Читать книгу Digitale Evolution, Revolution, Devolution? - Brendan Erler - Страница 26
3.7 Fazit „Faktenlage“
ОглавлениеDie widersprüchlichen Effekte der Piraterie zwischen Substitution und Netzwerkeffekten macht eine eindeutige Klassifizierung ihres gesellschaftlichen Schadens schwer möglich. Ähnliches lässt sich allgemein über das Urheberrecht zwischen Schutz des Urhebers, Innovationsanreiz und Förderung des Allgemeinwohls sagen, da vor allem das Wesen des von allen propagierten Allgemeinwohls eben eine im Diskurs umkämpfte in erster Linie politische und nicht empirische Frage darstellt. Während in Fragen des Produktionsanreizes die Balance zwischen Investitionsschutz und öffentlichem Zugang dementsprechend strittig bleibt, so gibt es zahlreiche Hinweise dafür, dass allzu lange Schutzfristen eher zu Lasten der Allgemeinheit und zu Gunsten nur einer Minderheit an Rechteinhabern und Verwertern gehen. Gleichzeitig scheinen in gleichem Maße sowohl die Klagen über Piraterie wie auch die Hoffnungen bezüglich einer Demokratisierung der Kulturlandschaft übertrieben gewesen zu sein. Sowohl in der Musik- wie der Literaturbranche lassen sich eher Phänomene der Spaltung und Marktkonzentration erkennen, die durch das Netz noch verstärkt werden. Gleichzeitig scheint das Urheberrecht nicht die dominante Rolle bei der Existenzsicherung der Künstler zu spielen, die ihm von der Kulturindustrie zugeschrieben wird. Vielmehr muss der Wertschätzung von Kunst und Kultur im Allgemeinen und dem Verhältnis zwischen Urhebern und Verwertern im Besonderen mindestens ebenso so große Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Die wissenschaftliche Uneinigkeit über die Folgen der Digitalisierung mutiert im öffentlichen Diskurs oft zu vermeintlicher Gewissheit. Auch wenn einzelne Studien nicht mit einem erwünschten und vereinbarten Ergebnis in Auftrag gegeben wurden, also unabhängig und ergebnisoffen durchgeführt wurden, so werden sie doch scheinbar vor allem als Mittel im Kampf um mediale Deutungshoheit ge- bzw. missbraucht und dementsprechend interpretiert. Die Validität und Professionalität einer Studie verkommt dabei oftmals zu einem Randaspekt. Wichtig erscheint vor allem eine opportune Schlagzeile. Das soll nicht suggerieren, dass sich im Dickicht der Studien die absolute Wahrheit versteckt, wenn man nur akribisch genug danach sucht. Die Vielzahl der teils sehr uneinigen Studien offenbart jedoch die Komplexität eines Problems und Phänomens, welches im Diskurs vielfach auf eindeutige und einfache Antworten reduziert wird. Diesen Deutungsmustern gilt das Augenmerk der nun folgenden Diskursanalyse.