Читать книгу Kunstphilosophie und Ästhetik - Bernhard Braun - Страница 30
5.1.4. Die Sonnenkonnotation in der Konkurrenz mit dem Mithras-Kult
ОглавлениеIII.2.5.3.
Die frühchristliche Kunst stand nicht nur wegen ihrer spezifischen Lehre, sondern auch wegen ihrer Nähe zur paganen Kunst in einem Wettbewerb mit den in der Spätantike verbreiteten heidnischen Kulten: Isiskult, persische Gnosis, Asklepios, Vesta-Kult. Ein besonderer Konkurrent war der Mithraskult, der zahlreiche Parallelen zum Christentum aufwies.
Mithras
Für den alten, aus dem 2. Jt. stammenden indoiranischen Gott des Lichts, Mithras, entstand im 1. Jh.p in Rom ein neu anmutender Kult. Den Veränderungen der Gottheit in dieser langen Zeit nachzuspüren, ist ein schwieriges Thema der Mithras-Forschung, in der es sogar Theorien einer originären Entstehung des Kults erst in Rom gibt.
Sol Invictus
Dass sich zumindest Versatzstücke auf eine lange Vergangenheit beziehen können, ist freilich unbestritten. Schon aus früher Zeit ist eine solare Konnotation bezeugt und, von ihr abgeleitet, galt der Gott als Ordnungsstifter (auch Lebensspender) und Wächter über geschlossene Verträge. Im Hellenismus wurde der Kult weiter gepflegt und Mithras rückte mehr und mehr in die Bedeutung eines Sonnengottes. Verschiedentlich war er bereits in alten Darstellungen mit Strahlenkranz aufgetaucht. Der römische Mithras-Kult verband ihn mit dem Sol Invictus, der unbesiegten Sonne, was auch einer Verehrungsform des Baal, Gott der syrischen Stadt Emesa, entsprach. In Darstellungen wurde ihm gerne durch eine phrygische Mütze ein orientalisches Ambiente verliehen.
234 Christus auf der Himmelskugel, San Vitale; Ravenna
In der Mithras-Erzählung gibt es eine Reihe von Parallelen zur christlichen Erzählung. Mithras wurde in einer Höhle geboren und von Hirten angebetet. Es gab Initiationsriten, Wasser- und Bluttaufe, Mutproben, Einkleidung und einen initiatorischen Gang vom Dunkel zum Licht. Dazu kam ein Kultmahl mit Brot, Wein, Milch, Honig und Fleisch. Dem Mythos nach tötete Mithras im Rahmen seines Kampfes gegen das Böse einen Stier in der Höhle. Danach fuhr er in einer Quadriga in den Himmel. Er erschien als Kosmokrator – die Höhle als Zeichen des Kosmos –, der in der Tötung des Stiers neues Leben hervorbringt.
235 Mithras-Relief (2. Jh.p); MNR
III.2.5.3.
Nicht ganz zu Unrecht wurde er vom französischen Historiker Ernest Renan im 19. Jh. zum großen Gegenspieler zu Christus aufgebaut. In der Tat war der Mithras-Kult schon durch seine weite Verbreitung, zu der seine Verwurzelung im Militär beitrug, ein ernster Konkurrent des jungen Christentums. Neuerdings hat man die Theorie der »Sodatenreligion« relativiert und sieht auch andere Netzwerke, freigelassene Sklaven, Zollbeamte, als mitverantwortlich für die rasche Verbreitung.
