Читать книгу Schwefel, Tran und Trockenfisch. Wie Hamburger Kaufleute Island eroberten - Brigitte Bjarnason - Страница 11

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Der Warenhandel

Schon zu Zeiten der Wikinger spielte der Im- und Export von Waren eine Rolle auf Island. Da es auf Island an Holz zum Schiffsbau mangelte und die Landwirtschaft die vorhandenen Arbeitskräfte benötigte, besaßen die Isländer selbst keine eigene Handelsflotte. Zuerst waren es Schiffe aus Norwegen und den schottischen Inseln, die den Warentransport nach Island übernahmen. Später kamen Engländer, Deutsche, Dänen und Holländer hinzu. Hauptausfuhrprodukt war anfangs das isländische Wolltuch (vaðmál), das nach Norwegen verschifft und gegen Mehl und andere Waren getauscht wurde. Um 1340 wurde das Wolltuch vom Trockenfisch abgelöst, was wohl dem Einfluss der Hanse zugeschrieben werden kann, die um diese Zeit eine Machtstellung im Geschäftsverkehr Nordeuropas einnahm. Anfang des 15. Jahrhunderts gelang es der Hanse, die Engländer, die schon früh Interesse an isländischen Produkten gezeigt hatten, vom Trockenfischhandel in Bergen auszuschließen. Dann begannen um das Jahr 1412 die Engländer mit eigener Fischfangflotte nach Island zu segeln, wo sie mit und ohne Erlaubnis des Königs jahrzehntelang Fischfang betrieben. Das 15. Jahrhundert, auch englisches Jahrhundert (enska öldin) genannt, war auf Island stark vom Einfluss der Engländer geprägt. Die Deutschen befürchteten, dass ihr Konkurrent nun den Islandhandel an sich reißen würde. Daraufhin begannen die Hansekaufleute nach Island zu segeln, das Deutsche Jahrhundert (þýska öldin) brach an.

Den Isländern brachte der Konkurrenzkampf zwischen den Engländern und der Hanse gewisse Vorteile. Der Preis für Trockenfisch stieg an. Man könnte wohl behaupten, dass die Hanse die Isländer aus ihren Erdlöchern geholt hat, denn nun entwickelte sich das kleine Land zu einem wichtigen Handelspartner, was auch Einfluss auf die Kultur des Landes hatte. Verdient haben jedoch hauptsächlich die reichen Isländer, die Kirche und der König an dem Trockenfischhandel. Die Landbevölkerung, die in der Hoffnung auf mehr Wohlstand an die Küsten strömte, ging leer aus. Diese Entwicklung hatte dramatische Folgen. Durch die Landflucht fielen die verlassenen Höfe in die Hände der Kirche oder reicher Gutsbesitzer. Der Viehbestand nahm ab, die einst blühende Landwirtschaft verfiel.

Die Handelszeit durfte nicht vor dem 1. Mai, dem Ende der Fischfangsaison, beginnen. Laut isländischem Gesetz erhielt der Kaufmann, der im Frühsommer als Erster einen Hafen anlief, das alleinige Recht, dort Handel zu betreiben. Die Kaufleute, die später kamen, durften nur mit der Erlaubnis des Erstankommenden ihre Waren zum Verkauf oder Tausch anbieten. Alle ausländischen Kaufleute mussten Zoll und das sogenannte Sackgeld (sekkjagjöld) als Steuer für den dänischen König bei ihrer Ankunft bezahlen. Zuvor mussten die Händler jedoch eine Lizenz für den Handel erworben haben. Nachdem die Lizenzgebühr an den König bezahlt war, wurde ein Passbrief ausgestellt. Der dänische König verdiente gut an dem Geschäft mit den Ausländern, denen mit der Handelserlaubnis die Verpflichtung auferlegt wurde, die armen Inselbewohner mit Kleidung und Lebensmitteln zu versorgen.

