Читать книгу Die Missionen 131-140 der Raumflotte von Axarabor: Science Fiction Roman-Paket 21014 - Bernd Teuber - Страница 20

11

Оглавление

Die massive, filigran bemalte Flügeltür seines Büros fuhr in einer passenden Synchronizität zu seinen Gedanken zischend auf, und ein ungestümer axaraborianischer Offizier kam in Sicht, zwei Soldaten im Schlepptau.

»Meine Piloten haben da draußen ihr Leben für Sie und Ihre Anlage riskiert, Shapton, und alles, was Sie tun, ist in Ihrem Domizil zu sitzen und Zahlen studieren?«

Haro erhob sich stilvoll langsam.

»Ich dachte eigentlich, es sei Usus, zuerst einmal anzuklopfen, bevor man ein Büro betritt. Manieren sind von höchstem Wert in einer zivilisierten Gesellschaft.«

Haro lächelte bei seinen Worten und dachte: Seine Augen. Definitiv nicht er selbst. Welche Droge genau? Sonnensturm, jetzt fliegen schon Flottenoffiziere mit berauschenden Substanzen im Blut durchs All.

Caucal stoppte seinen massigen Leib mitten in der Bewegung, setzte noch einen fast vorsichtigen Schritt auf Haro zu und schaute ihm aus zusammengekniffenen Augen entgegen. Haro wusste gleich, dass mit derartigen Persönlichkeiten generell nicht leicht Curaden essen war, oder manchmal auch gar nicht.

Und ihm war ebenso klar, dass man einen Captain nicht leichtsinnig brüskieren sollte.

Haro umrundete den Schreibtisch und kam mit entwaffnend erhobenen Händen auf Caucal zu. »Das sollte selbstverständlich nur eine laxe Bemerkung sein, verehrter Captain. Bitte entschuldigen Sie meine mangelnde respektvolle Wortwahl – auch die von vor Ihrer Intervention. Allerdings war ich auch deshalb ungehalten, weil ich durch den Überfall all meine Güter, Besitzstände, meine gesamte Lebensgrundlage unwiderruflich verloren glaubte.«

Caucal erwiderte daraufhin: »Wir waren zu keiner Zeit verpflichtet, Ihnen beizustehen.«

Er spricht von Gefälligkeiten und daraus resultierenden Abhängigkeiten, dachte Haro. Von Außenständen, die sich nur schwer begleichen lassen.

»Verstehen Sie richtig, Shapton: Nicht ich bin es, in dessen Schuld Sie stehen. Ich hegte niemals Interesse daran, hierher zu fliegen, um bei einem nachrangigen Gefecht meine Leute und Kampfschiffe aufs Spiel zu setzen.«

Haro glaubte sich im Bilde: »Die Sektoren-Kommandantur schaltete sich ein und entschied, es sei geraten, doch einzugreifen.«

»Nein! Meinen Sie ernstlich, uns Flottenleuten ist es wichtig, wer von euch geldsüchtigen Profiteuren an uns liefert?« Er lachte, hatte etwas auf den Tisch gebracht, womit Haro nicht gerechnet hatte – nicht, nachdem man ihm geholfen hatte.

»Wer steckt dann dahinter, Captain Caucal?«

Der Captain lächelte nur arrogant in seinen Vollbart.

»Nun«, sagte Haro, »ich bin überzeugt, Sie verraten es mir doch noch. Dürfte ich Ihnen nun eine Erfrischung anbieten?«

»Na schön, Sie Paradiesvogel, warum nicht.«

»Bitte sehr. Zu Mĕshes Hort geht es dort entlang.«

Haro übernahm die Führung. Als er dicht an Caucal vorbeiging, fiel ihm auf: Er riecht nach Baniol ... der teuersten Droge überhaupt. Es machte rasend vor Begeisterung gegenüber dem eigenen Handeln – aber völlig unkritisch.

Zusammen mit den Soldaten betraten sie den ›Hort‹. Etliche der anwesenden Spieler und Zecher applaudierten beim Anblick des Offiziers, der ihnen zu Hilfe gekommen waren. Haro gab dem Barkeeper ein vereinbartes Zeichen, führte den Captain zu einer reservierten Privat-Lounge, reichte Caucal den alkoholfreien Drink, der soeben serviert wurde, und nahm dann seinen eigenen entgegen.

