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6.0. Byzanz

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Wenn man in der Geschichtsschreibung mit dem Datum 476 den Untergang einer ganzen Zivilisation verbindet, ist das klar auf den Westen bezogen. Denn zur Eigenart der römischen Geschichte gehört, dass nach der Absetzung des Romulus das Römische Reich keineswegs endete. Auch nach einem Jahrtausend hatte die Rom-Idee nichts von ihrem Glanz verloren, nicht bei den erobernden Barbaren und eben auch nicht, was den Fortbestand des Reichs betraf: »Es existierte einfach weiter, ohne die Stadt Rom, ohne das Kernland Italien, ohne die allermeisten lateinischen Provinzen.«

Pfeilschifter 2014, 192

Dieses Rom entstand im Osten in neuer Gestalt. Man kann auch sagen, dass das Römische Reich im Byzantinischen weiterlebte. Das Byzantinische Reich umfasst von der Gründung Konstantinopels an gerechnet ein ganzes Jahrtausend. Und dieses Reich steht in der europäischen Kulturgeschichte geradezu als Markenzeichen des häufig beschworenen Europa als Erbe von Rom und Athen.

Von 330 bis 1453 war Byzanz unangefochtene Kaiserstadt, wenngleich es daneben andere wichtige Provinzstädte gab, deren historische Rekonstruktion sich schwierig gestaltet. Es war als europäisches Staatswesen ein Bindeglied zwischen dem Orient und dem Okzident und zeitlich eine Klammer zwischen Spätantike, Mittelalter und beginnender Neuzeit. Byzanz hat keinen exakten Anfang. Seine Kultur entstand aber nicht durch einen Bruch und niemand würde dieses Reich heute noch ernsthaft mit Dekadenz verbinden, wie dies lange mit Blick auf die vermeintliche römische Größe kolportiert wurde (Edward Gibbon). Zumindest stellt es sich »als nichtkatastrophales Überleben des antiken Kulturuniversums dar, das als seinen Kern die christliche Weltanschauung hat.«

Kapriev 2005, 13

Cameron 2006

Mathew 1963

Mazal Otto in Mazal 1995, 37

Im Vordergrund stand ein Transformationsprozess, der vor der Spannung von (sprichwörtlich byzantinischer) Beharrung und Veränderung verlief. Die Byzanz lange zugeschriebene konservative Statik wird inzwischen relativiert und es werden eine erkleckliche Zahl von Phasen definiert, die eine Dynamik der Kultur und damit auch der Kunst zeigen sollen. Trotzdem bleiben solche Veränderungen in einem wesentlich engeren Rahmen als in anderen Gebieten, etwa der gleichzeitigen Kultur des lateinischen Westens. »Selbst die rege soziale Entwicklung in Byzanz und die Berührung mit ungezählten Völkerschaften in Ost, Nord und West hat den Grundcharakter der byzantinischen Kultur nicht entscheidend modifiziert.«

Ducellier 1990, 64f

Deckers 2007, 106

Schweinfurth 1954, 26

Seine Identität erhielt das Reich durch die römische Verfassung, die christliche Religion und das beinahe exklusive Erbe der griechischen Kultur. Insbesondere mit seiner Bibliothek besaß Konstantinopel nach dem Untergang anderer großer Bibliotheken (Alexandrien, Antiochien, Pergamon, Ephesos, Athen) im 6. Jh. ein Kulturmonopol. Zudem machte die Eroberung der umliegenden Gebiete im Osten durch die Araber Konstantinopel zur alleinigen und begehrten Metropole von Bildung und Kultur des Mittelalters. Es ist die einzige Stadt der Christenheit, die im Mittelalter »das literarische und wissenschaftliche Erbe der Antike in derart großem Umfang bewahrt[e].« Das ist eine positive Version, die auf die gewaltige kulturelle Leistung, die jetzt anhob, verweist und sie klingt zutreffender, als wenn man nur konstatiert: »Byzanz ist der Ausgang der Antike.«

Tomei Alessandro in Bussagli 2007, 311

Zwar hatte Gregor der Große Rom gleichsam zur christlichen Metropole gemacht, aber die Stadt blieb zwischen 553, der Vertreibung der Goten aus der Stadt, und 754, der Pippinischen Schenkung, unter byzantinischer Schutzherrschaft mit zahlreichen byzantinischen Beamten und etwa einem Dutzend (von etwa fünfunddreißig) griechischen oder syrischen Päpsten in dem genannten Zeitraum. Viele östliche Ordensgemeinschaften verlegten ihren Sitz in die Ewige Stadt. »Daraus ergab sich das Phänomen, daß die byzantinische Malerei im römischen Malstil fortgeführt wurde.« Rom war demnach eine Quelle byzantinischer und griechischer Kultur mitten in Europa. Die durch ein Erdbeben verschütteten und dadurch konservierten Fresken aus drei Jahrhunderten von Santa Maria Antiqua auf dem Palatin aus eben dieser Zeit sind mit ihren Bildern von Päpsten und hohen Beamten ein Abbild der geschilderten Situation. Darin befindet sich auch die älteste Darstellung des Christus am Kreuz. Byzantinische Riten und der Marienkult wurden in Rom lebhaft weitergeführt. Letzterer schlug sich in mehreren einschlägigen Kirchweihen nieder.

625 wurde in Konstantinopel Latein als Amtsprache durch Griechisch ersetzt. Kaiser Herakleios änderte seine Titulatur vom lateinischen Imperator zum griechischen Basileus. Was wie eine Degradierung aussieht, war in Wahrheit eine Änderung der Tradition. An die Stelle der römischen Augusti traten als Vorbilder die Könige des Alten Testaments, in erster Linie David.

Ducellier 1990, 98ff

Beck 1994, 12

Zwar war die Hinwendung zur griechischen Tradition weithin akzeptiert, eine spezielle, besonders von der Oberschicht bereitwillig akzeptierte Hellenisierung hingegen stieß bei weiten Teilen der Bevölkerung auf Widerstand. Man wollte eine »eigene Kultur« gegenüber dem als elitär und fremd empfundenen Hellenismus.

6.2.

Mazal 1989, 153f

Die Abgrenzung zwischen klassisch, spätantik, oströmisch und byzantinisch ist ein Problem der Nomenklatur, das die Byzantinistik bis heute beschäftigt. In besonderer Weise gilt dies für das Wesen und die Abgrenzung einer byzantinischen Kunst.

Kunstphilosophie und Ästhetik

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