Die Handelswaren, die die Deutschen über den Nordatlantik nach Island brachten, waren vielfältig. Laut dem Bremer Schuldbuch von 1558, das aus der Bremer Kaufmannsfamilie Monnickhusen stammt, handelten die Monnickhusener mit Halbfertigwaren wie Stoffen (Leinwand, Tuch, Leinen), Ossemunt (bearbeitetes Eisen, Stahl) und zurecht gesägtem Holz (Dielenholz, Latten, Eichenholz, Balken, Schalholz). So wurden ebenfalls Fertigwaren aus Textil und Leder, wie Kleider, Hosen, Hemden, Hüte, Schuhe, Gürtel, Riemen eingeführt, die sich jedoch nur die betuchten Isländer leisten konnten. Auch Metallwaren wie Kessel, Beile, Messer, Werkzeuge waren im Schuldbuch aufgeführt und wegen der geringen vorhandenen Metallrohstoffe auf Island sehr begehrt. Da auf der Insel ein Mangel an Holz bestand, hatten die Bremer Tonnen, Eimer, Kisten und andere Holzwaren an Bord ihrer Koggen. Bier, Mehl, Met und Wachs standen vermutlich ebenfalls auf den Einkaufslisten der Einheimischen, da die Bremer auch diese Produkte mit sich führten. Das damals begehrte deutsche Bier soll übrigens schon im Jahre 1469 mit Bremer Schiffen nach Island transportiert worden sein.

Unsere heutigen Maßeinheiten wie Liter, Kilogramm und Meter waren im Mittelalter noch nicht bekannt. Geläufig waren die Maße Fuß, Arm (Elle) und Daumenbreite (Zoll), Becher und Eimer. Die Tonne galt als größeres Handelsgewicht. Gemeint war damit ein Fass. So wurden zum Beispiel für Butter, Heringe und Tran Tonnen (Fässer) verwendet. Das Gewicht der Tonnen konnte je nach Ort unterschiedlich ausfallen. In Hamburg maß eine Tonne Butter 224 Pfund aber in Bremen 216 Pfund.

Die Festsetzung der Warenpreise (kaupsetning) erfolgte um den 1. Mai unter Aufsicht des isländischen Vogtes. Die Isländer zahlten mit Fisch, Tran (Waltran, Seehundstran, Haifischtran, Dorschtran) und isländischen Wolltuch (watman). Der Fisch wurde nach Wete und Fordung berechnet.

Eine Wete entspricht 40 Fischen oder 8 Fordung.

1 Fordung (10 Pfund) = 5 Fische.

1 Wete = 40 Fische.

1 Tonne (Fass) Mehl oder eine Tonne Bier kosteten eine Wete Fisch,

1 Kessel oder ein Riemen ein Fordung Fisch und

1 Schwert drei Fordung (15 Fische).

Bei dem ausgeführten Fisch handelte es sich überwiegend um Trockenfisch (skreið). Aber auch gesalzener Seefisch wird in den Geschäftsbüchern erwähnt. Außerdem gibt es Nachweise, dass Händler aus Oldenburg (Aldinborg) 1585 im Hafen von Nesvogur auf Snæfellsnes 700 kg Lachs geladen hatten. Im 17. Jahrhundert soll mit dem Schiff des Claus Hadeler Lachs nach Hamburg geliefert worden sein.

Für die Herstellung des skreið eignete sich besonders Kabeljau. Der Fisch wurde von den Isländern zunächst flach zum Trocknen ausgelegt. Später haben die deutschen Bergenfahrer die Isländer die Verarbeitung des Fisches nach Art der Norweger gelehrt. Der Fisch wurde als sogenannter Rundfisch zurechtgeschnitten, indem der Kopf abgeschnitten und die Eingeweide entfernt wurden. Rücken und Rückgrat blieben heil. Der Bauch wurde nur bis etwa zur Hälfte aufgerissen. Auf diese Weise behielt der Stockfisch seine rundliche Form. Zum Trocknen band man je zwei Fische an den Schwanzflossen zusammen. Da die Trocknung der Fische auf Holzgerüsten längere Zeit dauerte, erfolgte die Lieferung oft erst vor Auslaufen der Schiffe im August. (Offizieller Termin für das Ende der Handelszeit war der 8. September.) Konnten die Waren der Kaufleute nicht mehr im selben Jahr mit Stockfisch bezahlt werden, wurden sie in das Schuldbuch unter alte Schuld (»olde schult«) eingetragen. Das Kreditgeschäft machte die Isländer von den Kaufleuten abhängig, brachte aber auch die Hanseleute in den Zwang, im folgenden Sommer nach Island zurückzukehren, um die Schuld einzutreiben oder die Forderungen einem anderen Kaufmann zur Eintreibung abzutreten. Oft gab es Streit zwischen den Kaufleuten, die laut Vertrag ihren versprochenen Fisch abholen wollten und dem Händler, der als Erster im Sommer den Hafen anlief und damit das Recht zum Handel erhielt. Nicht selten schickte dieser seine Männer aus, um sämtlichen Fisch, auch den, der einem anderen Kaufmann gehörte, zu kaufen. Manchmal waren die Kaufleute gezwungen, mit nicht verkauften Waren wieder in die Heimat zu reisen. Das änderte sich im Jahre 1527. Nun durften die unverkauften Waren einem isländischen Geschäftsleiter übergeben werden, der sie zum Verkauf im Winter anbot. Das führte dazu, dass die ausländischen Kaufleute statt den provisorischen Sommerbuden aus Torf, Steinen und Planen stabilere Häuser und an einigen Orten sogar Kirchen bauen ließen, die den Winter über Verwendung als Lagerhäuser fanden.

Nicht immer stieß der Islandhandel auf das Wohlwollen der deutschen Bevölkerung. 1483 kam es in Hamburg beinahe zu einem Aufstand wegen Kornlieferungen nach Island. In der Stadt herrschte zu dieser Zeit eine große Teuerung, weil das Getreide wegen der Ausfuhr knapper wurde.

Nach Stockfisch war auch der isländische Schwefel eine geschätzte Ausfuhrware. Da der dänische König bald selbst ein starkes Interesse an diesem Rohstoff hatte, den er für seine Kriegsgeschäfte benötigte, verbot er 1560 Ausländern den Handel. Neben dem Ausfuhrverbot für Schwefel, untersagte Friedrich II. auch den Export von anderen Waren, wie z. B. Tran, Pferden, Walross- und Walzähnen, sowie Fuchs- und Bärenfellen, die vermutlich aus Grönland stammten.

Die Geschichtsforscher waren sich lange Zeit einig, dass die Geschäfte mit Island für die Hamburger 1602 zu Ende gingen, denn Christian IV. hatte dem Hamburgischen Rat 1601 mitgeteilt, dass nur die Dänen in Island Handel betreiben durften. Eine Genehmigung zum Eintreiben ausstehender Schulden erlaubte den Kaufleuten eine letzte Fahrt zur Insel. Dennoch fuhren gegen den Willen des Königs Schiffe nach Island. Auch konnten die dänischen Kaufleute ihrer Verpflichtung, die Insel mit Waren zu versorgen, wegen Mangels an Schiffen und erfahrenen Seefahrern nicht nachgehen. Man kann sagen, dass mit dem dänischen Handelsmonopol die Armut nach Island kam. Der Preis für Trockenfisch fiel und die Bevölkerung kämpfte ums Überleben.

Im Jahre 1619 ordnete der dänische König an, dass der Handel nur von Kopenhagen aus erfolgen durfte. Hamburg blieb dennoch eine Zeit lang Hauptumschlagplatz für isländische Güter. Erst als Glückstadt an der Elbe, das damals zur dänischen Krone gehörte, diese Rolle übernahm, kam der Handel zum Erliegen.

Laut Dr. Gísli Gunnarsson haben jedoch die Hamburger Kaufmannsfamilien Persent, Prinz und Mumssen Verträge mit den Handelsgesellschaften in Kopenhagen abgeschlossen und auch noch im 18. Jahrhundert mit skreið (Trockenfisch) gehandelt. So sollen 65 Prozent des zur Ausfuhr bestimmten isländischen Fisches in den Jahren 1743 bis 1746 nach Hamburg gekommen und der Hansestadt erst in den Jahren 1760 bis 1770 der Islandhandel aus den Händen geglitten sein.

Der Warenaustausch mit den aus dem Ausland kommenden Kaufleuten hatte nicht nur einen regen Güterverkehr an den Küsten, sondern auch im Inneren des Landes zur Folge. Der Transport von der Küste in entfernt gelegene Landesteile oder umgekehrt vom Landesinneren an die Küste erfolgte zu Fuß oder mit den robusten Islandpferden. Das Überqueren von reißenden Gletscherflüssen, steinigen und vor dem Wetter ungeschützten Hochebenen forderte die Kräfte von Mensch und Tier heraus. Es gab nur wenige Brücken. An einigen Flüssen ruderte ein Fährmann die Reisenden und ihre Lasten für ein Entgelt über den Fluss. Die Leute mussten schon gute Gründe für solche beschwerlichen Reisen gehabt haben. Aus Vergnügen nahm niemand solche Strapazen auf sich. Abenteuerurlaub war damals noch nicht gefragt. Im Winter benutzten viele Isländer Schlitten, die von Pferden oder den Menschen selbst über Schnee und Eis gezogen wurden. Zu den Klöstern und Bischofssitzen in Skálholt im Süden und Hólar im Norden strömten das ganze Jahr über Menschen und Güter aller Art. In der Fischfangsaison im Frühjahr und Herbst wanderten Landarbeiter an die Küsten und im Sommer lockte das Althing die Leute aus allen Landesteilen in den Süden nach Þingvellir. Die Reisenden folgten den ausgetretenen und mit Steinhäufchen (varða) markierten Landwegen, dennoch kam es vor, dass Menschen vom Weg abkamen und das Ziel ihrer Reise nie erreichten.

Ein Teil der alten Landwege über Heiden und Pässe ist heute noch vorhanden, doch sind sie durch Bodenerosion, Landwirtschaft und Straßenbau stark gefährdet. Auf den Landkarten weisen Flurnamen auf die alten Wege und frühere Rastplätze hin.

Der Stoff, aus dem die Isländer sind: Vaðmál

Wer im hohen Norden Urlaub macht, sollte warme, wind- und wetterfeste Kleidung im Gepäck haben. Obwohl die Temperaturen im Sommer auch mal über 20 Grad Celsius klettern können, ist dies eher die Ausnahme. Meist weht eine steife Brise oder es herrscht hamburgisches/isländisches Schmuddelwetter.

Die ersten Siedler auf Island kannten keine wasserdichte, atmungsaktive Outdoor-Funktionsbekleidung aus leichten Chemiefaserstoffen. Sie mussten sich anders behelfen. Außer ihrem Hab und Gut hatten sie, aus Norwegen kommend, Schafe mit auf die Knorr (auch Knörr oder Knarr) genommen, deren Wolle auf vielfältige Weise verarbeitet wurde. Die Eigenschaften der Schafwolle entsprachen fast den heutigen Anforderungen von moderner Outdoorbekleidung, wenn man von der Schwere bei Feuchtigkeit und dem unangenehmen Kratzen auf empfindlicher Haut absah. Die 15 bis 30 mm langen Fasern der Unterwolle des Schafes (þel) dienten zur Herstellung von Unterwäsche. Das gröbere und längere Deckhaar (40 bis 150 mm) verwendeten die isländischen Landnehmer zur Herstellung von Hosen, Umhängen, Decken und Segeln. Mit dem feinen Unterhaar, das die Luft speichert und dem im Schafsfell enthaltenen Wollfett (Lanolin), das wasserabweisende Eigenschaften aufweist, sind Schafe von Natur aus bestens für das isländische Klima ausgerüstet. Daher ist die isländische Schafwolle seit der Besiedelung Islands für die Bekleidung der Menschen ein unentbehrlicher Rohstoff. Die daraus verarbeiteten Produkte entwickelten sich zu beliebten Exportwaren.