Caucal blickte durch die versiegelten Panoramafenster auf die Lichter Shangris. »Zugegeben: eindrucksvoll.«

Es war beinahe Mitternacht, und die blinkenden, funkelnden Lichter der Stadttürme, Plattformen, Liftröhren, Kuppelbauten und überall umherfliegenden Transportschiffe und Cargoraumer verschmolzen mit denen der Sternenkonstellationen.

Haro dagegen warf einen Blick durch den Dunst der Nebelmaschine ins abwechselnd in pink und türkis aufleuchtende Herz des Etablissements. Die Musik war eine Mischung aus basslastigem Massa-Beat und den sphärischen, elegischen Klängen der beliebten Vhakhani-Richtung.

Er lehnte sich zurück, überzeugt, dieser Rahmen gefiele Caucal. Der Captain würde sich hoffentlich zugänglich geben.

Dessen Blick ruhte inzwischen auf einem der ausladenden Bildschirme.

Die Nachrichten behandelten einen weiteren Praetorianerangriff: Die Extremisten seien zurückgeschlagen, die Drahtzieher stünden bereits unter Arrest.

Haro sagte: »Eine neuerliche Attacke auf eine axaraborianische Einrichtung.« Letzten Monat war es ein Flottendock nahe Palamir, danach waren die Kasernen auf Auron das Ziel gewesen.

Er beabsichtigte, Caucal ein wenig zu reizen, um an interessante Information zu gelangen.

»Ach, Shapton, hier stechen ein paar Mücken einen Elefanten.«

»Und wenn der Elefant sich kratzt, erbebt die Erde.«

»Richtig.«

Haro schmunzelte in sein Glas.

»Verharmlosen wir es nicht, Captain. Dieser Konflikt wird allen schaden. Der Regierende Rat hat diese Leute unterschätzt – vielleicht auch ihren Willen zu einem Unabhängigkeitskrieg.«

»Das Sternenreich wird die richtige Antwort geben. Axarabor wird jeder Bedrohung Herr.«

»Das hat man von anderen Reichen auch angenommen.« Haro beugte sich vor. Sein Stimme bekam etwas nervtötend Gelassenes. Sein Blick blieb fest.

Caucal lachte schwach und trank, ehe er zu einer Erwiderung anhob. »Axarabor ist so überlegen organisiert, so fortschrittlich effizient und zugleich auf das Wesen des Herrschens ausgelegt, dass es in seiner machtpolitischen Stabilität ewig bestehen bleibt.«

»Ewigkeit ist eine Begrifflichkeit, die nicht für uns geschaffen ist.«

»Der Gewählte Hochadmiral wird das Verständnis jener Begrifflichkeit zu ändern wissen.«

»Obacht, Captain. Sie bewegen sich auf dogmatischem Treibsand.«

»Natürlich, Shapton.« Sehr leise fügte er an: »Er ist, wie von ihr beschrieben.«

»Wie bitte, Captain?« Haros Augen weiteten sich. Hatte er richtig verstanden?

Caucal schaute fragend auf, schien wie weggetreten. Aber er lächelte.

Ein Fingerschnippen Haros, und eine dunkelhäutige menschliche Kellnerin mit silbern phosphoreszierenden Augenbrauen kam, um die neue Bestellung aufzunehmen.

Der sich träge regende Llonar Caucal richtete sich räuspernd auf. »Ich habe viel riskiert, um Ihre Station nicht den gierigen Händen der Gildenleute zu überlassen.«

»Nach wie vor bin ich Ihnen überaus dankbar.«

»Nein, Shapton. Sie sind mir zu Dank verpflichtet, das ist ein himmelweiter Unterschied. Ich habe Ihren Funkspruch aufgeschnappt: Das Angebot mit dem An'rum habe ich angenommen.«

»Natürlich haben Sie Anspruch auf all diese funkelnden Barren.« Er wartete einen Augenblick ab. »Demnach, Captain, sind Sie auf eigene Faust nach Shangri gekommen. Nur eines verstehe ich nicht daran: Die Führung der Gilde wird keinen Hehl daraus machen, was ihren Leuten widerfahren ist. Ganz im Gegenteil. Man wird Sie für Ihr eigenmächtiges Verhalten zur Rechenschaft ziehen wollen.«

Caucal sah ihn durchdringend an. Das abklingende Baniol zeichnete pulsierende Ringe um seine Augenlider, Caucals Pupillen wirkten indes wie Schwarze Löcher.

