Читать книгу Kunstphilosophie und Ästhetik - Bernhard Braun - Страница 27
5.1.1. Von der heidnischen zur christlichen Kunst
ОглавлениеJensen 2000, 22
Umcodierung
Ebd., 74, auch 16f
Barral i Altet Xavier in Bruneau u.a. 1996, 230 Koch 2000, 15–28
Kraus 1967, 126
Unabhängig von vielen Mutmaßungen über die Kunstfeindlichkeit der frühen Christen, war ab dem 3. Jh. Kunst sowohl von der Gemeinde als auch von der klerikalen Leitung toleriert. Es wurde auch schon festgestellt, dass eine scharfe Grenzziehung zur griechisch-römischen Kunst kaum möglich ist, weil christliche Motive nicht aus dem Nichts auftauchten, sondern es zu einem Umcodierungsvorgang kam, wo manchmal pagane von christlicher Kunst nur durch den Kontext – nach Kemp durch die je eigene Syntax und Grammatik – zu unterscheiden war. »Christian art has always made use of available symbols but imbued them with new significance.« Es kann gerade als Besonderheit angesehen werden, dass die christliche Kunst aus der antiken Kunst kontinuierlich herauswuchs. »Bis zur Etablierung einer eigenen christlichen Ikonographie übernahmen die Christen für ihre Sarkophage Motive wie den Hirten, die Betende oder bukolische Szenen, die sich problemlos in die neue Religion integrieren ließen. Die Sarkophage spiegeln die Themenwahl der städtischen Eliten, die trotz ihres christlichen Jenseitsglaubens und ihres neuen Gottes eine klassische Bildung erhalten hatten. Die Christianisierung der Darstellung hat sich schrittweise vollzogen […].« Es gab eben ein langes Nebeneinander von christlicher und heidnischer Kunst. »So wächst die christliche Kunst aus der heidnischen heraus, die nicht plötzlich stirbt, sondern sich in ihren Bildmotiven neben der neuen Staatsreligion noch lange hält.«
Alföldi 1999, 197
In konstantinischer Zeit begann die »Übersetzungsarbeit« der alten römischen Symbole. Die römische Victoria, deren Altar in Rom mehrmals entfernt und wieder aufgestellt wurde und für dessen Erhalt (als paganes Heiligtum) der römische Senator und Rhetor Quintus Aurelius Symmachus kämpfte, wurde von Ambrosius christianisiert und ab dem 5. Jh. zur Engelsfigur. Sie war ursprünglich von Octavian von Tarent nach Rom gebracht worden als Siegeszeichen und als Symbol für die Beständigkeit des Römischen Reiches.
Kreuz
Norberg-Schulz 1979, 74
Maser 1972; Kaufmann 1917, 301ff
Black 1970, 327
Alföldi 1999, 194
Tertullian, Adv. Marc. 3, 22
In der Capella Graeca der Priscilla-Katakombe steht das Motiv des verbrennenden Phönix, das als Motiv der Auferstehung gedeutet wurde. Das Kreuz, römisches Ordnungssystem und Hinrichtungsinstrument, wurde endgültig vom Marterholz zum Symbol des Sieges über den Tod. Das ist nichts weniger als die Aneignung der alten römischen Ordnung durch das Christentum. Allerdings bleibt erstaunlich, dass dieses zentrale Motiv des Christentums, das das gesamte Mittelalter durchzieht, im frühen Christentum (vor allem in Form des Kruzifixes) erst so spät und sehr zaghaft Eingang in die Kunst fand. Ob dies einer Abneigung entsprach, das Folterwerkzeug zu zeigen und das Missverständnis fürchtete, Christus sei eines natürlichen Todes gestorben, ob es der spätantiken Abneigung gegenüber der Emotion und dem Leiden geschuldet war oder ob es als Ausdruck des christologischen Streits verstanden werden muss, wird in der Fachliteratur angeregt diskutiert. Als älteste Kreuzesdarstellung wird meist das Spottkreuz vom Palatin aus dem 3. Jh. genommen, wobei dessen christliche Bedeutung fraglich ist. Um 430 entstand die Kreuzigungsdarstellung an der Türe der Kirche Santa Sabina auf dem Aventin in Rom. Aus 586 datiert die Kreuzigungsszene im syrischen Rabula-Evangeliar. Bis ins 7. Jh. gibt es zwar öfters das Kreuz, aber das Kruzifix bleibt selten. Das Staurogramm (in vorchristlicher Zeit wird es als Monogramm verwendet) hingegen, also tau und rho (stauros/Pfahl, Kreuz) oder das Christusmonogramm, chi und rho (christos), das nach der Schilderung von Laktanz Konstantin erschienen sein soll, taucht in den ältesten christlichen Artefakten, den christlichen Papyri, auf Silbermedaillons und Münzen auf und war ab dem 4. Jh. weit herum bekannt. Tertullian empfahl, alle Alltagstätigkeiten von diesem Logo begleiten zu lassen. In der Tat sind viele gewöhnliche Wein- oder Ölkännchen und andere Gebrauchsgegenstände mit dem Monogramm erhalten.