An der Herstellung des Garnes hat sich über die Jahrhunderte wenig geändert. Allerdings werden heute Maschinen zur Verarbeitung der Rohwolle eingesetzt. Der ganze Prozess beginnt aber seit jeher mit dem Scheren der Schafe im Herbst. Dann wurde die Wolle von groben Verschmutzungen gereinigt, gewaschen und nach der Qualität sortiert. Um die Fasern zum Verspinnen vorzubereiten, wurden sie auseinandergezogen, geordnet und gekämmt (kardieren). Durch gleichzeitiges Verdrehen und Auseinanderziehen der Wolle bildete sich mit Zuhilfenahme einer Handspindel (snælda) ein Faden. Später lösten das Spinnrad (rokkur) und Spinnmaschinen die Handspindel ab. Die Festigkeit und Stärke des Garnes hängt von der Drehgeschwindigkeit und der Nachgabe der gekämmten Wolle ab. Diese Tätigkeit erfordert viel Fingerspitzengefühl und Übung. Nun war das zu Knäulen aufgewickelte Garn bereit zur weiteren Verarbeitung. Zu Zeiten der Wikinger verwendeten die Frauen das Garn zum Nadelbinden, eine Mischung aus Häkeln und Stricken, oder auf dem Webstuhl. Je nach Garn und Webtechnik konnten unterschiedliche Strukturen und Effekte erzeugt werden. Das isländische Wolltuch vaðmál (vað=Stoff, mál=Maß; abgemessener Stoff) wurde auf aufrechten Gewichtswebstühlen, genannt kljásteinavefstaður, gewoben. Die Spannfäden hingen von einem Querbalken (Tuchbaum) am Kopfende der Standpfosten herunter und wurden unten mit Steinen als Gewichten beschwert und straff gehalten. Das Weben erfolgte von oben nach unten im Stehen und war überwiegend Frauenarbeit. Eine fleißige Weberin konnte bis zu 300 kg Wolle in einem Jahr verarbeiten. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der vertikale Gewichtswebstuhl vom Trittwebstuhl abgelöst. Die Wollverarbeitung, wie das Kämmen und Spinnen war Gemeinschaftsarbeit und eine willkommene Beschäftigung für lange Wintertage. Als Motiv von Gemälden sind die Szenen bekannt, wo die Familie und Hofknechte in der baðstofa, dem Wohn- und Schlafzimmer der alten Torfbauernhäuser, auf der Bettkante sitzen, Rohwolle kämmen, spinnen oder stricken. Zur Unterhaltung wurden Geschichten erzählt oder aus den Sagas vorgelesen. So waren auch die ärmsten Bauern in der Lage, Garn und Strickwaren herzustellen.

Neben dem Weben auf Webstühlen war auch das Brettchenweben (spjaldvefnaður) und Fußweben (fótvefnaður) für die Herrstellung von Borten und Bändern bekannt. In der Freistaatszeit (þjóðveldisöld 930 bis 1262) fand das fertig gewebte vaðmál Verwendung für Kleidung aller Art, Segel, Zelte und Bettdecken. Aus ungesponnener Wolle wurden sogenannte varafeldir, ähnlich Schafsfellen, hergestellt. Um den Stoff strapazierfähiger und wind- und wasserabweisend zu machen, wurde ein Teil des vaðmál gefilzt. Diese auch aus der Alpenregion bekannte Behandlung der Wolle war wegen der körperlich anstrengenden Arbeit oft den Männern vorbehalten, die unter den wachen Augen der Frauen den Stoff im warmen Wasser durchkneteten, bis sich die Fasern zu einem festen Gewebe verbanden. Bei dieser Behandlung verringerte sich das Volumen des Stoffes um 40 Prozent und ein fester Lodenstoff entstand.

Je nach Bedarf wurden verschiedene Arten von Wolltuch hergestellt. So wies zum Beispiel pakkavaðmál, von den Händlern »islencha« genannt, eine minderwertige Qualität auf und fand u. a. als Verpackungsmaterial Verwendung. Das hochwertigere hafnarvaðmál oder hafnarvoð diente als Material für Bekleidung und war teurer.

Der Hamburger Gories Peerse erwähnt in seinen Islandbeschreibungen von 1561 das isländische Wolltuch:

»Es schlafen zehn oder mehr zusammen in einem Bett, beide Männer und Frauen. Mit den Köpfen zu den Füssen, schnarchen und furzen sie wie ein Haufen Schweine zusammen unter ein WattmansFallien (Vaðmálsfell).

