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V. Sonderformen der Vollstreckungsabwehrklage
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Wenn der Schuldner nur mit einer bestimmten Vermögensmasse für einen Anspruch haftet (wie z.B. der Erbe bei einer Beschränkung der Haftung auf den Nachlass, §§ 1975 ff BGB; oder derjenige, der sich als Minderjähriger verpflichtet hat, § 1629a BGB), dann muss er sich wehren können, falls der Gläubiger in andere Vermögensgegenstände vollstreckt. Nach §§ 785 ff ZPO finden die §§ 767, 769 ZPO hier entsprechende Anwendung.
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Beispiel 28 (zur Abgrenzung des § 785 ZPO):
Gläubiger G vollstreckt gegen Schuldner S, als dieser plötzlich verstirbt. G setzt die Vollstreckung fort und beauftragt den Gerichtsvollzieher, auch einige wertvolle Gegenstände aus dem Vermögen des Erben E zu pfänden.
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In Beispiel 28 greift nicht § 785 ZPO ein. Denn hier handelt es sich um die Fortsetzung einer Vollstreckung nach dem Tod des Schuldners nach § 779 ZPO. Diese darf zwar ebenfalls nur in den Nachlass erfolgen, aber das liegt daran, dass Titel und Klausel sich gegen den Erblasser (hier S) richten. Wenn Vermögen des E gepfändet wird, liegt ein Fall des § 771 ZPO vor, E kann Drittwiderspruchsklage einlegen (dazu unten Rn. 528 ff).
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Fall 3 (Abtretung und Präklusion nach § 767 II ZPO):
Gläubiger G hat eine Forderung gegen Schuldner S zur Sicherheit an die B-Bank abgetreten. Gleichwohl machte G die bereits abgetretene Forderung klageweise gegen S im eigenen Namen geltend. S wurde antragsgemäß verurteilt. G beginnt mit der Vollstreckung. Nun meldet sich auch die B-Bank und klärt den S über die bereits erfolgte Abtretung auf. Kann sich S gegen die Vollstreckung des G mit der Vollstreckungsabwehrklage wehren?
Lösungshinweise:
I. Zulässigkeit
Die Vollstreckungsabwehrklage ist zulässig. Insbesondere ist sie nach § 767 I ZPO statthaft, da sich S auf materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch beruft. Er macht geltend, dass G aufgrund der Abtretung nicht mehr Inhaber der Forderung ist.
II. Begründetheit
Problematisch ist allerdings die Begründetheit der Klage.
1. Einwendung: Verlust der Aktivlegitimation
Zunächst könnte man daran denken, den Verlust der Aktivlegitimation als Einwendung iSd. § 767 ZPO zu verstehen. Dieser kann durchaus eine taugliche Einwendung nach § 767 I ZPO darstellen.
Hier ist diese Einwendung aber nach § 767 II ZPO jedenfalls ausgeschlossen, da die fehlende Aktivlegitimation bereits vor dem Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vorgelegen hat. Dass S von der Abtretung keine Kenntnis hatte, ist unbeachtlich.
2. Einwendung: § 407 I BGB
Möglicherweise kann hier aber § 407 I BGB als Einwendung vorgebracht werden. Nach § 407 BGB könnte ausnahmsweise doch auf die Kenntnis des S abzustellen sein. Danach verliert S nämlich erst durch die Kenntnis von der Abtretung die Möglichkeit, mit befreiender Wirkung an den Zedenten G leisten zu können. Hier hat S in der Tat erst nach Rechtskraft des gegen ihn ergehenden Urteils von der Abtretung der Forderung zwischen G und der B-Bank erfahren. § 407 I BGB greift also erst ab diesem Moment ein. Die Einwendung könnte „neu genug“ sein.
In der Literatur, sowie früher auch in der Rechtsprechung, wird die Auffassung vertreten, dass die nachträgliche Kenntnis des Schuldners von der Zession eine beachtliche Tatsache iSd. § 767 II ZPO darstelle[49]. Dies ließe sich damit begründen, dass für den Schuldner bis zum Zeitpunkt der Kenntnis objektiv kein Bedürfnis besteht, den Einwand der Abtretung geltend zu machen, da er ja gemäß § 407 I BGB noch mit befreiender Wirkung an den Zedenten leisten kann. Erst ab Kenntnis der Abtretung verändert sich seine Rechtsstellung nachteilig, da er ab diesem Zeitpunkt nur noch an den Zessionar mit befreiender Wirkung zahlen kann. Die Kenntniserlangung kann daher als subjektive Tatbestandsvoraussetzung des Einwands der fehlenden Aktivlegitimation gesehen werden. Da die Kenntnis hier nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eintrat, wäre der Einwand nicht präkludiert.
Nach der vom BGH vertretenen Gegenansicht kann die Kenntniserlangung nach § 407 I BGB dagegen keine Auswirkungen auf den Entstehungszeitpunkt der Einwendung fehlender Aktivlegitimation haben[50]. Für die Sichtweise des BGH spricht insbesondere, dass im Anwendungsbereich von § 767 II ZPO zum Schutz der Rechtskraft auf die objektive Lage abzustellen ist und diese nicht davon abhängen kann, ob die Beteiligten von der Lage Kenntnis haben. Zudem verliert der Schuldner durch die Kenntniserlangung nur eine Verteidigungsmöglichkeit gegenüber dem Zessionar, während in dem Rechtsverhältnis zum Zedenten keine Änderungen eingetreten sind. Folgt man dem, so kann die Kenntnis bei einer Klage nach § 767 I ZPO auch keine Einwendung im Verhältnis zum Zedenten begründen[51].
Für die Auffassung des BGH streitet folgende weitere Überlegung: Die Versagung der Vollstreckungsabwehrklage belastet den Schuldner nicht unzumutbar, da für ihn die Möglichkeit besteht, den geschuldeten Betrag zu hinterlegen und auf die Rücknahme zu verzichten, um ein Erlöschen der Forderung zu bewirken (§§ 372 S. 2, 378 BGB). Geht er so vor, kann er mit einer erneuten Vollstreckungsabwehrklage das Erlöschen der Forderung durch Hinterlegung geltend machen. Diese Einwendung wäre nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden und daher nicht nach § 767 II ZPO präkludiert.
III. Ergebnis: S kann gegen die Vollstreckung des G nicht dessen fehlende Aktivlegitimation einwenden. Hinterlegt er den Betrag, erwächst ihm der Erfüllungseinwand. Nur in diesem Fall hätte die Vollstreckungsabwehrklage des S Erfolg.
Hinweis: Bei Abtretungen vor oder während des Rechtsstreits muss man unbedingt § 407 II BGB beachten. Es macht einen wichtigen Unterschied, ob die Forderung vor Beginn des Verfahrens oder während des Verfahrens abgetreten wurde.
§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › VI. Übersicht: Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO)