Читать книгу Kunstphilosophie und Ästhetik - Bernhard Braun - Страница 24
4.4. Das Mönchtum des Ostens
Оглавление220 Soldatenheiliger in der Kirche Theodori; Mistra
Speyer 1995b, 209
Hahn Johannes in Kat. 2013a, 366
Noch während der Christenverfolgungen im 3. und 4. Jh. begann im Osten das Mönchtum (monachos/einsam). Die Mönche traten »faktisch, aber auch phänomenologisch betrachtet das geistige Erbe des Martyrers an.« Ihr Ziel war ein Leben in Gottesliebe, Vollkommenheit und Nachfolge Christi. Dazu mischte sich ein »Kriegsdienst« für Christus (militia Christi) im Kampf gegen böse Geister, den Teufel und sein Reich, ein Topos, der in zahlreichen Darstellungen byzantinischer Mosaik- und Freskenkunst einen Niederschlag fand. Dieser Kriegsdienst bedeutete im frühen Mönchtum nicht selten den Aufruf zur Gewalt gegen heidnische Einrichtungen. »Asketen suchten sakrale Bezirke auf, um die Konfrontation mit den dämonischen Kräften des Ortes zu suchen. Das radikale Vorgehen gegen Tempel und Kultbilder wurde zum Leistungsnachweis göttlicher Berufung […].« Der Kriegsdienst, dem die Kirche in den ersten Jahrhunderten gemäß der Friedensbotschaft der Schrift ablehnend gegenüberstand, wurde mit dem Status einer Staatsreligion aktuell und durchaus nicht von allen Mönchen mitgetragen. Ebenso verstanden sich die Mönche als Gegenbewegung gegen das vom Staat reichlich entlohnte Führungspersonal der Kirche.
Krause 1998b, 149
Speyer 1995b
Die Wurzeln des Mönchtums sind nach wie vor umstritten. Genannt werden dazu Einsiedler des Gottes Sarapis bei Memphis. Andere sehen im Mönchtum das Ergebnis der Fluchtbewegung vor der Decischen Verfolgung. Wurzeln lagen aber auch im Frühjudentum und im alten Israel. Auch Jesus zeigte Züge eines Lebens in Abgeschiedenheit, wenngleich Jesus und seine Jünger kein asketisches Leben führten.
221 Antonius, Fresko in der Grottenkirche Santi Stefani (11. Jh.); Vaste, Apulien
Die Anachoreten (zurückgezogen lebend) wanderten (Eremiten) oder hausten als Einsiedler (Hermeten) oder in Gemeinschaft (Koinobiten) in Gräben, Höhlen oder einfach gebauten zellenförmigen Unterständen. Ob die Bewegung in Syrien oder in Ägypten ihren Ausgang nahm, ist unklar. In der ägyptischen Wüste rund um das Nildelta lebten bald Tausende von Mönchen. Antonius, der – nicht zuletzt durch die im Mittelalter weit verbreitete Biographie des kämpferischen antiarianischen Bischofs von Alexandrien Athanasios – zum Urtypus des Mönchs wurde, zog sich in das Wadi Natrun nordwestlich des heutigen Kairo zurück und sammelte Einsiedeleien zu einem losen Verband. Die erste Klostergründung mit der Urform einer Klosterregel, die das mönchische Leben strukturierte, wird gemeinhin Pachomios zugeschrieben. Durch eine Biographie seines Schülers Theodoros (Vita Pachomii) sind wir über sein Leben unterrichtet. Um 320 soll der in Oberägypten geborene Sohn heidnischer Eltern das erste Kloster (koinobion) in Tabennissi bei Dendera gegründet haben. Die Klosterregel, die auf strenger Zucht und Unterordnung basierte, soll er in Visionen von Engeln erhalten haben. Sie ist nicht im Original erhalten, sondern in einer Fassung des Hieronymus.
222 Qalaat Seman bei Aleppo, Reste des zentralen Oktogons der kreuzförmigen Anlage (um 480)
III.2.5.2.
Sloterdijk 1993, 100
8.1.
Onasch 1993, 203–208
Pilgerwesen
Zahllose skurrile Figuren gediehen unter dem Schirm des Mönchwesens. Zumeist waren Mönche, dies galt auch für den gebildeten Antonius, bildungsfeindlich, die meisten von ihnen hatten keine Priesterweihe. Selbstverständlich wirkte auch die Bewegung der bedürfnislos lebenden Kyniker inspirierend. Anachoreten standen meditierend wochenlang auf Berggipfeln. Simeon Stylites lebte angeblich 30 (oder 40) Jahre lang auf einer 18 Meter hohen Säule in der Nähe von Aleppo. Die Säule symbolisierte in der Schrift (1 Tim 3,15) den Apostel und den ausgezeichneten Mann. »Die Schau-Askese auf einer Säule, die schwindelerregend in den Himmel ragt, ist die klarste und monströseste Geste, die für die Redefigur ›sich Gott nähern‹ gefunden werden konnte.« Er wurde damit populär und löste einen Pilgerstrom aus – selbst Kaiser Theodosius II. soll sich Rat bei ihm geholt haben. Er drückte sein Antlitz in Ton. Die Scherben galten als wundertätig und konnten von den Pilgern erworben werden. Ein früher Typus auratischer Massenware. An vielen Orten entstanden Pilgerkirchen. Die berühmteste wurde als erste Kreuzkuppelkirche die von Handwerkern aus Antiochien um ein Oktogon errichtete Simeonskirche in Qalaat Seman (Simeonsburg) bei Aleppo in Erinnerung an den Mönch. Generell erlebte das Pilgerwesen, das sich eigentlich gegen viele Aussagen in den Evangelien richtete und von vielen Kirchenvätern auch kritisch gesehen wurde, ab dem 4. Jh. einen regen Aufschwung. Ziele waren die Stätten, an denen Christus wirkte, Märtyrer- und Heiligengräber und eben auch Stätten, an denen sich Mönche in Szene setzten.