Sie geben ihr Wasser zusammen in einen Bottich, das sie über Nacht gelassen haben und waschen ihren Kopf und Mund damit. Wattman (vaðmál) haben sie unter und über sich. Das ist ihr Bettzeug und sonst nichts.«

Die Wikinger webten auf ihren Webstühlen nicht nur für den Eigengebrauch. So entwickelte sich vaðmál bis zum Jahr 1340 zu einem begehrten Ausfuhrprodukt. Hauptabnehmer war Norwegen. Laut einem Dokument tauschte der Erzbischof von Trondheim schon im Jahre 1194 mit den Isländern Mehl gegen Stoffballen ein. Die Nachfrage nach isländischem Tuch in Norwegen erreichte ihren Höhepunkt um das Jahr 1280. Ein wichtiger Handelsplatz dieser begehrten Ware war zwischen 1320 und 1325 der Markt in Gásum im Norden Islands. Nun beteiligten sich auch die Engländer und Deutschen an dem Geschäft. Vaðmál tauchte 1368 und 1475 in Danzig, in Stettin 1270 und 1282 in Wismar auf. Es war als Tuch für die Armen bestimmt. In Lübeck soll im Jahr 1243 der Stoff als Kleidung für die Patienten des Leprakrankenhauses verwendet worden sein. Da isländisches Wolltuch auf direktem Weg erst um das Jahr 1500 nach Deutschland kam, ist anzunehmen, dass vaðmál davor über England oder Norwegen in das Land kam. Übrigens war die deutsche Bezeichnung »Watmal« nicht nur auf Ware aus Island beschränkt. Mit »Watmal« wurden allgemein rohe Wollstoffe bezeichnet.

Isländisches vaðmál diente in damaliger Zeit als Zahlungsmittel für den Kirchenzehnten. Auch Steuerabgaben und Lohn wurden in vaðmál ausgezahlt. Die Stoffballen wurden in alin (Mehrzahl álnar, álnir = isl. Ellen = 49 cm), eyri ( = 6 álnir), mörk (= 8 aurar = 48 álnir) und hundraði (20 aurar = 2 ½ mörk = 120 álnir) gemessen, ausländische Stoffe dagegen in stikur (= 2 álnir). Eine Kuh (kúgildi als Maßeinheit) war sechs Schafe wert, die 120 álnir vaðmál oder 240 Fischen entsprachen. Die ausländischen Händler benutzten oft andere Maßeinheiten, die von den gebräuchlichen isländischen Maßeinheiten abwichen. Bis Dänemark das Handelsmonopol übernahm, bestanden die Isländer jedoch darauf, ihre eigenen Maß- und Gewichtseinheiten zu benutzen. So war es üblich, bis zum Jahr 1776 die Hamburger Elle (Hamborgeralin = 57 cm) als gebräuchliches Längenmaß zu benutzen. Auf einer Kleiderstoffrechnung aus dem Jahr 1502 des Bischofssitzes in Skálholt sind sieben bis acht Ellen (álnir) zum Einkleiden einer Person berechnet worden.

Um das Jahr 1300 fielen die Preise für den Outdoorstoff der Wikinger, da ein Überangebot entstand und somit die Nachfrage sank. Feinere Stoffe aus Flandern und England eroberten die europäischen Märkte. Die ausländischen Käufer verlangten eine bessere Qualität, die wohl das isländische Produkt nicht gewährleisten konnte. Aber es spielten auch andere Gründe bei dieser Entwicklung mit. Bisher war die Landwirtschaft der Haupterwerbszweig der Isländer gewesen. Der Fischfang betraf nur den Binnenmarkt. Ab 1340 kündigen sich Veränderungen an, als in Norwegen die Hanse an Macht gewinnt. Das Hansekontor in Bergen wird Zentrum des Trockenfischhandels und bestimmt den Handel mit Island, den Färöer Inseln und Norwegen. Das hat eine stärkere Nachfrage nach Trockenfisch (skreið) und Tran (lýsi) zur Folge. In Island wird der Fisch die führende Handelsware und als neue Währungseinheit eingesetzt. Ein Großteil der Landbevölkerung verlässt ihre Höfe und zieht an die Süd- und Westküste, wo sich die ersten Fischerdörfer bilden.