226 Sarkophag, Magier mit phrygischer Mütze, San Vitale; Ravenna
Mit Blick auf die Anwendungsgebiete begann die frühchristliche Kunst beim Kult des Abendmahls und beim Ereignis des Todes, also in der Anonymität geschmückter (römischer) Privathäuser sowie in der Grab- und Sarkophagkunst, wo Bild und Plastik verschmolzen.
Katakombe
Koch 1995, 80
Milburn 1988, 19–57
Um 200 erhielt der Diakon (und spätere Bischof von Rom) Callixtus vom römischen Bischof Zephyrinus den Auft rag, ein coemeterium (Grabanlage, eigentlich: Schlaf- oder Ruhestätte) für die christliche Gemeinde zu organisieren. Nach dem Vorbild der antiken (auch jüdischen) Hypogäen entstand die erste Katakombe (coemeterium ad catacumbas/Ruhestätte zur Senke: für eine Gegend an der Via Appia) im weichen Tuffgestein unter der Stadt. Ihr schlossen sich die Priscilla-, Praetextatus- und Domitilla-Katakombe an. In Rom entstanden etwa 60 solche unterirdische Bestattungshöhlen mit knapp 200 Kilometer Gängen und 750.000 Gräbern, wobei an die 25.000 Inschrift en gesichert werden konnten. Wohlhabende Familien ließen sich private Grabkammern errichten und selten – namentlich für Mitglieder der Kaiserfamilie – entstanden oberirdische Grabbauten (Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna, Santa Costanza und Sant’ Agnese in Rom). Anfangs blieb man aus Gründen der Vermeidung von Luxus der Malerei gegenüber zurückhaltend, schon bald aber entwickelte sich eine künstlerische Ausgestaltung gemäß der sozialen Hierarchie.
In der Callixtus-Katakombe mit den alten, reich ausgeschmückten Lucina-Krypten (der Name Lucina ist historisch unklar) vermengen sich antike Mysteriendarstellungen, dekorative Allegorien, Genien- und Maskendarstellungen mit den typisch frühchristlichen Motiven, die sich auch auf den Sarkophagen finden. Es gab hier wie in vielen frühen Kirchen im Orient eine zwanglose Vermischung von heidnischen und christlichen Sujets, ohne dass man Spuren eines Bilderstreits gefunden hätte. Jonas im Weinlaub in der Callixtus-Katakombe entspricht dem schlafenden Endymion, dem Zeus einen ewigen Schlaf versprach. An anderer Stelle wird Daniel als antiker nackter Heros dargestellt. Die sitzende Isis mit dem Horusknaben lieferte zusammen mit den antiken Mustern der Gottesgebärerin und Göttermutter das Modell für die Darstellung Marias mit dem Kind.
