eingedrungen, um Waffen und Material zu stehlen. Dies wäre viel zu zeitaufwendig gewesen. Es ging um die Infektion mit einem widerstandsfähigen Computervirus in den Schaltstellen des Rechenzentrums auf H'skell. Der getarnte Aggressor sollte zu einem festen Zeitpunkt sämtliche Überwachungs- und Verteidigungseinrichtungen lahm legen. Dann wäre Sals Truppe erneut erschienen, um die Lagerbestände zu stehlen.

So der Plan. Soweit Haro wusste, war er später auch aufgegangen, aber da war er längst nicht mehr Teil dieser Unternehmung.

In jenen Tagen aber waren er und Sal ein Paar gewesen. Luray galt als Sals Ziehtochter. Haro hatte sich bemüht, ein gutes Verhältnis zu der jungen Frau aufzubauen, nicht zuletzt, um sich gut mit Sal zu stellen.

Dann folgte die H'skell-Operation. Luray war nicht das einzige Opfer gewesen. Einzig Saline und Haro war die Flucht gelungen.

Sal hatte ihm damals vorgeworfen: »Du hättest sie retten können. Du hattest die Chance dazu, aber du Feigling hast es nicht getan. Ich werde es nicht vergessen, Haro, niemals, nicht in tausend Jahren!«

Er sah es so klar vor sich, wie er ihre Stimme hörte: Luray, über dem Abgrund hängend, sich mit letzter Kraft haltend, flehendes Staunen im Blick darüber, dass es jetzt enden soll.

Haro kniet über ihr. Sal schreit ihm zu, ihr zu helfen. Er fasst Lurays Hand. Sie ist schlüpfrig vom Wasser der Sprinkleranlage. Haro hält sie, so lange er kann. Aber Lurays Körper über den Abgrund hieven kann er nicht.

Hinter der zappelnden Luray erscheinen die ersten Wachsoldaten. Sal legt auf sie an und dezimiert sie bereits, als die Axaraborianer noch gar nicht in Schussweite scheinen. Haro zieht mit aller Kraft. Stechender Schmerz pulst durch seine Beine bis in die Zehenspitzen. Nadlerentladungen fauchen hin und her.

Haro starrte mit leerem Blick ins elektrische Glühen der Raumstation. Die chromatischen Signaturen von Neon, Argon und anderen ionisierten Gasen erhellten die Straßen und Plätze.

Die Soldaten zielen präzise. Sal erwischt es am linken Oberschenkel. Haro riecht verschmortes Fleisch. Und hört Lurays Schreie.

Luray hängt über dem Hitzeschacht eines Fusionsofens.

»Hör auf zu schießen«, sagte Haro leise beim Blick in die violette Molekülscheibe um den Protostern.

Haro hält Luray. Sal ignoriert ihre Schusswunde am Schienbein und erwischt einen weiteren Soldaten. Haro erkennt die Gefahr. »Sal, nicht!«

Sie hört ihn nicht. Der getroffene Soldat stürzt in den Schacht, für einen hoffnungsvollen Moment regt sich nichts – dann setzt die atomare Zersetzungsreaktion ein; Partikelströme werden aktiviert, die den Körper des Soldaten rasend schnell zersetzen, um zu verhindern, dass die empfindliche Fusionsanlage am Schachtboden Schaden nimmt. Das Ergebnis ist ein wenig Strahlung und ein Höchstmaß an Hitze.

Lurays Augen treten hervor. Unerträgliche Hitze. Hundertfach verstärkter Wüstenwind peitscht Haro ins Gesicht, zerrt an ihm wie ein Dämon. Er versucht ja, Luray festzuhalten.

Die Soldaten feuern, treffen Haros Arm. Haro schreit auf. Sal hinter ihm trifft einen Soldaten, der vornüber kippt.

»Sal, hör auf! Nicht feuern!«

Der nächste Partikelstrom schießt die Wandung hinauf. Haro schafft es irgendwie, Luray zu halten. Sal trifft den letzten Soldaten; der stürzt und bleibt auf dem Boden liegen. Sal prescht vor, greift nach Luray, sieht ihren entsetzten, schmerzerfüllten Blick ... und fasst ins Leere.

Luray schreit nicht. Auch nicht, als das durch ihre Körpermoleküle entfachte atomare Feuer ihren Leib in Kügelchen schneidet, um diese zu vaporisieren.

»Vorsicht!« Haro reißt die erstarrte Saline zurück. Lurays Feuer schießt an ihnen vorbei aufwärts. Sturmwind peitscht ihre Körper, ein furchtbares Geheul. Es nimmt ab, verklingt. Sals leerer Blick. Haro zerrt an ihr. Sie müssen hier weg. Der Computervirus ist platziert. Zeit zu verschwinden!

Sals Körper scheint schockgefroren. Haro schreit sie an. Endlich rührt sie sich, in ihrem Blick erstes erwachendes Leben – und Erkennen. Ihre Stimme ist tödlich ruhig.

»Das ist allein deine Schuld.«

»Das ist nicht wahr!«

»Du hast sie festgehalten, und in dem Moment, als ich sie hätte hinaufziehen können, losgelassen.«

Haro steht auf, zieht wie beiläufig seine Kanone. »Es war mir nicht möglich, sie länger zu halten.«

Sie erhebt sich, geht an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Gemeinsam gelangen sie in die Felsengrashöhlen zu ihrem Fluchtschiff, dem schnellen, unmarkierten Raumer Feuerwespe. Die Flucht gelingt ihnen beiden nur knapp. Kurz darauf trennen sich ihre Wege.

Haro, wieder im Hier und Jetzt, schritt vor das Panoramafenster. Über den höchsten Türmen brachte eine Staffel Zollboote soeben ein Güterschiff auf. Einem Reflex folgend, bemühte Haro die Datenerfassung der Raumflugkontrolle. Die gewünschte Information erschien auf dem Bildschirm: Ein Schiff namens Pulsarspeer mit einem beinahe antiken Sternenantrieb.

Haro ging zurück zu seinem Schreibtisch.

Tief und langsam ausatmend betrachtete er Sals eingefrorenes virtuelles Antlitz. Sein Finger ruhte über der Taste, die die Übertragung ausschaltete.

Roosha, schön wie immer, betrat Haros Quartier. Roosha trat genau an jene Stelle, wo nur einen Augenblick zuvor noch Saline Odestes Abbild gestanden hatte.

Tatsächlich, argwöhnte Haro, würden sich seine Probleme nicht so leicht verflüchtigen wie ein Hologramm.

Die Missionen 131-140 der Raumflotte von Axarabor: Science Fiction Roman-Paket 21014

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