223–225 Qalaat Seman, Details
3.3.
Winkler 2003, 42–78
Speyer 1995b
Unter den Mönchen gab es auch theologische Ambitionen. Evagrius Ponticus, ein wegen einer Liebesaffäre aus Konstantinopel geflohener, der kappadokischen Theologie nahe stehender Lehrer, tauchte in Ägypten unter und lebte dort als Mönch. Seine Lehre war von Origenes beeinflusst. Die Befreiung vom Körper, Voraussetzung zur Einswerdung mit Gott, gelinge in der mönchischen Einsamkeit. Die Schau Gottes beschrieb er als Schau eines bildlosen Lichtes. Arsenius war angeblich am Hof in Konstantinopel Lehrer der Söhne des Theodosius I. Er verließ den Hof jedoch und verbrachte sein restliches Leben als Einsiedler in verschiedenen Wüsten. Der Syrer Afrahat war ein Anreger für die schon beschriebene antihellenistische Linie innerhalb der frühen Theologie. Der Gottheit Christi sei nicht begrifflich, sondern nur symbolisch-figurativ nachzuspüren. Besonders die Gemeinschaften lebten teilweise mit extremen Vorstellungen geschlechtlicher Askese, verbunden mit einer scharfen Ablehnung von Ehe und Familie. Dafür umfasste ihr Selbstverständnis Gnosis, Gehorsam und den Gottes- und Menschendienst.
V.4.2.2.
Die östliche Mönchsbewegung war Vorbild für den Westen. Johannes Cassianus lernte nicht nur die Lehre des Evagrius Ponticus, sondern vor allem die Regel des Pachomios in Ägypten kennen und brachte sie in den Westen, wo sie von Hieronymus ins Lateinische übertragen wurde. Sie bildete eine Anregung für die Benediktinerregel. Man schreibt Cassian die deutlichste Formulierung eines in der Väterzeit entstandenen vierfachen Schriftsinns zu, der Grundlage der Schriftexegese war und den man in folgenden Merkvers bündelte: »Littera gesta docet, qui credas allegoria, moralis quid agas, quo tendas anagogia.« (»Der Buchstabe lehrt das Geschehene, was du glauben sollst, die Allegorie, der moralische Sinn, was du tun sollst, wohin du streben sollst der nach oben weisende Sinn.«)
Beck 1994, 207
Im mittelalterlichen Byzantinischen Reich entwickelte sich das Mönchtum rasant. Ab dem 6. Jh. war Byzanz »vermöncht«. Die Klöster entwarfen sich jeweils ihre eigene Regel oder bezogen sich auf Regeln anderer, angesehener Klöster. Orden im westlichen Sinn gab es nicht, wohl aber konturierte Bewegungen.
Hesychasmus
Soustal 2009, v.a. 71–76
Beck 1994, 203
Runciman 1978, 233f
Eine ferne Resonanz des Antonius und des Arsenius fand sich im Hesychasmus im 13. Jh.s (griech. hesychia/Ruhe des Herzens). Es war eine Bewegung, die mit Meditations- und Atemtechniken der alten mönchischen Bemühung, zur inneren Ruhe zu gelangen, einen Namen gab. Gregorios Palamas wurde zusammen mit Gregorios Sinaites ihr streitbarer Wortführer. Palamas war ein Feind der Philosophie und des Humanismus. Der Hesychasmus vertiefte die Kluft zwischen dem orthodoxen Osten und dem inzwischen in die aufgeklärte Kultur der Renaissance gleitenden Westen. Er verhinderte auch, dass die nun in den Osten sickernden, ins Griechische übersetzten scholastischen Schriften der rationalen Theologie des Westens dort Fuß fassen konnten. Manchmal wird die Starrheit der byzantinischen Kunst auf den Einfluss des Hesychasmus zurückgeführt. Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass dieser alternative Weg gegenüber der westlichen Aufklärung tiefer wurzelte als in einer eher kurzzeitigen religiösen Strömung, eben in der ganz anderen philosophischen Tradition. In der Tat zeigte der byzantinische Künstler »keine Neigung, sich im abendländischen Sinne weiterzuentwickeln, denn er verstand seine Aufgabe immer darin, eine Ergänzung zur Liturgie zu schaffen. […] Er behandelte ewige Wahrheiten, die sich niemals verändern.«
Kapriev 2005, 252
Reid 1997, 19f
Es reichte aber immerhin aus, dass es deswegen auch im Osten zu Kritik am Hesychasmus kam. Barlaam von Kalabrien verspottete die psychosomatische Praxis der Athosmönche und beschwor eine schwere theologische Kontroverse im Osten herauf. Demetrios Kydones aus Thessaloniki trat für die lateinische Philosophie ein, übersetzte Thomas von Aquin. Trotzdem blieb der Hesychasmus der bevorzugte Lebensstil des östlichen Mönchtums.