Der Offizier meinte beinahe traurig: »Ich habe eine schwerwiegende Entscheidung getroffen, Shapton.«

»Sie haben sich über Befehle hinweggesetzt. Wahrscheinlich dürfen Sie noch froh sein, wenn man Sie nur abkommandiert und in irgendein hinterwäldlerisches System versetzt.«

»Soweit wird es nicht kommen. Sehen Sie, Admin, mein eigentlicher Auftrag lautete, nach Praetorianerkräften zu fahnden. Mein Einsatzgebiet umfasste die Raumregion längst des Cruz-Korridors, den lokalen Asteroidengürtel, Shangri, Tokara, sowie das Hilda-System.«

Dort existiert kaum etwas von Bedeutung, sagte sich Haro. Aber es könnte dabei vielmehr darum gehen, die Haupthandelsrouten hier zu bewachen. »Also waren Sie zufällig in der Nähe, als ich den Hilferuf an den Stützpunkt richtete.«

»Ja. «

Haro bedachte seine Schritte. Er musterte Caucal, versuchte dessen Gesicht eine Information zu entlocken. Aber im schummrigen Licht der gedämpften Beleuchtung wirkte sein Gegenüber wie erstarrt. »Was haben Sie vor, Captain, und was habe ich mit all dem zu tun?«

»In meinen Augen sind Sie unwichtig. Ich will nur die An'rum-Barren haben, und dann verschwinde ich wieder.«

»Wenn es nur das ist, weshalb dann diese Unterredung? Haben Sie keine Sorge, dass man bereits ein Feldjägerkommando ausgesandt hat, um Sie zu überführen?«

»Noch bleibt mir genug Zeit. Das Oberkommando teilt allen Flottenverbänden ein eigenes Einsatzgebiet zu, so lange, bis ein Vorgehen ausgegeben sein wird, wie mit den Praetorianern zu verfahren sei.«

»Natürlich. Man plant bereits einen umfassenden Vergeltungsschlag.«

»Admiral Pavel Yunus persönlich wird sich der Sache annehmen. Der Rest der Flotte blockiert die Handels- und Überlichtrouten und die rückwärtigen Sternensysteme.«

»Und dieses Durcheinander nutzen Sie, um mit dem An'rum zu verschwinden.«

Caucal beugte sich vor. »Dieses Getümmel durch die Attacken des Sporns wird lange genug anhalten, um es den Agenten des Hochadmirals zu erschweren, etwaige Fahnenflüchtige zu verfolgen.« Sein Blick schweifte in eine unbestimmte Ferne. »Die Aufstände des Sporns; die inneren Unruhen ... Diese Flächenbrände generieren in exponentiell wachsender Zahl derart viele neue Unruheherde, dass es den axaraborianischen Einsatzgruppen zunehmend schwer fällt, sie einzudämmen. Es wird immer weitere Schiffe, Truppen, Garnisonen und Stützpunkte brauchen, die dies zuverlässig garantieren, denn der Hochadmiral lässt sich nicht gern übervorteilen.«

Haro wartete ab.

Caucal fuhr jetzt ungestüm fort: »Ich pfeife auf alle Fraktionen. Sie sind alle von Verrückten geführt. Was mir vorschwebt, ist, mein eigener Herr zu sein. Einmal im Leben möchte ich ausschließlich nach meiner Fasson leben. Vielleicht auf einer abgelegenen Agrarwelt mit gentechnisch verändertem Getreide experimentieren.« Er hüstelte. »Oder ich widme mich der Aufzucht von Nutztieren.«

Davon hatte Sal auch immer gesprochen. Haros Argwohn erwachte.

Ruhig sagte er: »Mit einem Schiff wie dem Ihren als Transportmittel wird es schwierig bis unmöglich sein, sich der Raumflotte zu entziehen.«

»Das lassen Sie meine Sorge und die meiner Crew sein.«

Seine Mannschaft, dachte Haro. Die Meisten werden sich nach erfolgtem Systemaustritt und einem Anteil an der Belohnung vermutlich aus dem Staub machen. Söldnergruppen, Kopfgeldjäger, Attentäter. Diese Branchen sind voll mit ehemaligen Flottenleuten, die sich ihren Lebensunterhalt nun auf anderem Weg verdienen.

Caucal trank einen weiteren Schluck, und jetzt war das Kristallglas leer. »Eine überdehnte Flottenpräsenz, überlastete Kommunikationsnetze und Befehlsketten, Hierarchien, die ins Wanken geraten, sobald jemand einen Fehler macht.«

»Warum erzählen Sie mir das alles?«, fragte Haro plötzlich.

