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V. EU als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit

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Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon und seinen Begleitgesetzen (BVerfGE 123, 267) ausgeführt, der Ratifikationsvorbehalt des Art. 42 Abs. 2 UAbs. 1 EUV verdeutliche, dass der Schritt der Europäischen Union zu einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit durch die geltende Fassung des → Primärrechts und durch die Rechtslage nach einem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon noch nicht gegangen werde (BVerfGE 123, 267 [425]).

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Teilweise wird hieraus geschlossen, dass das Gericht die EU nicht als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit i.S.v. Art. 24 Abs. 2 GG anerkenne. Inhaltlich geht es allerdings bei dieser Passage des Judikats um die Frage, ob die EU ohne Einhaltung der nationalen Vorgaben die Mitgliedstaaten i.R.e. noch zu beschließenden gemeinsamen Verteidigungspolitik zu einem Militäreinsatz verpflichten, also nationales Recht überlagern könne. Das BVerfG hat in seinem Grundsatzurteil zu Streitkräfteeinsätzen vom 12.7.1994 (BVerfGE 90, 286 [349]) lediglich gefordert, dass ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit über ein friedensicherndes Regelwerk und den Aufbau einer eigenen Organisation verfüge, der für jedes Mitglied einen Status völkerrechtlicher Gebundenheit begründe, der wechselseitig zur Wahrung des Friedens verpflichte und Sicherheit gewähre. Für die UN (BVerfGE 90, 286 [349]) und die NATO (BVerfGE 90, 286 [351]) hat das Gericht die Merkmale eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit ausdrücklich anerkannt. Ob diese Voraussetzungen im Falle der EU-Verteidigungspolitik vorliegen, wird im Urteil zum Vertrag von Lissabon nicht geprüft.

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Da die EU mit dem EU-Vertrag über ein friedensicherndes Regelwerk jedenfalls insofern verfügt, als sie ihre Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschreibt, und zudem mit dem Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee, dem Militärausschuss der EU und dem Militärstab der EU auch über entsprechende Organisationsstrukturen verfügt (→ Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik [GSVP]), erfüllt sie die Kriterien des Grundsatzurteils, ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit zu sein. Die zitierte Passage des Lissabon-Judikats kann mithin als obiter dictum angesehen werden; sie ist nicht Bestandteil der nach Art. 31 Abs. 1 BVerfGG in Gesetzeskraft erwachsenen Entscheidungsformel (vgl. BGBl. 2009 I, S. 2127); die staatliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland behandelt die EU bei Militäreinsätzen jedenfalls als ein solches System i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG.

BBeistandsfall (Peter Dreist) › VI. Einsatzregeln

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