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»Abgelehnt.« Noch einmal las er das Wort laut vor: »Abgelehnt …«

Bedauernd schüttelte er den Kopf und erhob sich aus seinem Stuhl. Er schloss die Faust um das winzige Pergament, das vor wenigen Augenblicken mit einem Botenvogel gekommen war. Die Nachricht hatte die Weiten des Tobenden Meeres mittels einer verzauberten Taube überquert, um hier in Carapuhr alle Hoffnung zu zerschlagen.

Melvin durchquerte die Flure der königlichen Burg, seine Schritte hallten laut durch die Korridore mit ihren hohen Decken. Obwohl ihn sein Weg unverzüglich nach Erhalt der Nachricht zu seinem Bruder führen sollte, steuerte Melvin den Bibliotheksflügel an, wo er seine Frau vorfand.

Wie erwartet saß Karrah zu dieser frühen Stunde auf einer mit weichen Fellen bedeckten Fensterbank und spähte hinaus über die hellgrünen Wiesen des Burggartens, der sich nur langsam vom harten Winter erholte. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster, Karrah hielt ihr wunderschönes Gesicht und ihre violetten Augen in den Windzug, der durch den Spalt des halb geöffneten Fensters in den warmen Raum drang.

Melvin blieb im Türrahmen stehen und betrachtete für einen Moment das Bild, das sich ihm bot. Karrah wirkte blass und übermüdet, was ihrer exotischen Schönheit jedoch nicht abträglich war. Sie hatte ihr rotes Seidenkleid geöffnet und eine Brust befreit, in ihren Armen lag sein neugeborener Sohn und trank sich satt an ihrer Milch. In Mitten der hohen Regale, die über und über mit Büchern vollgestopft waren, wirkte seine kleine Familie geradezu verloren.

Melvin nahm sich ein Herz und trat ein. »Abgelehnt.«

Sie sprang so unerwartet auf, dass er einen winzigen Augenblick Sorge um seinen Sohn hatte, aber Karrah hielt ihn sich an die Brust gedrückt.

Grauenhaftes Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben, Melvin ertrug es nicht, sie so zu sehen und senkte den Blick.

Er hätte sie gerne in den Arm genommen, doch er wusste, dass sie dies im Augenblick nicht zugelassen hätte. Er kannte sie mittlerweile gut genug, und wegen ihrer Stärke und ihrer Sturheit hatte er sich in sie verliebt und sie geheiratet. Karrah war die einzige, die sich nicht an seinem verbrannten Körper störte, oder daran, wie unansehnlich die eine Hälfte seines Gesichts war, und er hatte nie ein Problem mit ihrer Unabhängigkeit oder ihrer Zauberkraft gehabt. Liebe musste bedingungslos sein und durfte nicht nur darauf beruhen, dass man den anderen schön fand. Er glaubte, dass sie sich deshalb so nahestanden, weil er wusste, dass sie ihn um seiner Person willen liebte, nicht wegen Äußerlichkeiten.

Karrah versuchte, ruhig zu bleiben, doch als sie sprach, überschlug sich fast ihre Stimme: »Dann werden wir ihn eben mit einer Armee befreien! Ruf nach deinem Bruder, wir müssen …«

Melvin stellte sich ihr in den Weg und schüttelte den Kopf. Noch immer hielt er die Nachricht aus Nohva in den Händen und strich das Pergament nun glatt.

Karrah sah verwundert zu ihm auf.

»Es tut mir leid, Liebste«, hauchte er, »aber es ist zu spät.«

Sie schüttelte nur den Kopf, außerstande, etwas zu sagen.

Melvin fasste sie an der Schulter und wollte sie zur Fensterbank führen, damit sie sich setzte. Ihre Kräfte schwanden bereits von Tag zu Tag, er ertrug es allmählich nicht mehr, sie so zu sehen.

Aber Karrah wehrte sich gegen seinen sanften Griff mit energischer Wut. Sie schob ihm ihren greinenden Sohn in die Arme, und Melvin war gezwungen, ihn an sich zu nehmen.

»Dann werde ich eben mit Melecay sprechen!«, beschloss sie und raufte schon die Röcke.

Melvin stellte sich ihr erneut in den Weg, seinen Sohn auf den Armen wiegend.