Zimmermann Norbert in Kat. 2013a, 353
2010 entdeckte man in einer Katakombe Bilder der Apostel Petrus und Paulus, Erstdarstellungen von Andreas und Johannes und der als erster Märtyrerin verehrten Thekla. Eine der spätesten Katakomben ist die anonyme Neue Katakombe an der Via Latina (vermutlich wohlhabender Auftraggeber) mit außergewöhnlichen Wandmalereien, die 1955 entdeckt wurde. In den Domitilla-Katakomben, die Gräber aus dem 1. und 2. Jh. enthalten, gibt es spätkonstantinische Grüfte und Kapellen mit profanem und christlichem Bildprogramm. Die Malerei der Katakomben hatte keine genormte Ikonographie, vielmehr handelte es sich um »Unikate, die auf die konkrete Bestellung eines Grabherrn hin angefertigt wurden.«
Klauser 1927, 123–127
Die späten Katakomben ahmen architektonisch die oberirdischen Kulträume nach, haben gewölbte Kapellen mit bemalten Apsiden. Anfang des 5. Jh.s wurde in der Katakombe Santi Pietro e Marcellino ein bärtiger Christus mit Nimbus thronend zwischen Aposteln dargestellt. Darunter bringen Märtyrer die Anliegen der Verstorbenen vor. In der Mitte erhebt sich ein Berg mit dem Lamm und den vier entspringenden Paradiesflüssen. Dies dürfte eines der ältesten Katakombenbilder sein, das bereits formal in das Mittelalter reicht. Lange Zeit hielt sich die These, dass die Katakomben auch für Liturgiefeiern in Zeiten der Verfolgung gedient haben sollen. Das wird aus vielen Gründen schon lange nicht mehr aufrecht erhalten, allenfalls sepulkrale Feiern sind denkbar.
Buchmalerei
Partsch 2004, 63
Rice 1993, 78ff
Im 4. Jh. war die Bildung einer einheitlichen christlichen Formensprache abgeschlossen. Neben den üblichen Motiven, den zahlreichen Christustypen, pflegte die frühchristliche Kunst einen (heidnischen) Dekorationsschatz (Vegetabiles, Girlanden, Genien) und an die Antike angelehnte narrative Darstellungen. Bezaubernde Beispiele dazu finden sich in der Umgebung von Alexandrien, in Syrien oder in Ravenna. Insbesondere die spätere mittelalterliche Buchmalerei wurde ein Hort solcher Kunst. Die Buchmalerei begann erst nach dem Übergang von der Buchrolle (Volumen) zu dem leichter zu handhabenden Buch, den von zwei Holzdeckeln eingeschlossenen Pergamentblättern (Codex/gespaltenes Holz), kurz nach der Zeitenwende. Die Anfänge der Buchmalerei sind nicht mehr zu eruieren. Der älteste erhaltene Codex mit dem Neuen Testament in griechischer Sprache ist der Codex Sinaiticus aus Ägypten oder Palästina aus dem 4. Jh. Als früheste Beispiele illustrierter Codices aus Konstantinopel gelten die Quedlinburger Itala (frühes 5. Jh.), eine altlateinische Bibelübersetzung, von der einige Seiten erhalten sind, und der Wiener Dioskurides (Anicia-Juliana-Kodex, um 512), 485 Pergamentblätter einer Sammelhandschrift antiker medizinischer Texte (Materia Medica) des Pedanios Dioskurides aus dem 1. Jh. Die mit komplexen hellenistisch beeinflussten Bildgeschichten ausgestattete, vielleicht aus Syrien stammende Wiener Genesis (6. Jh.) gehört wie das Evangelium von Rossano (6. Jh.) – in Konstantinopel oder Antiochien entstanden – zur justinianischen Blüte der reich bebilderten Prachthandschriften. Der hellenistisch geprägte Pariser Psalter aus dem 10. Jh. wird bisweilen als Kopie eines Vorbildes aus Alexandrien angesehen. Er enthält viele klassische Motive. Das vielleicht schönste aus Konstantinopel auf uns gekommene Manuskript sind die Homilien des Hl. Gregor von Nazianz (um 880). In diesen Zeugnissen wird der Unterschied zur gleichzeitig sich entwickelnden byzantinischen Statuarik und Erhabenheit besonders augenscheinlich. Die Darstellungen sind duftig, verspielt, spontan, sie zeigen Raum und Landschaft und haben geradezu expressiven Charakter.
227 Jakobsgeschichte in der Wiener Genesis