Der Captain stand auf, strich sich über den grauen Bart. Haro stand auch auf und folgte ihm in die lange Vorhalle hinaus. Caucals Blick ruhte einen Moment lang in Haros Blick, dann schließlich sagte der Captain: »Überdenken Sie Ihre Position, Shapton, in diesem weit verzahnten, komplexen und immer komplizierter werdenden Spiel. Überdenken Sie Ihren Einsatz, Ihre Risikobereitschaft und damit einhergehend die Dinge, die Ihnen wichtig sind.«

Das klingt wieder nach Sal. Und zugleich nach einer gutgemeinten Warnung. »Wollen Sie mir ins Gewissen reden? Verzeihung, das ist doch lächerlich.«

Caucal sah ihn an. »Wem vertrauen Sie, Shapton?«

»Das ist vertraulich.«

Plötzlich wirkte Caucal traurig. »Sie haben Recht. Es ist gleichviel. Unsere glorreiche Raumflotte ist mir nicht egal. Früher einmal war sie primär dazu geschaffen, all den Verschollenen nachzuspüren. Expansionswelle um Expansionswelle hat ganze Heerscharen von Siedlern, Kolonisten und Abenteurern ins Weltall gespült. Nicht wenige von ihnen sah man niemals wieder. Was geschieht mit ihnen da draußen? Wir wissen es noch immer nicht. Welche Gefahr bedroht uns? Welche Kräfte walten außerhalb unseres Blickfeldes? Darum ging es mir früher. Nur zu gerne würde ich diesen Fragen wieder auf den Grund gehen. Sie müssen wissen, vor wenigen Jahren noch war ich Kommandant eines leichten Kreuzers. Die Mannschaft war die beste, die ich jemals befehligt habe. Unsere Missionen führten uns überall hin. Zu den Sternentiefen Aristides, um dort nach Spuren der Ersten Siedler zu suchen. Zu den Plasmafeldern beim Galney, von denen es heißt, sie hätten tausend Kolonistenkreuzer geschluckt. Oder zu den Totenbeschwörern Tauas, die ihre Gefangenen in lebendigen Stein einschließen, um ihnen die Seelen auszusaugen. So sagt man .... Wir flogen nach überall. Wir schauten Wunder über Wunder. Ich dachte, es würde immer so weiter gehen, dass sich die Flotte auf ewig ihrem Forschungsauftrag verpflichtet fühlen würde. Stattdessen erwartet man heute von mir und meinen Schiffen und Leute, dass wir Jagd auf Abtrünnige und Aufwiegler machen.«

»Und dessen sind Sie müde geworden.«

»Sie haben keine Vorstellung davon, wie sehr.«

Jetzt wusste Haro, was Caucal nach seiner Desertion vorhatte. Sein Gerede über die Agrarwelt war eine Finte gewesen.

Caucal setzte sich seine Kapitänskappe auf. Dadurch wirkte er mit einem Mal größer, imposanter. »Begleiten Sie mich bitte zu meinem Schiff. Ich erwarte die An'rum-Barren vor meiner Fähre, wenn wir dort anlangen. Lässt sich das bewerkstelligen?«

»Selbstverständlich, Captain. Ich werde es sofort veranlassen.«

Wenig später, auf der abgerundeten, bis auf einen einzelnen Befestigungssteg freischwebenden Landeplattform, auf der angestrahlt von Flutlichtern und bewacht von reglosen Flottensoldaten Caucals Fähre ruhte, verlangsamte ein nachdenklicher Haro, begleitet von Dinal und einem Tross Wachmänner, die einen Schwebeschlitten mit dem An'rum führten, seine Schritte und kündigte sich formell beim Kommandanten der Wache an. Dieser nickte knapp, betätigte sein Helmfunkgerät und rief Caucals Adjutanten. Caucal, eine Zigarre zwischen den Backenzähnen, erschien selbst auf der zugigen Einstiegsrampe.

Haro blickte zu dem über ihnen schwebenden Kriegsschiff hinauf und dann dessen Captain in die Augen.

»Mein An'rum.«

»Sämtliche fünfhundert Barren, wie ausgelobt.«

Caucal zog an seiner Zigarre. Wohl riechender Dunst waberte hinfort, und Haro sah philosophisch den fortfliegenden Funken nach, Funken wie Meteoriten im schwarzen All.