Heute wird zwar kein vaðmál mehr ausgeführt, doch sind isländische Wolle und die aus ihr gestrickten Pullover (lopapeysa) auch im Ausland bekannt. Nach der Finanzkrise 2008 erlebte das Stricken auf Island eine Renaissance. Heute noch stricken heimische Strickerinnen die mit vielfältigen Kragenmustern geschmückten Pullis für ihre Familie oder Souvenirläden, wo die warmen Bekleidungsstücke ein nicht enden wollender Kassenschlager sind. Anfangs dienten die dicken Pullover als Arbeitskleidung für Seeleute (sjómannspeysa). Ein wichtiger Faktor war, dass der Pullover in kurzer Zeit fertiggestellt werden konnte. Die relativ einfache Stricktechnik begeistert auch die Hobbystricker, die sich einen modischen schnell herzustellenden Pullover wünschen. Das Design ist keine Erfindung einer einzigen Strickerin, vielmehr lässt es Einflüsse aus verschiedenen Richtungen vermuten. An Auswahl von Garnen mangelt es nicht. Nicht nur die Handarbeitsgeschäfte, sondern auch die Supermärkte haben gefärbte oder naturfarbene isländische Schafwolle in ihrem Angebot. Unter dem Link der isländischen Textilindustrie www.istex.is finden Sie Informationen über die verschiedenen Garnarten, Strickanleitungen, Pflegehinweise und vieles mehr.

Stricken hat sich erst Anfang des 16. Jahrhunderts auf Island durchgesetzt. Es ist anzunehmen, dass es Engländer, Holländer oder Deutsche waren, die diese Handarbeitstechnik auf die Insel brachten. Diese neue Handwerkskunst verbreitete sich schnell. Gestrickte Socken aus grobem ungezwirntem Garn (duggarasokkar) und Handschuhe (belgvettlingar mit einem oder zwei Daumen) fanden besonders bei den holländischen Händlern Anklang. Der Zweidaumenhandschuh für Fischer wird oft als typisch isländisch beschrieben. Es gab aber diese Art von Arbeitshandschuhen auch in anderen skandinavischen Ländern. Der Vorteil der Zweidaumenhandschuhe lag darin, dass man den Handschuh drehen und den anderen Daumen verwenden konnte, wenn ein Daumen beim Rudern der Boote durchscheuerte.

Der älteste Hinweis über die Ausfuhr von Strickwaren stammt aus dem Jahre 1624. In dem Jahr wurden etwa 72.000 Paar Socken (Yslandessche Socken) und circa 12.000 Paar Handschuhe ausgeführt. Nicht nur die Erwachsenen, auch Kinder mussten auf den Höfen stricken. Ein achtjähriges Kind hatte zwei Paar Fischerhandschuhe pro Woche zu stricken. Auf Island gibt es den Spruch: »Allir sem vettlingi geta valdið« was so viel bedeutet wie »Alles, was Beine hat« oder »Jeder, der mit anpacken kann«. Damit ist gemeint, dass alle, Groß und Klein, sich an dieser Heimarbeit beteiligen mussten.

Um Socken und Handschuhe strapazierfähiger zu machen, wurden sie gefilzt. Zum Walken verwendete man den Harn von Haustieren (keyta). Da die Kaufleute über die schlechte Qualität der Wollwaren klagten, wurde laut Gesetz von 1606 festgelegt, wie die zum Verkauf angebotenen duggarasokkar und Handschuhe gestrickt werden sollten. Gleich zu Beginn der Ausfuhr von Strickwaren war die Nachfrage nach Socken größer als nach Handschuhen. Das machte sich auch am Preis bemerkbar. So entsprachen im Jahre 1616

24 duggarasokkar = 72 Paar Handschuhe = 48 Paar ausgewählte Handschuhe = 100 Fische.

Unser Tipp: Im Freilichtmuseum Skógar an der Südküste Islands erhalten Sie einen Einblick in die Wollverarbeitung und das Leben der Bauern früher.

www.skogasafn.is

Unser Tipp: Eine große Auswahl an günstigen traditionellen Wollpullovern finden Sie auf dem Flohmarkt Kolaport beim Hafen von Reykjavík oder im Laden der Handstrickvereinigung Skólavörðustígur 19.

Wussten Sie, dass Auður Sveinsdóttir Laxness (1918-2012), die Ehefrau des Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness, oft in Zusammenhang mit der Erfindung des typischen isländischen Wollpullovers (lopapeysa) gebracht wird? Die Inspiration für das Design soll sie aus einem Buch mit Mustern der Inkas, das ihr Ehemann ihr geschenkt hat, erhalten haben.

Schwefel, Tran und Trockenfisch. Wie Hamburger Kaufleute Island eroberten

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