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Prolog

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»Beschützt meinen Sohn!«

Ehvon stürzte aus seiner Kammer, als das Brüllen des Lords durch die Flure hallte. Seine Stoffsandalen rutschten beinahe auf dem glatten und dunklen Gestein der Festung aus, während er durch die Burg eilte.

Metall, das aus ledernen Scheiden gezogen wurde, sang das Lied des Todes, und das Klimpern schwerer Rüstungen erfüllte die Gänge.

Ehvon beschleunigte seinen Schritt, wobei er den schweren Stoff seiner weißen Robe anheben musste, um nicht über den Saum zu stolpern. Ein ekelerregendes Geräusch drang aus dem Schlafgemach des Lords. Es klang weich und nass, beinahe wie ein Fuß, der aus klebrigem Matsch gezogen wurde. Ein erstickter Laut folgte auf einen Schmerzensschrei.

Der Lord!

Als Ehvon endlich um die Ecke bog und durch die offene Tür der Gemächer seines Herrn blicken konnte, taumelte er erschrocken zurück. Er schlug die Hand vor den Mund, um nicht zu schreien.

Schwerter klirrten, als das Chaos in dem schmucklosen Raum ausbrach. Leibwächter gegen Leibwächter. Der Lord kniete mitten unter den Kämpfenden auf dem Boden, hielt sich den Bauch und krümmte sich. Blut floss aus einer Wunde in seinem Leib über seine zittrige Hand, seine Lippen färbten sich rot.

Vor ihm stand Zareth, der Bruder des Lords, und hielt ein Langmesser in der Faust. Von der Klinge tropfte rotes Blut zu Boden.

Flehentlich hob der Lord eine Hand, um seinen Bruder aufzuhalten, doch da erblickte er durch den Vorhang seines schneeweißen Haars Ehvon in der Tür. Seine Augen weiteten sich und er schrie ihm befehlend entgegen: »Rettet meinen Sohn! Bei den Göttern, rettet ihn!«

Der Verräter drehte sich um, seine dünnen Lippen waren noch schmäler als sonst, und das Licht aus den Flammen des offenen Kamins ließen seinen ohnehin schon spitzen Nasenzinken in seinem unscheinbaren Gesicht noch gewaltiger wirken. Man nannte ihn nicht umsonst hinter vorgehaltener Hand »Das Narrengesicht«. Doch Humor hatte der Bruder des Lords noch nie besessen, er war schon immer ein Griesgram gewesen. Allerdings hätte Ehvon es nicht für möglich gehalten, dass Zareth irgendwann im Stande wäre, Verrat an seinem eigenen Bruder zu verüben.

»Ehvon«, knurrte Zareth und drehte sich zu ihm um, die blutige Waffe auf ihn richtend. »Bleib hier, alter Freund …«

Doch Ehvon fuhr herum und eilte davon. Er hob die Robe dabei so hoch, dass man fast seinen alten Hintern sehen konnte, und flitzte durch die Flure wie ein junger Novize, der dem tadelnden Stock des Lehrmeisters entwichen wollte.

Zareths schrilles Lachen wehte ihm hinterher. »Seht ihn euch an! Zeigt uns seinen faltigen Arsch!« Die Leibwachen, die ihre Kameraden niedergestreckt hatten, lachten atemlos.

Während Ehvon über die Böden der Burg schlitterte, hörte er aus allen Winkeln und Zimmer Kampfgeräusche. Scharfe Klingen wurden gezogen, Männer grunzten und brüllten auf, Frauen und Mädchen rannten kreischend davon, als sei ihnen ein Dämon auf den Fersen.

Doch es waren einfache Männer mit einfachen Trieben, die ihnen nachjagten und grölend und lüstern lachten. Die Krieger warfen die Weiber dort wo sie sie zufassen bekamen zu Boden und nahmen sie an Ort und Stelle. Die Frauen schrien, die Mädchen weinten. Die Schändungen waren hart, gnadenlos und allein beim Anblick Übelkeit erregend.

Ehvon huschte durch all das Chaos hindurch, sprang über Blutlachen, die sich auf dem Boden der düsteren Eingangshalle gebildet hatten, und bahnte sich suchend und voller Angst einen Weg durch die Kämpfer. Bruder gegen Bruder. Die Götter würden erzürnt sein über diesen Verrat!

Er fand den Sohn des Lords dort, wo er ihn vermutet hatte.

Bei den Ställen kämpfte er Seite an Seite mit seinen gepanzerten Leibwächtern. Die Krieger seines Onkels mussten ihn kurz vor seinem Ausritt abgefangen haben.

Er war ein stolzer Mann, ein starker und großer Mann, der nicht leicht zu besiegen war, genau wie sein Vater in seinem Alter. Ehvon verspürte warmen Stolz durch sich hindurchfluten, hatte er zu ihm doch stets eine innige Beziehung gepflegt.

»Mein Lord!«, rief Ehvon.

Sein Herr sah hinauf zu dem Weg, auf dem Ehvon stand. Ein Gatter und der Sattelplatz trennten sie voneinander. Er musste einen Gegner abwehren und niederschlagen, ehe er sich erneut dem Priester zuwenden konnte.

»Lauft!«, rief Ehvon ihm zu. »Ihr müsst fliehen! Flieht!«

Doch der Sohn des Lords schüttelte wie erwartet trotzig seinen dunkelhaarigen Kopf. Er würde seine Burg niemals kampflos aufgeben, dafür hatte er zu lange darauf gewartet, sie endlich übernehmen zu dürfen. Fast sein ganzes Leben wartete er auf sein Erbe, da sein Vater für einen Menschen ungewöhnlich alt geworden war.

Bis der Lord schließlich seinem Bruder zum Opfer fallen musste, dachte Ehvon bedauernd.

»Bringt ihn weg von hier«, rief Ehvon stattdessen den beiden Leibwächtern zu. Er wusste, dass sein Herr nicht freiwillig fliehen würde. Niemals. »Befehl des Lords! Bringt ihn weg von hier!«

Sie zögerten nicht, den Erben an den Armen zu packen und ihn wegzuzerren. Ehvon sah traurig dabei zu, wie dieser sich wehren und befreien wollte. Doch als immer mehr in braunes Bärenleder gekleidete Krieger auf sie zuströmten, sah er sich gezwungen, seinen Leibwächtern zu folgen.

Sie sprangen auf ihre bereits gesattelten Pferde und schlugen wild die Fersen in die kräftigen Flanken der stämmigen Tiere. Der weiße Hengst des Erben bäumte sich noch einmal auf, ehe er durch eine Mauer sich aufgereihter Krieger hindurchgaloppierte und durch das Tor preschte, sodass der Matsch hochflog und den Feinden in die Augen spritzte.

Ehvon legte sich die gefalteten Hände auf die Brust und schickte ein Stoßgebet an die Götter, auf dass sie seinen Herrn beschützen würden.

Herz des Südens

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