»Ich danke Ihnen, Shapton. Viele halten Sie für einen verkommenen Hund. Einen Halunken durch und durch.«

Sals Worte. »Ist mir bekannt. Ich habe viel Leid verursacht und mich selten um die Bedürfnisse und Regeln anderer geschert.«

»Und doch meinen Sie, sich immerzu authentisch verhalten zu haben.«

Haro stutzte, bis aufkommende Wut die Oberhand gewann. »Langsam bin ich Ihre nebulösen Ansprachen leid. Was wissen Sie denn schon von Authentizität?«

Caucal lachte und das nicht einmal unfreundlich. »Sie haben Recht. Wer bin ich, dass ich mich derart äußere? Ein abtrünniges Flottenmitglied!« Sein Lachen endete jäh. »Oder macht mich gerade das zu einem ausgezeichneten Beobachter des moralischen Verfalls und all dieser Verwerfungen und Abgründe, denen man begegnet?«

»Womöglich haben Sie für sich diese Frage längst beantwortet.«

Er nickte ernsthaft, während der Wind an seinem Mantel zerrte. »Möglicherweise.«

Haro ging einen raschen Schritt auf die Rampe zu. »Was wissen Sie, das ich nicht erfahren soll?«

Caucal schien gleich mehrere Antworten zu erwägen, aber schien sich zu keiner durchringen zu können oder wollen. Stattdessen äußerte er ruhig: »Vielleicht ist dies der Scheitelpunkt des Pendels. In diesem Moment kippt alles in die eine oder andere Richtung.«

»Worauf wollen Sie hinaus?«

Er sah Haro fest ins Gesicht. »Positionieren Sie sich gefälligst. Treffen Sie eine Entscheidung: für Ihre Freunde, gegen Sie, für irgendeine Seite, egal, aber ziehen Sie es dann auch durch.« Er zog an seiner Zigarre, wieder der Funkenflug. »Mehr hat man nicht von Ihnen erwartet, haben Sie das denn nie verstanden?«

Haro beschlich nun eindeutig das feste Gefühl, wonach Caucal etwas mit der toten Saline verband.

Er musste es einfach aussprechen: »Wer sagte Ihnen das? Etwa wirklich Saline Odeste?«

Caucals schenkte ihm einen undeutbaren Blick, in dem alles zugleich stand.

Und plötzlich baute sich vor Haros geistigem Auge ein ganzes Bauwerk auf. Einzelne Details ergaben bausteinförmig ein großes Ganzes. Ob er mit seinen Mutmaßungen richtig lag, wusste er selbst nicht.

Haro ließ sich Zeit, bis er endlich sprach, und als er es tat, klang seine Stimme fest und unbeirrbar.

»Sal. Sie ist überhaupt nicht tot. Sie ist die ganze Zeit an Bord Ihres Schlachtschiffes.«

Caucal erwiderte Haros Blick gelassen. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«

In Haro fielen sämtliche Puzzlestücke an ihren Platz. »Es war ein großangelegtes Komplott: Ihr und Sals Komplott, ihre Abrechnung mit mir und meiner mangelnden Courage. Die feindliche Übernahme dieser Station. Daturas Verletzlichkeit potentiellen Investoren gegenüber, dieses ganze Prozedere, in dessen Verlauf, Skarmet Datura sein Hab und Gut an mich abtreten musste. Es ergibt alles Sinn.« Haros Nackenmuskeln spannten sich unwillkürlich, und er blickte herausfordernd zu Caucal. »Sal steckt hinter all dem, sie und ihre mächtigen Freunde.«

Caucal rauchte, legte eine Hand auf die Frachtkiste mit dem An'rum und ließ Haro weiter reden.