Schollmeyer 2008, 134
Franz Cumont hatte in einem seinerzeit wirkmächtigen Werk Les religions orientales dans le paganisme romain (1906) die These vertreten, dass der Erfolg der orientalischen Religionen im römischen Kaiserreich den Weg für das Christentum frei machte. Es ging den Menschen dieser Zeit um Heil und Erlösung, wie sie es in den hellenistischen Kulten vorgespurt und im Christentum eingelöst erlebten. Auch wenn sich Cumont durch differenziertere Argumentation von einer im 19. Jh. verschiedentlich vertretenen einfachen Formel der Erschöpfung der römischen Religion durch den Einbruch orientalischer Kulte und dem folgenden Sieg des Christentums (etwa Georg Wissowa) abhob, bleiben manche Sichtweisen heute korrekturbedürftig. Trotzdem berührte Cumont einen bedenkenswerten Aspekt. Denn das religiöse Koordinatensystem hatte sich in der Spätantike verändert. Die zahlreichen seit dem späten 2. Jh. entstandenen Heiligtümer waren »ausnahmslos Verehrungsstätten für Gottheiten wie Isis et Serapis, Iuppiter Dolichenus, Kybele et Attis sowie Mithras oder den neuen Christengott […].« Es waren Kulte, die eine Erlösungshoffnung bedienten. Cumont hatte diese neuen Kulte vor allem dem Orient zugeschrieben, was man in der Fachliteratur als orientalismusverdächtig kritisiert hat, aber noch heute werden die künstlerischen Reste der spätantiken Anlagen in den Sale dei culti orientali in den Kapitolinischen Museen gezeigt.
Clauss 2000
Ulansey 1989
Berrens 2004, 103ff
Merkelbach 1984, 24f, 201
Es versteht sich von selbst, dass vor solchem Hintergrund die Ikonographie große Ähnlichkeiten mit der frühchristlichen Kunst aufwies: Sol Invictus-Darstellungen, die Mahlszenen, Himmelfahrt. Mithras erschien wie Christus als Kosmokrator und als Personifikation kosmischer Kräfte. Das Aufkommen einer solaren Theologie war ein äußerst markantes Signal in der Spätantike, sowohl im heidnischen Mithraskult wie in der christlichen Lichttheologie. Die Severinische Dynastie brachte den Sonnengott nach Rom. Unter Kaiser Elagabal war Mithras Reichsgott und Aurelian machte den Sol Invictus-Kult zur Staatsreligion. Tertullian (Apologeticum) entriss das Sol Invictus-Motiv der Mithrasfigur und dem römischen Sonnenkaiser zugunsten von Christus, der nun zur wahren unbesiegten Sonne wurde. Vor solchem Hintergrund und einer reichen Sol-Ikonographie ab Konstantin erhält die Theorie reiche Nahrung, die Verlegung des Weihnachtsfests auf den Tag der Wintersonnenwende, die erstmals 335/37 Erwähnung findet, von da her zu erklären. Es war unter Aurelian der Geburtstag des Sol Invictus und des Mithras. Auch dieses Motiv gehört zu den Neucodierungen heidnischer Vorlagen. Im Deckenmosaik des Julier-Mausoleums wurde Christus als Sonnengott auf einem Wagen dargestellt.
Ferguson 2003, 290ff
Merkelbach 1984, 134ff
Gordon Richard in Kat. 2013a, 216
Der wichtige Anteil der Höhle an der Mithras-Erzählung prägte den Bau der Mithräen als unterirdische Kulträume, manchmal aus dem Felsen gehauen. Die Mithräen waren privat finanzierte Einrichtungen (der Mithraskult war kein Teil des offiziellen Kultkalenders). Auf dem Land verwandte man in erster Linie Höhlen, die daran erinnerten, dass Mithras den Stier in einer Höhle getötet hatte. In den Städten, besonders in Hafenstädten (in Ostia hat man bislang 15 Kulträume gefunden), waren die Heiligtümer langgestreckte basilikale Bauwerke, meist gewölbt, mit Apsiden versehen und links und rechts (teilweise in Schiffen) mit Sitzbänken ausgestattet. San Clemente in Rom ist auf einem Mithräum, das bis Anfang des 5. Jh.s verwandt wurde, errichtet. Ebenso Santo Stefano Rotondo, das zudem auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne gebaut wurde. Auch bei den Mithräumsbauten beriefen sich manche Bauherren auf die Eingabe durch den Gott selbst.