»Karrah, meine Liebe«, begann er eindringlich, »nichts, was wir hätten tun können, wäre jetzt noch von Belang. Du weißt, wie weit der Weg von hier nach Nohva ist, und wie lange die Nachricht brauchte, um hier einzutreffen. Desiderius … Dein Vater, er wird bereits heute hingerichtet.« König Rahff lehnte Großkönigs Melecays Forderung, ihn Carapuhr auszuhändigen, ab; es war zu spät für eine Rettung.

Karrah hatte Tränen in den violetten Augen, sie wollte die Hoffnung nicht aufgeben. »Dann gehen wir mit Melecays Armee durch das Portal!«

»Melecay liegt noch immer krank im Bett, und selbst wenn er wohl auf wäre, wäre es uns wohl kaum möglich, jetzt wie durch ein Wunder herauszufinden, wie wir das Portal benutzen können, ohne den Schlüssel, den Nohva besitzt!«

Karrah wusste besser als alle anderen, dass sie das Portal von dieser Seite aus nicht nutzen können. Und für eine Seereise war es zu spät.

Melvin schüttelte den Kopf, als er sah, wie seine Frau noch blasser wurde und sich eine Hand auf die Brust legte. Tränen des Unglaubens traten ihr in die Augen und sie schwankte.

»Es tut mir so leid«, sagte er aufrichtig zu ihr. »Ich weiß, wie sehr du ihn geliebt hast.«

Karrahs rote Lippen standen offen, während ihr bewusstwurde, dass sie ihren Vater nicht retten konnte, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Melvin wusste, dass nun die Zeit war, da sie ihn brauchte, körperlich brauchte.

Er streckte einen Arm aus und legte ihn um sie. Mit seinem Sohn zwischen ihnen beiden umarmte er sie und ließ ihr Zeit, den Schock erst einmal sacken zu lassen. Es war noch zu früh für sie, um es zu begreifen, am Abend wäre es vielleicht soweit, dass sie im Stande war, um Desiderius zu weinen.

Nach einem Moment löste sie sich von ihm und strich ihr Kleid glatt. Sie hatte sich soweit gefangen, um zumindest äußerlich Haltung zu bewahren.

Melvin beugte sich vor und küsste ihre Wange. »Ich liebe dich. Und ich bin da für dich, wenn du mich brauchst.« Auch Melvin trauerte, denn er hatte Karrahs Vater immer gemocht, auch wenn dieser immer misstrauisch ihm gegenüber war. Aber Melvin hatte ihn respektiert, weil sie beide dasselbe wollten: Karrahs Sicherheit.

»Ich muss wieder in den Krankenflügel«, sagte sie wie betäubt.

Melvin runzelte die Stirn. »Karrah, du solltest dich ausruhen!«

»Nicht jetzt!«, beschloss sie. »Er braucht mich.«

»Sein Zustand hat sich in den letzten Monaten nicht verändert«, versuchte Melvin ihr begreiflich zu machen, »ich sage nicht, du sollst es aufgeben, aber du musst auch auf dich achten. Schlaf, iss und schone deine Kräfte. Dein Sohn braucht dich ebenso wie es dein Vater tut.«

Karrah sah ihn zornig an. »Wenn du denkst, ich wäre keine gute Mutter …«

»Das ist ja das Problem!« Melvin senkte einfühlsam und verständnisvoll die Stimme. »Du versuchst, beides zu sein. Eine gute Tochter und eine gute Mutter, und beides laugt dich aus. Ich will nur nicht, dass du krank wirst.«

Karrah lächelte zu ihm auf und nahm sein Gesicht zwischen ihre warmen Hände. Sie zog ihn zu sich hinab und küsste ihn auf den Mund. Dann sah sie ihm in die Augen und sagte beschlossen: »Du kannst nichts tun, um mich davon abzuhalten, mich für die aufzuopfern, die mich als ihre Tochter aufzogen. Vor allem jetzt nicht, da ich den einen verloren habe.«

»Dann tu, was du tun musst, aber mach dir keine Hoffnung. Die Wunde an seinem Kopf war einfach zu schwer.« Melvin sah sie traurig an. »Ich wünschte nur, es wäre keine vergeudete Mühe, Karrah.«

Denn so wie er das sah, würde Wexmell nie wieder die Augen öffnen. Dafür schlief Nohvas wahrer Kronprinz leider schon viel zulange.

Zähmung des Feuers

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