»Aber etwas ist schief gegangen. Nicht auf meiner Seite. Ich hätte die Anlage bankrott gehen lassen sollen, aber das spielte keine Rolle, da mir die Warenhandelsgilde sowieso alles wieder fortnehmen sollte. Nein. Etwas anderes ist schief gelaufen. Auf Sals eigener Seite. Ihr Aufkreuzen, Captain, hier war keineswegs vorgesehen gewesen.« Er nickte mehrmals. »Sal hat es nicht übers Herz gebracht, mich vollends ruiniert und am Boden zu sehen. Das ist es! Also schmiedeten Sie diesen Plan, mich aus den Händen der Gilde zu befreien und so an diese funkelnden Barren zu gelangen. Oh, es musste kein An'rum sein. Irgendetwas Wertvolles eben. Im Grunde hat sich Sal doch an mir gerächt: Ich habe alles An'rum, dessen ich habhaft war, verloren, um meine Haut zu retten. Und zusätzlich bin ich der Raumflotte von Axarabor zu Dank verpflichtet. Sie, Caucal, haben mich finanziell geschwächt und an die Staatsmacht gebunden. Welche Ironie! Dahingehend hat sich Sal wirklich an mir gerächt. Aber immerhin habe ich ihr Spiel durchschaut.«

»Alles nur Hirngespinste, Shapton.«

»Sie ist bei Ihnen«, beharrte Haro. »Man sollte nur annehmen, sie sei gestorben, damit sie sich gemeinsam mit Ihnen auf irgendeinen Hinterwäldlerplaneten oder sonst wohin flüchten kann und niemand mehr nach ihr sucht.«

»Wieder falsch.«

Haro verharrte lächelnd und deutete auf Caucals Kommunikator. »Vermutlich kann sie alles mitanhören. Nicht wahr, Sal?«

Caucal sagte nichts, dann, nach einer gewissen Spanne: »Sind Sie fertig?«

»Ja. Es ist alles gesagt, außer dies noch: Richten Sie den restlichen Überlebenden des Desasters auf H'skell meine Entschuldigung aus, dafür, dass ich mich aus dem Staub gemacht habe. Würden Sie das für mich tun?«

Caucal ging nicht darauf ein, und Haro hatte genau das erwartet. Stattdessen sagte Caucal: »Sie sind kein schlechter Mann, Haro Shapton. Wie bei den meisten Vernunftbegabten hat das Schicksal auch bei Ihnen zugeschlagen. Sie fühlten sich für lange Zeit nicht sonderlich fair behandelt, liege ich damit richtig? Dennoch, irgendwann kommt der Augenblick für jeden von uns, an dem es gilt, für das einzutreten, was uns im Kern erfüllt.«

Haro fragte sich, ob Caucal diese Worte nicht auch an sich selbst richtete.

Caucal fuhr fort: »In diesem Leben gibt es keine Gewissheiten, außer der, wo man sich selbst aktiv positioniert.«

Er sah an Haro vorbei in die Höhe. »Sehen Sie, diese Wetterfahne dort.« Haro beließ seinen Blick auf Caucals Gesicht gerichtet. Der Captain fuhr fort: »Sie sind genau wie diese Fahne, richten sich immer nach dem stärksten Sturmwind.« Er schaute todernst. »Sie lassen immerzu die Umstände Ihre Entscheidungen tragen.«

»Und wenn schon. Es erging mir bislang keinesfalls schlecht damit.«

»Sie sind ein feiger Hund, Haro.«

»Und Sie ein elender Verräter.«

Der Schwebeschlitten mit dem An'rum war inzwischen sicher verstaut. Die Soldaten waren an Bord der Fähre gegangen, deren Zutrittsrampe sich langsam hob und den Blick auf Caucal fortlaufend weiter einengte.

Caucal wartete mit seiner treffendsten Eröffnung, bis es für Haro zu spät war, um darauf zu reagieren: »Vielleicht hat sie Ihnen letztlich verziehen. Vielleicht auch nicht, sondern sich nur eines Besseren besonnen, als Sie umständlich beiseite räumen zu lassen. Womöglich sind Sie wirklich unter einem Glücksstern geboren, Admin-Operator. Aber jeder Stern sinkt einmal. Was machen Sie dann?« Caucal nickte ihm zu. »Alsdann, leben Sie wohl.«

Haros Kinnlade klappte nach unten, indessen die Einstiegsrampe sich verschloss. Die Triebwerke des Transporters zündeten donnernd. Das Vehikel hob vom Boden der Plattform ab und schraubte sich mit einer ausgedehnten Spiralwindung der ANIHILATOR zu. Irgendwann verschwand das kleine Schiff im Rumpf des viel größeren.

Das Schiff drehte sich langsam einmal um die eigene Achse, nahm Fahrt auf und schob sich den Sternen zu. Haro stand emporschauend da, die Hände auf Hüfthöhe zu Fäusten geballt.

Die Missionen 131-140 der Raumflotte von Axarabor: Science Fiction Roman-Paket 21014

Подняться наверх